Champions League

Ein Rückblick auf 20 Jahre Champions-League-Gruppenphase

Champions League zum letzten Mal im "alten" Format

Torflut, Sensationen, Besonderheiten: Was von 20 Jahren Gruppenphase bleibt

Die Gruppenphase der Champions League lieferte einige besondere Momente.

Die Gruppenphase der Champions League lieferte einige besondere Momente. Getty Images (2), imago images

Noch eine Zigarette und ein letztes Bier im Stehen … dann ist die Gruppenphase, wie wir sie kennen, Geschichte. Das Rauchen in den Stadien war in den ersten Jahren tatsächlich noch erlaubt. Das Stehplatzverbot wurde erst kürzlich weitgehend wieder aufgehoben. Mit den Begegnungen an diesem Mittwochabend endet nun in der Champions League ein fast drei Jahrzehnte währender Modus, der zwischenzeitlich Variationen erfuhr, dabei aber immer auf eben Gruppenspielen vor den K.-o.-Runden basierte.

Ab September 2024 spielt sich die Königsklasse nach dem Schweizer Modell ab. Mit 36 statt 32 Teams in einer Liga, mit acht statt sechs Partien für jeden Klub und zudem einer Play-off-Ausscheidung vor der Runde der letzten 16. Alles Käse? Es gibt neben viel Wider durchaus auch ein Für, aber dazu später mehr. Zunächst ein Schnelldurchlauf ab der Saison 2003/04. Denn 2003 war es mit der zweiten Gruppenphase vorbei.

Spektakel und Sensationen

Weniger Langeweile sollte das zur Folge haben, aus finanziellen Gründen vergrößerte sich die Kluft zwischen Europas Elite, dem Mittelstand und den krassen Außenseitern dennoch zunehmend. Aber: Der Blick zurück zeigt eine Fülle hochklassiger, rasanter, unterhaltsamer, spannender, kurioser, dramatischer - also auf jeden Fall spektakulärer - Spiele. Und er bestätigt, warum es sich die Klubs, und damit die UEFA, leisten können, ihren größten, weil global herausragenden Wettbewerb noch weiter aufzublähen: Bis heute lockt er die Massen in die Stadien und vor die Bildschirme, selbst wenn die Preise steigen.

Je größer die Großen, umso Aufsehen erregender die Sensationen. Das gilt gerade im wichtigsten aller Europapokal-Wettbewerbe und für den 2:1-Sieg von Sheriff Tiraspol bei Real Madrid.

Der 14-malige spanische Henkelpott-Gewinner absolvierte seit 2003/04 die meisten Gruppenspiele, sein Auftritt im Berliner Olympiastadion am Dienstag bedeutete die Nummer 126. Auch in Sachen Toren führen die Königlichen, nach dem 3:2-Sieg gegen Union sind es 302.

Umso gravierender ist daher, was sich im September 2021 in ihrem Bernabeu zutrug: Sebastien Thill aus Luxemburg erzielt in der 89. Minute den Siegtreffer für das Team aus Moldawien. Der Aufstand des Fußball-Zwergs wird unvergessen bleiben, auch wenn das Resultat keine nennenswerten Auswirkungen mehr hatte. Thill überwand Real-Schlussmann Thibaut Courtois mit einem wunderbar feinen Schlenzer aus 25 Metern.

Sheriff Tiraspol gegen Real Madrid

Mit Sheriff Tiraspol gewann 2021 der Underdog bei Real Madrid. imago images/Action Plus

Rekordjäger aus München

Mehr Siege als der FC Bayern feierte in dem genannten Zeitraum keiner: 88 sind es mit dem 1:0 soeben bei Manchester United im Gruppenfinale. Ein weiterer Rekord der Münchner, den ihnen wohl auch Manchester City zum Abschluss (bei Roter Stern in Belgrad) nicht mehr nehmen kann, stammt aus der Saison 2019/20. Da spielten sie mit 18 Punkten und 24:5 Toren die beste Gruppenphase der Champions-League-Historie.

2008/09 wird erstmals ein Deutscher bester Torschütze einer Königsklassen-Gruppenphase: Miroslav Klose trifft für Bayern München fünfmal, so oft sind in der Saison auch Karim Benzema (Olympique Lyon), Lionel Messi (FC Barcelona) und Steven Gerrard (FC Liverpool) erfolgreich.

Bundesliga hinterlässt Spuren

Für Superlative sorgen in den Champions-League-Gruppen der vergangenen 20 Jahre auch die anderen Bundesligisten: 2006/07 holt Werder Bremen zwar 10 Punkte, muss sich aber dennoch mit Rang 3 zufriedengeben. Sonst musste nie ein deutsches Team mit so vielen Zählern die Segel streichen.

Ein Jahr später haben die drei deutschen Starter einen Punkteschnitt von unter eins: 0,94 Zähler holen der VfB Stuttgart, Werder Bremen und der FC Schalke 04 im Schnitt pro Partie. Eine Negativbilanz, die nicht mehr unterboten wird.

Deutsches Finale in Wembley

Vor elf Jahren hingegen erlebte die Bundesliga goldene Zeiten. Im Winter 12/13 sind mit dem FC Bayern, Borussia Dortmund und Schalke zum einzigen Mal drei deutsche Teams Gruppensieger. Der Rekordmeister und der BVB erreichen schließlich das legendäre Finale in Wembley (2:1). In der Saison darauf überwintern erstmals vier deutsche Teams in der Königsklasse (wie auch im folgenden Jahr, 2020/21 und 2022/23).

Arjen Robben

Arjen Robben dreht nach seinem Tor im Finale 2013 jubelnd ab. imago/Laci Perenyi

Das torreichste Spiel überhaupt ist den Schwarz-Gelben zu verdanken. Am 5. Spieltag 2016/17 bezwingen sie Legia Warschau 8:4. Marco Reus erzielt dabei zwei Treffer selbst und legt zwei weitere auf.

Zweimal 8:0 - Luiz Adriano trifft fünfmal

Apropos Tore: Dem FC Liverpool (8:0 gegen Besiktas Istanbul 2007) und Real Madrid (ebenfalls 8:0 gegen Malmö FF 2015) gelingen die klarsten Siege. Cristiano Ronaldo erzielt gegen die Schweden vier Treffer, womit er allein in der Gruppenphase auf elf Tore kommt. Das schaffte sonst keiner.

In die Gruppen-Geschichte geht auch Luiz Adriano ein. Am 3. Spieltag des Spieljahres 2014/15 schießt Schachtar Donezk BATE Baryssau mit 7:0 aus dessen Stadion. Luiz Adriano trifft dabei fünfmal. Das gelingt sonst in einer Gruppenphase keinem und darüber hinaus auch nur Lionel Messi (im Achtelfinal-Rückspiel gegen Leverkusen 2011/12) und Erling Haaland (im Achtelfinal-Rückspiel gegen Leipzig 2022/23).

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110% reinhauen: Krönt Reus seine Karriere in Wembley?
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Schneller Salah - Bayern im Spielrausch

Superlative wie diese ließen sich noch viele aufzählen, etwa der schnellste Dreierpack, in fünf Minuten geschnürt von Mohamed Salah 2022/23 bei Liverpools 7:1-Sieg gegen die Rangers in Glasgow.

Die Reihe atemberaubender Begegnungen ist, je nach Präferenzen, ebenfalls unendlich. Harry Kane, 2019 noch im Trikot von Tottenham Hotspur, wird das 2:7 gegen einen FC Bayern im Spielrausch sicher nicht zu seinem Lieblingsspiel erklären.

Zinedine Zidane im Spiel gegen Rodolfo Esteban Cardoso

Zinedine Zidane im Spiel gegen Rodolfo Esteban Cardoso und den HSV. imago images

All das legt nahe: Wie auch immer der Modus für Europas Elite ist, am Ende gewinnt die Faszination Fußball - und zwar über die Landesgrenzen hinaus. In ihre "Best-of"-Ranglisten für alle Champions-League-Gruppenspiele seit dem Start der Königsklasse 1992 haben britische Journalisten sowohl von der BBC als auch von "The Athletic" das 4:4 des Hamburger SV gegen Juventus Turin im Jahr 2000 gewählt ...

Bleiben Sensationen möglich?

Und doch mutet die aktuelle Situation schizophren an: Mehr Spiele bedeuten nicht noch mehr Qualität, es droht eine zunehmende Belastung der Akteure. Damit einher geht auch die Gefahr einer Übersättigung des Publikums.

Ob es in Zukunft weniger Sensationen geben wird wie die von Sheriff Tiraspol bei Real Madrid, das kann nur die Zukunft zeigen. Die Vermutung, dass auch im neuen Modus die Großen noch größer werden, ist nicht von der Hand zu weisen. Ob die Idee der Setzliste für die Play-off-Auslosung und die weiteren K.-o.-Runden den Spannungsbogen hochhält, bleibt einfach mal abzuwarten.

Fest steht: Die Champions League ist auch im neuen Format die bessere Alternative zu einer Super League als nahezu geschlossener Gesellschaft. Entsprechenden Drohkulissen hat sie bereits mehrfach getrotzt. Auch diese Reform hat eine Chance verdient.

Jörg Jakob, Volker Schwerdtfeger

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