Bundesliga (D)

Nachruf auf Andreas Brehme: Zum Tod des Weltmeisters von 1990

Nachruf

Ein Schuss, ein Tor, der Brehme

Ein Treffer für die Ewigkeit: Andreas Brehme trifft vom Punkt gegen Sergio Goycochea (li.).

Ein Treffer für die Ewigkeit: Andreas Brehme trifft vom Punkt gegen Sergio Goycochea (li.). imago images/Colorsport

Dieses Bild ist ikonisch und hat sich ins Gedächtnis aller Fußballfans eingebrannt, die alt genug sind, den dritten von vier WM-Titeln Deutschlands 1990 miterlebt zu haben: Andreas Brehme steht am Abend des 8. Juli 1990 ruhig und konzentriert am Elfmeterpunkt des Olympiastadions von Rom, die TV-Kamera zoomt sich an sein Gesicht heran. Um Brehme herum diskutieren empörte Argentinier mit Schiedsrichter Edgardo Codesal minutenlang, ehe der Mexikaner in der 85. Minute den Strafstoß freigibt.

Brehme, damals 29 Jahre alt, verwandelt mit dem rechten Fuß so präzise wie sicher in die von ihm aus gesehen untere linke Torecke. Später hat er immer erzählt, er sei sich sicher gewesen. Brehme hätte wohl auch mit dem linken getroffen, galt als der beste beidfüßige Fußballer seiner Zeit. Jene Nacht von Rom ist ein Höhepunkt der deutschen Fußballgeschichte und der Höhepunkt in Brehmes Karriere. Nur ein Elfmeter, mag ein Unwissender urteilen. Dabei kann man diesen Schuss nicht hoch genug bewerten.

Zum Tod von Andreas Brehme

Mit Sergio Goycochea stand Brehme ein ausgewiesener Elfmeterspezialist im Tor Argentiniens gegenüber, die Drucksituation vor einem Milliarden-Publikum: maximal. Wer hätte tauschen wollen? Der zweifelnde Lothar Matthäus nicht. Der Kapitän überließ Brehme den Schuss, weil er wusste, dass sein Freund die Nerven behalten würde. Die richtige Entscheidung und eine zu selten gewürdigte Geste. Ein Schuss, ein Tor, der Brehme.

Der gebürtige Hamburger Brehme wuchs in der Jugend von Barmbek-Uhlenhorst auf, über den 1. FC Saarbrücken landete er 1981 beim 1. FC Kaiserslautern, stieg dort zum Nationalspieler auf und wechselte nach der Vize-Weltmeisterschaft 1986 zum FC Bayern. Zu einer internationalen Größe wurde Brehme, wie so viele seiner Generation, aber erst im Ausland. In Italien, damals das Mekka des Fußballs. Mit seinem Kumpel Matthäus ging er 1988 zu Inter Mailand. Aus talentierten Fußballern wurden Männer, Anführer einer Weltmeistermannschaft.

Brehme feierte den Gewinn der italienischen Meisterschaft 1989 und des UEFA-Cups 1991, in der Form seines Lebens aber zeigte er sich bei dieser wundervollen Weltmeisterschaft in seiner Wahlheimat Italien. Der Linksverteidiger traf im Achtelfinale kunstvoll-schlenzend gegen die Niederlande, sein abgefälschter Freistoß landete im Halbfinale gegen die Engländer im Tor, das Endspiel entschied sein perfekt geschossener Elfmeter. Damit steht Brehme in einer Reihe mit Helmut Rahn, Gerd Müller und Mario Götze, den anderen deutschen Siegtorschützen eines WM-Finals. Über Real Saragossa (1992/93) kehrte Brehme nach Kaiserslautern zurück.

Brehmes Tore 1990

Auch in der größten Niederlage lieferte er ein Bild, das sich im kollektiven Fußballgedächtnis Deutschlands verewigt hat: Nach dem Abstieg mit den Lauterern 1996 weinte Brehme vor laufenden TV-Kameras in den Armen seines Freundes Rudi Völler, dem im direkten Duell mit Leverkusen der Klassenerhalt gelungen war. Deutschland sah seinen Helden leiden und empfand Mitleid. Das Happy End für den Fußballer Brehme folgte 1998, Deutscher Meister mit den Pfälzern als Reservist, bescheiden, nicht aufbegehrend.

Weniger erfolgreich verlief nach dem Karriereende die zweite Laufbahn als Trainer. Erst in Kaiserslautern, dann in Unterhaching, als Co-Trainer von Giovanni Trapattoni beim VfB Stuttgart. In den letzten Jahren wurde es ruhig um Brehme, der in 86 Länderspielen acht Tore erzielte, an je drei Welt- und Europameisterschaften teilnahm. Wie Rahn, Siegtorschütze 1954 gegen Ungarn, musste er in Interviews immer wieder von diesem einem Tor, dem goldenen Schuss erzählen.

"Täglich und überall, auch von wildfremden Menschen" werde er darauf angesprochen, erzählte Brehme im kicker 2020 zum 30-jährigen Jubiläum. Als die Hall of Fame des Deutschen Fußballs im deutschen Fußballmuseum in Dortmund geboren wurde, gehörte Brehme 2018 zu den ersten, die Aufnahme fanden. Eine verdiente Würdigung für den Spieler und Menschen, der in der Nacht auf Dienstag viel zu früh mit 63 Jahren an Herzversagen gestorben ist. Gut sechs Wochen nach dem Tod seines Weltmeistertrainers und Mentors Franz Beckenbauer verliert der deutsche Fußball erneut einen Großen. Möge Brehme in Frieden Ruhen.

Frank Linkesch

WM-Finale 1990 - Brehme ist der Held