Int. Fußball

Schlusslicht Elche hat sechs Trainer nur in dieser Saison

Geschichtsträchtiges Stadion, besonderer Fan

Sieben Trainer nur in dieser Saison: Elche ist kein gewöhnliches Schlusslicht

Gemeinsam wollen sie am Wunder arbeiten: Elches neuer Coach Sebastian Beccacece (li.) und Aufstiegsheld Pere Milla.

Gemeinsam wollen sie am Wunder arbeiten: Elches neuer Coach Sebastian Beccacece (li.) und Aufstiegsheld Pere Milla. imago images (2)

Am Samstagabend (21 Uhr, LIVE! bei kicker) kommt es in La Liga zum Duell der absoluten Gegensätze: Auf der einen Seite der Spitzenreiter aus Barcelona, der aus 26 Spielen bärenstarke 68 Punkte gesammelt und die Meisterschaft praktisch in der Tasche hat. Auf der anderen der FC Elche, der aktuell mehr Zähler Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz (14) hat als er bislang selbst geholt hat (13). Sportlich läuft es beim Außenseiter in der Spielzeit 2022/23 so gar nicht: Zwei Siege aus 26 Ligaspielen, nur 19 geschossene Tore (schwächster Angriff der Liga) und 51 Gegentreffer (schwächste Abwehr der Liga) sprechen eine unmissverständliche Sprache.

Mit Sebastian Beccacece wird im Heimspiel gegen Barça bereits der siebte Trainer in dieser Spielzeit auf Elches Bank Platz nehmen. Auf Francisco Rodriguez, der in einem Spiel von Assistent Jaime Ramos vertreten wurde, folgte Alberto Gallego, dann Jorge Almiron, dann Sergio Mantecon, dann Pablo Machin. Jetzt Beccacece. Einen Klub in Europa hat er, zuvor bei Defensa y Justicia in Argentinien an der Seitenlinie, bisher noch nie betreut. Eine besondere Geschichte gab es da auch bei Elches Aufstieg im Sommer 2020: Zwei Tage nach der Rückkehr in La Liga hatte der Verein einen neuen Trainer installiert. Jorge Almiron übernahm für Juan Jose Rojo Martin, genannt Pacheta ("Ich gehe, aber mein Herz bleibt hier"). Dieser hatte den Verein insgesamt 910 Tage betreut. Die Trennung war auch in Spanien als "paradox" (El Mundo) bezeichnet worden.

Ein "Geschmäckle" bekam die Geschichte beim näheren Blick auf den neuen Trainer. Dieser wurde nämlich vom mächtigen argentinischen Berater Christian Bragarnik vertreten - der gleichzeitig Elches Inhaber ist. Und auch beim Blick auf die Strapazen, die Pacheta auf sich genommen hatte: In der am Ende 372 (!) Tage andauernden Zweitliga-Saison 2019/20 setzte sich Elche in den Play-offs durch.

Nicht-Abstieg schon jetzt Utopie

In diese hatte es der Klub aus der Nähe von Alicante als Tabellensechster überhaupt erst geschafft, weil Fuenlabrada (zuvor 6.) am allerletzten Spieltag in der 95. Minute das 1:2 bei Depor kassiert hatte. Elches beste Platzierung in der gesamten Saison war Rang fünf - für zwei ganze Spieltage. In den vier Aufstiegsspielen (je zwei gegen Real Saragossa und Girona) erzielte Elche dann nur zwei Tore, kassierte dafür aber kein einziges. Im Play-off-Finale in Girona erzielte Pere Milla in der 96. Minute das alles entscheidende 1:0. Selten war ein Aufstieg unwahrscheinlicher. Pere Milla spielt noch heute für den Klub und ist in dieser Saison mit sechs Treffern aus 19 Einsätzen mit Abstand bester Torschütze.

Im ersten Jahr nach dem Aufstieg blieb Elche knapp über dem Strich (zwei Punkte vor Mitaufsteiger und Absteiger Huesca), in der Saison 2021/22 waren es vier Zähler Vorsprung auf den ersten Absteiger Granada. Nun ist ein erneuter Nicht-Abstieg bereits vor dem 27. Spieltag eigentlich nur noch Utopie.

Mit Spaniens Oberhaus verbindet Elche, 1923 gegründet, grundsätzlich eine bewegte Geschichte. Es dauerte bis zur Saison 1959/60, ehe der Klub von der dritten in die erste Liga durchmarschierte. Ein fünfter Platz 1964 ist bis heute die beste Platzierung der Vereinsgeschichte. Im Jahr 1966 stellte Elche mit Luciano Sanchez Rodriguez (Spitzname Vava, nicht zu verwechseln mit dem brasilianischen Weltmeister) zum ersten und bis dato einzigen Mal den Torschützenkönig der Primera Division (19 Treffer).

Zur Saison 2012/13 kehrte Elche schließlich nach 24 Jahren Abstinenz in La Liga zurück. Sportlich lief es durchaus gut, doch trotz Rang 13 in der Saison 2014/15 musste der Verein aufgrund finanzieller Verbindlichkeiten erneut den bitteren Gang in die Zweitklassigkeit antreten. Nun ist der erneute Absturz ganz nah.

Sportlich verdient wäre er fraglos: In der Saison 2017/18 hatte letztmals ein Tabellenletzter nach dem 26. Spieltag nur 13 Zähler auf dem Konto - Malaga stieg ab und verschwand in den Niederrungen der zweiten Liga. Aktuell sind die Andalusier Drittletzter im spanischen Unterhaus und haben bereits acht Punkte Rückstand aufs rettende Ufer.

La Liga verliert ein geschichtsträchtiges Stadion

Mit Elches Abstieg würde La Liga auch ein WM-Stadion verlieren: Das Estadio Manuel Martinez Valero weist eine Kapazität von 36.000 Zuschauern auf, wurde am 8. September 1976 eröffnet und mit einem Freundschaftsspiel gegen die mexikanische Nationalmannschaft eingeweiht. Sechs Jahre später wurde es sogar Schauplatz von drei WM-Vorrundenspielen. Im 1982 noch 53.000 Zuschauer fassenden Stadion stieg unter anderem die historische Begegnung zwischen Ungarn und El Salvador - das 10:1 vom 15. Juni 1982 ist bis heute und womöglich auf ewig der höchste Sieg der WM-Geschichte.

Ein weinendes Auge hat fraglos auch Saul Niguez, der die Auswärtsspiele mit Atletico Madrid in Elche genossen haben dürfte. Der mittlerweile 28-Jährige wurde am 21. November 1994 in Elche geboren und kickte dort in der Jugend, ehe er mit elf Jahren zu Real Madrid wechselte und von dort später zum Stadtrivalen weiterzog.

Seinen Oberarm ziert ein Tattoo, das zur Hälfte das Wappen von Atletico und zur Hälfte das von Elche zeigt. Nach dem bis dato letzten Aufstieg seines Heimatklubs im Sommer 2020 hatte er via Twitter Glückwünsche ("Elche war immer erstklassig") geschickt und ein Bild geteilt: von sich aus jungen Jahren mit Elche-Trikot, Kapitänsbinde und einem stolzen Lächeln auf den Lippen.

Das wollen auch Elches Fans aufsetzen - wenn der Verein in womöglich absehbarer Zeit ins Oberhaus zurückkehrt.

msc