Int. Fußball

Danny Röhl von Sheffield-Wednesday im kicker-Interview

Trainer von Sheffield Wednesday

Röhl im Interview: "Alle Transfers gehen über meinen Tisch"

Feierte mit Sheffield Wednesday schon erste Erfolge - der Abstieg droht aber weiterhin: Danny Röhl.

Feierte mit Sheffield Wednesday schon erste Erfolge - der Abstieg droht aber weiterhin: Danny Röhl. IMAGO/Shutterstock

Herr Röhl, Sie haben am 13. Oktober 2023 den Job des Teammanagers bei Sheffield Wednesday übernommen. Der Aufsteiger hatte zu diesem Zeitpunkt lediglich drei Punkte und null Siege. Seither gab es in der Liga neun Siege, zwei Unentschieden und zwölf Niederlagen bei 23:35 Toren und einem Punkteschnitt von 1,26. Ihre Mannschaft steht auf dem 23., somit vorletzten Rang. Wie bewerten Sie diese Zwischenbilanz?

Bis hierhin haben wir mit der Mannschaft eine gute Entwicklung genommen, vor allem was die Spielidee und die Identität betrifft. Von den ersten sechs Spielen konnten wir im Herbst 2023 leider nur eines gewinnen, obwohl unsere Performance schon deutlich besser geworden war. Würden wir allein die letzten 15 Partien nehmen, stünden wir auf Tabellenposition 7 mit 1,46 Punkten im Schnitt. Daran sind Fortschritte abzulesen, obwohl die Leistung noch immer nach oben und unten ausschlägt. Um unser Saisonziel, den Klassenerhalt, zu erreichen, müssen wir konstant punkten.

Wie sieht Ihre Spielidee aus?

Sie ist aufgrund meiner Vergangenheit schon etwas komplexer und geprägt vom Red-Bull-Fußball mit viel Pressing in der Kombination mit Ballbesitzphasen, in denen Lösungen zu finden sind, wie es beim FC Bayern praktiziert wurde. Diesen Balanceakt versuche ich immer wieder reinzubringen, dabei müssen wir aber insbesondere Punkte sammeln. Die Chance, auf den viertletzten Rang zu kommen, lebt noch. Als ich kam, trauten uns nicht viele zu, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt noch so im Rennen sind.

zum Thema

In der Transferperiode im Winter kamen fünf Mann neu zu Ihrem Kader, darunter ein Talent aus der eigenen Jugend. Fünf Spieler gingen. Hat sich der Klub ausreichend verstärkt?

Ja, wir konnten uns grundsätzlich verstärken. Jeder Trainer möchte zwar immer mehr neue Spieler haben, aber im Januar ist die Situation schwierig. Und ein abstiegsbedrohter Verein kann nicht alle Wunschspieler bekommen, wir hätten auch gerne noch den einen oder anderen Spieler mehr verpflichtet. In James Beadle, dem Torwart, den wir von Brighton geholt haben, steht bei uns ein Keeper im Tor mit sehr viel Potenzial. Dieses Ausnahmetalent werden wir in den kommenden Jahren auf deutlich höherem Niveau sehen. Stürmer Iké Ugbo hilft uns ebenfalls, er hat schon fünfmal getroffen (zuletzt am Samstag doppelt beim 2:1 gegen Bristol, Anm. d. Red.). Bailey Cadamarteri habe ich aus der Jugend hochgezogen, Marvin Johnson habe ich im Oktober zurückgeholt, nachdem er suspendiert war. Neben den neuen Spielern konnten wir die Mannschaft und jeden Einzelnen deutlich weiterentwicklen. Eine gezielte Jugendförderung gehört zum Plan, weil wir die zweitälteste Mannschaft der Liga haben. 

Bisher hatte ich nicht mit Beratern telefoniert, Verträge besprochen oder Spieler suchen und überzeugen müssen.

Danny Röhl

Wie sieht die Arbeit eines Teammanagers in Englands zweiter Liga aus?

Es gilt in allen Bereichen Lösungen zu finden. Zum Beispiel haben wir zwei Rasenplätze, müssen bei Frost aber auf die fehlende Rasenheizung reagieren. Man hat alles, was man braucht, auf dem Platz können wir gut arbeiten. Sheffield Wednesday hat sehr schlanke Strukturen: Da ist der Chairman, zugleich der Eigentümer des Klubs, dann komme schon ich. Alle Entscheidungen treffen wir zwei zusammen. Alle Transfers gehen über meinen Tisch, alle Vertragsverlängerungen, die Hotelbuchungen. Ich muss alles mit absegnen. Diese kurzen Wege sind einerseits gut, um Dinge schnell anzuschieben; aber es ist viel Arbeit. Mein sehr erfahrenes Trainerteam hilft mir da sehr.

Wie viele Leute hat Ihr Stab?

Ich habe einen Asssistant Manager, zwei Co-Trainer und einen Torwarttrainer mitgebracht sowie einen weiteren Co-Trainer aus der Akademie hochgezogen, es ist also ein Team mit fünf Leuten. Ich wollte Mitarbeiter mit sehr unterschiedlichen Profilen, zum Beispiel einen englischsprachigen Trainer, der die Liga kennt, und einen, der das Bindeglied zur Akademie darstellt. Für mich war die größte Herausforderung das Transferfenster. Bisher hatte ich nicht mit Beratern telefoniert, Verträge besprochen oder Spieler suchen und überzeugen müssen.

Die Championship ist für mich nach den fünf Top-Ligen in Europa die beste.

Danny Röhl

Sie bezeichneten Flick im November 2022 als Ihren Mentor. Wie viel Flick steckt in Ihnen?

Neben den taktischen Inhalten habe ich vor allem die Mannschaftsführung von Hansi Flick mitgenommen, wie er die Spieler in ihren positiven Eigenschaften bestärkt, Gespräche gesucht und ihnen Feedback gegeben hat. Flick hat seine Mannschaft immer geschützt. Auch für mich ist der stets gute Draht zu den Spielern sehr wichtig, ohne dass ich meine hohen Erwartungen an sie reduziere, sei es im Training auf dem Platz oder bei Taktik-Meetings. 

Podcast
Podcast
Das Sommermärchen 2004: So wurde Griechenland sensationell Europameister
15:26 Minuten
alle Folgen

Sheffield Wednesday, gegründet am 4. September 1867, zählt zu den ältesten noch bestehenden Fußballvereinen der Welt, ist Gründungsmitglied der FA und der Premier League sowie erster FA-Cup-Sieger. Es gab vier Meisterschaften, die letzte 1930. 2000 ging es in die Zweite Liga, anschließend zweimal in die dritte Liga. 2023 gelang die Rückkehr in die EFL Championship, die zweite englische Liga. Welches Selbstverständnis herrscht aktuell beim Aufsteiger?

Wir spielen zu Hause im Schnitt vor 25.000 Zuschauern, auswärts begleiten uns bis zu 4000. Die Unterstützung ist außergewöhnlich und herausragend. Mit dem Potenzial der Fans und der Strahlkraft kann Sheffield Wednesday wieder ein Premier-League-Klub werden. Dafür muss man aber viel investieren, nicht nur Geld, sondern auch mit Blick auf die Identität. Dazu haben wir jetzt Anstöße gegeben. Im Sommer müssen die richtigen Stellschrauben gedreht werden, 20 Verträge laufen aus. Da muss bei der Kaderzusammenstellung vieles richtig gemacht werden. Mit seiner Historie und Tradition ist es ein ganz besonderer Klub. Selbst Greenkeeper anderer Vereine sagen mir bei Auswärtsfahrten, dass sie Wednesday-Anhänger sind. Und auch in Deutschland verbinden Fußballfans mit Sheffield Wednesday eine gewisse Geschichte.

Wenn wir das Niveau in England und Deutschland vergleichen: Auf welchem Platz stünde Ihr Team in der 2. Liga in Deutschland?

Die Championship ist für mich nach den fünf Top-Ligen in Europa die beste. Hier sind klasse Spieler auf hohem Niveau aktiv. Vergleicht man die Marktwerte der Top-Klubs der 2. Bundesliga mit der Championship, würde der Hamburger SV mit zirka 50 Millionen Euro bei uns auf Platz 16 liegen. Der gesamte Kaderwert der Championship umfasst 1,7 Milliarden, eine Riesendimension. Unser Kader liegt bei nur 20 Millionen. 

Mein Verhältnis zu Hansi Flick ist immer noch sehr vertraut. Aber mein Fokus liegt komplett auf meiner eigenen Entwicklung als Chef-Trainer.

Danny Röhl

Sie haben als Videoanalyst und Co-Trainer gearbeitet, bei RB Leipzig, in Southampton, bei Bayern München und der deutschen Nationalmannschaft. Nun sind Sie erstmals in der Hauptverantwortung. Wie sieht Ihr weiterer Karriereplan aus? 

Ich bin aktuell sehr zufrieden, nach rund zehn Jahren in anderen Rollen nun Cheftrainer in der englischen Variante, also mit Manageraufgaben, sein zu dürfen. Diese Aufgabe gibt mir eine große Erfüllung. Ich gehe jeden Tag mit einem Lächeln zur Arbeit, trotz der herausfordernden Tabellenkonstellation. Ich spüre enorm viel positive Energie, es macht einfach Spaß. Mein Verhältnis zu Hansi Flick ist immer noch sehr vertraut und wir tauschen uns regelmäßig aus. Aber mein Fokus liegt komplett auf meiner eigenen Entwicklung als Chef-Trainer. 

Werden Sie in der kommenden Saison unabhängig von der Ligazugehörigkeit in jedem Fall bei Sheffield Wednesday bleiben?

Aktuell konzentriere ich mich bis zum 5. Mai voll und ganz auf die laufende Saison, damit sie so endet, wie wir es uns wünschen; anschließend werden wir uns zusammensetzen und die Situation bewerten.

Können Sie sich eine Rückkehr in die Bundesliga vorstellen?

Na klar, die Bundesliga gehört zu einer der Top-Ligen weltweit. Als deutscher Trainer ist es immer etwas Besonderes, im eigenen Land auf höchsten Niveau arbeiten zu dürfen. Wenn man Kind ist, träumt man immer von der ersten Bundesliga.

Interview: Karlheinz Wild

Drei Bundesligisten dabei: Diese 20 Vereine zahlen die höchsten Gehälter in Europa