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Jeddeloh-Rückkehrer Lindemann: "Hatte Gefühlschaos im Kopf"

Trainer-Rückkehrer im Interview

SSV Jeddeloh II: Lindemann widerspricht Riebau und will das Ammerland zurückgewinnen

Björn Lindemann würde mit dem SSV Jeddeloh II auch in die Oberliga gehen.

Björn Lindemann würde mit dem SSV Jeddeloh II auch in die Oberliga gehen. IMAGO/Lobeca

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Herr Lindemann, die ersten beiden Spiele seit Ihrer Rückkehr zum SSV liegen hinter Ihnen. Wie fallen Ihre Eindrücke nach dem 1:1 gegen Teutonia Ottensen und dem 2:4 beim Bremer SV aus?

Nach dem Ottensen-Spiel hatten wir natürlich ein anderes Gefühl als nun nach der Partie in Bremen. Die ganze Saison ist ein Auf und Ab, es gibt keine Konstanz. Das Teamgefüge war nicht ganz so gut, als ich kam. Das muss ich ehrlich sagen. Die meisten haben mehr auf den anderen als auf sich selbst geschaut. Die Mannschaft war verunsichert und es wurden viele Ausreden gesucht. Nun heißt es nach vorne schauen und Gas im Training geben. Die Spieler müssen einfach besser ihr Potenzial ausschöpfen.

Ein Punkt gegen Ottensen ist in Ordnung, aber das direkte Duell am Ostermontag beim Bremer SV verloren zu haben, war im Kampf um den Klassenerhalt eine schmerzhafte Niederlage.

Das tat sehr weh, aber wir waren selber schuld. Wir sind die erste Halbzeit nicht so angegangen wie die Bremer. Da wollten wir zu viel Fußballspielen, aber das geht auf den Plätzen aktuell einfach nicht. Gebraucht hätten wir mehr Leidenschaft. Wir sind maximal unten drin. Das heißt: Erst kämpfen, dann Fußball spielen.

Im vergangenen Sommer trennten der Klub und Sie sich nach nur einer Saison. Sind Sie selbst überrascht davon, dass Sie nun zurück sind?

Als der Anruf von Olaf (Blancke, Sportlicher Leiter, Anm. d. Red.) kam, war ich dienstagmittags gerade im Auto mit der Familie. Ich hatte, ehrlich gesagt, gar nicht mehr damit gerechnet, bis zum Sommer einen Trainerjob anzutreten. Es gab ein paar Gespräche, aber dann ging es schnell immer um das Thema Erfahrung. Ich habe deshalb beim JFV Calbenberger Land die U 19 in der Regionalliga übernommen. Das hat mir Spaß gemacht. Da konnte ich auch mal ein paar Dinge ausprobieren. Das hat mir auch als Trainer weitergeholfen, um mich zu entwickeln. Dann kam der Anruf von Olaf .

Die Trainer in der Regionalliga Nord

Und Sie waren direkt Feuer und Flamme?

Ich hatte erst mal Gefühlschaos im Kopf und habe Olaf auch nicht direkt zugesagt. Zunächst wollte ich mit meiner Frau darüber sprechen. Mal ehrlich: Es ist ja schon eine komische Situation. Im Sommer trennen der Klub und ich uns - und dann kommt so ein Anruf. Meine Kleine hat sich sofort gefreut. Sie will immer gerne nach Jeddeloh und hat direkt gefragt: 'Papa, wann können wir hinfahren?' Und meine Frau meinte dann auch: 'Komm, mach das. Du hast doch die A-Lizenz für solche Aufgaben gemacht.' Dann habe ich zugesagt. Ich hatte zuvor ja auch keine Probleme mit jemandem in Jeddeloh.

"Bevor es in der neuen Saison einmal eklig wird, gehen wir jetzt lieber im Guten auseinander", sagten Sie im Juni im Gespräch mit dem kicker. Warum sind Sie sich nun sicher, dass es definitiv nicht eklig wird?

Manchmal unterschätzt man den Trainermarkt vielleicht auch ein bisschen. Ich wollte einen Schritt nach vorne machen und dachte mir: 'Dann konzentrierst du dich jetzt erstmal auf den Trainerschein und nimmst dann das nächste Angebot an.' Aber so einfach ist es nicht. Ich bin jetzt nicht zurückgekommen, um einfach so weiterzumachen. Der Verein weiß schon, dass er etwas machen und neue Wege einschlagen muss. Da werden wir einen guten Mittelweg finden.

Sie hatten sich im vergangenen Sommer vor allem Verbesserungen bei den Trainingsmöglichkeiten gewünscht. "Der Klub möchte nicht so viel verändern. Wir hatten einfach unterschiedliche Vorstellungen", sagten Sie seinerzeit. Nun sind Sie also auf einen Nenner gekommen? Oder hat sich einfach ihre Kompromissbereitschaft erhöht?

Mit einigen Dingen muss ich mich bei einem Verein wie Jeddeloh einfach arrangieren. Der Verein arbeitet aber daran, auch für die Wintermonate bessere Möglichkeiten zu finden. Das ist auch unabdingbar.

Der Verein weiß schon, dass er etwas machen und neue Wege einschlagen muss.

Björn Lindemann

War auch ein bisschen Genugtuung dabei, als der Anruf von Olaf Blancke kam?

Natürlich dachte ich mir auch: 'Na, vielleicht war doch nicht alles verkehrt, was ich gemacht und gesagt habe.' Also war es auch ein schönes Gefühl. Aber natürlich ist das auch eine Aufgabe, die vor uns liegt. Die Mannschaft müsste aus meiner Sicht gar nicht dort sein, wo sie aktuell steht. Ich will jetzt zeigen, dass ich es gemeinsam mit den Jungs schaffe.

Ihr Vorgänger Key Riebau sagte hingegen zuletzt im kicker-Interview, dass der SSV in der Tabelle genau dort stünde, wo er hingehört. Dies sehen Sie also explizit anders?

Ja. Es ist aber ja auch gut, dass wir nicht alle gleich sind. Ich sehe, was an Potenzial aus den Spielern rausgeholt werden kann. Die Puzzle-Teile müssen richtig zusammengesetzt werden, damit jeder dem Team einen Mehrwert gibt. Da sollte man es sich nicht so einfach machen und sagen: 'Okay, ich habe keinen guten Kader. Deshalb klappt es nicht.' Die Jungs haben vorher ja nicht in der Kreisliga gespielt, sondern viele besitzen schon Erfahrung in der Regionalliga.

Im vergangenen Sommer gab es auch unterschiedliche Vorstellungen bei der Zusammenstellung des Kaders. Konnten auch diese ausgeräumt werden?

Ich brauche nicht die besten Spieler. Ich möchte die beste Mannschaft haben. Wichtig ist für mich, dass meine Jungs einen Schritt nach vorne machen. Das ist für mich das Spannende am Trainersein. Ich will, dass wir hier mit vielen Spielern aus der Umgebung arbeiten und diese weiterbringen. Wir müssen das Ammerland zurückgewinnen und brauchen dafür ein festes Gerüst aus der Region. Dafür sollten wir keine Kohle für Spieler von weit weg verschleudern, sondern die Jungs hier vor Ort langfristig fördern.

Ein wichtiger Spieler war in den vergangenen Jahren für den SSV häufig Stürmer Julian Bennert. Im März 2023 sprachen Sie schon davon, dass dieser regelmäßig davon rede, in die Kreisliga zu wechseln. Nun verlässt er im Sommer den Klub nach zehn Jahren und wechselt zu GW Firrel in die Landesliga. Welche Rolle kann Bennert beim "Projekt Klassenerhalt" noch spielen?

Würden Sie sich nach so langer Zeit mit einem Abstieg verabschieden wollen? Benne ist manchmal ein Pappenheimer, aber er ist auch extrem ehrgeizig und durch und durch Fußballer. Er will garantiert nicht als Absteiger gehen und wird für uns noch sehr wichtig sein.

Ihr Vertrag läuft über das Saisonende hinaus. Sie würden mit dem SSV also auch im Fall der Fälle in die Oberliga gehen?

Das würde ich auf jeden Fall machen. Aber das ist Zukunftsmusik. Ich gehe stark davon aus, dass wir es schaffen werden und uns am letzten Spieltag in den Armen liegen. Notfalls auch erst nach der Relegation.

Wir müssen das Ammerland zurückgewinnen. Dafür sollten wir keine Kohle für Spieler von weit weg verschleudern, sondern die Jungs hier vor Ort langfristig fördern.

Björn Lindemann

Sehr eng war Ihr Draht in der vergangenen Saison zu ihrem Co-Trainer Kevin Samide, mit dem Sie sehr gut befreundet sind. Wie sehr schmerzt es, dass er nun nicht dabei ist?

Bei Kevin und mir passt es wie die Faust aufs Auge. Wir verstehen uns blind und telefonieren auch jetzt jede Woche. Er ist zwar nicht wieder als Co-Trainer dabei, aber schaut sich trotzdem auch mal die Spiele der Gegner an. Ihn würde ich immer mit Kusshand nehmen. Er hat jetzt ein Haus gebaut, wollte mal mehr Zeit für die Familie haben und hat auch den Job gewechselt. Das akzeptiere ich natürlich. Trotzdem ist er nah dran an Jeddeloh. Sein Herz schlägt ja weiterhin für diesen Verein.

Und ab dem Sommer ist er womöglich dann auch wieder ihr Co-Trainer?

Mit Koka (Konstantin Engel, Anm. d. Red.) habe ich jetzt einen spielenden Co-Trainer, den ich ja auch seit Jahren kenne. Mit ihm habe ich genauso viel Fachwissen dabei wie bei Kevin. Koka ist aber etwas diplomatischer (lacht). Er bringt aus dem Profifußball jede Menge Erfahrung mit und zerreißt sich, wenn wir ihn reinwerfen. Vielleicht ginge es auch mit Koka und Kevin als meine Co-Trainer. Das wäre natürlich ein Dreamteam. Aber darüber können wir nach der Saison reden. Jetzt geht es erstmal darum, dass wir die nötigen Punkte für den Klassenerhalt holen.

Interview: Karsten Lübben

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