WM

Brasilien gegen Italien 1982: Als der schöne Fußball starb

Brasiliens Scheitern bei der WM 1982

Als der schöne Fußball starb

Aus dem Spiel gerungen: Brasiliens Zico (li.) und Kettenhund Claudio Gentile.

Aus dem Spiel gerungen: Brasiliens Zico (li.) und Kettenhund Claudio Gentile. imago sportfotodienst

"So ist Fußball. Manchmal gewinnt der Bessere", gab einmal Lukas Podolski zu Protokoll, der am 5. Juli 1982 noch gar nicht geboren war. Und doch trifft seine von Frustration geprägte Aussage auf diesen Tag vor 40 Jahren irgendwie zu, an dem für Brasiliens Spielmacher Zico "der schöne Fußball starb".

Mit völlig freier Spontanität, veredelt natürlich erst von der Extraklasse ihrer Protagonisten, hatte sich die Seleçao in den frühen 1980ern nicht nur zum großen Favoriten auf den WM-Titel, sondern auch ein Stück weit zum Liebling der Massen gemausert. Positionsstruktur am Ball orientiert, nicht am Raum. Und das fast bis zur Formvollendung. Die Mannschaft von Tele Santana war 1982 in Spanien scheinbar nicht zu stoppen.

Doch ihre aus der Zeit gefallene Herangehensweise konnte eine Mannschaft, in der selbst die Außenverteidiger so spielstark waren, dass sie oft auch im zentralen Mittelfeld auftauchten, nur so weit führen. So weit, bis Brasilien im letzten Zwischenrundenspiel auf Italien traf. Anti-Helden, angeführt vom vielleicht größten dieser Art.

Giuseppe Bergomi, Eder

Was sein muss, muss sein: Schönspieler Eder (#11) wird vom beinharten Bergomi abgeräumt. imago sportfotodienst

Mittelstürmer Paolo Rossi war in den italienischen Wettskandal verwickelt gewesen, im Nationaltrikot seit 1979 torlos und von der heimischen Presse wiederholt aus der Startelf geschrieben worden, als Enzo Bearzot ihm tatsächlich noch mal eine Chance gab - im Showdown gegen die Schönspieler. Den Italien gewinnen musste, während dem Favoriten für das Halbfinale ein Remis genügt hätte.

Santanas Scheitern führt zum Umdenken

Und dann schoss dieser Rossi doch tatsächlich drei Tore, und Brasilien schoss nur zwei. Weil Italiens systematische Organisation - und das altbewährte Prinzip der Manndeckung - jedem noch so organisierten Chaos, jedem noch so verspielten Freigeist zynisch seine Grenzen aufzeigte. Die Leichtigkeit zum Leichtsinn verbogen, jedes dem Zufall überlassene Element kalkulierend ausgenutzt.

Der Spielbericht

Zico, Socrates und die Reste einer Generation, die sich der berechnenden Gegenwart und Zukunft des Fußballs einfach nicht beugen wollte, scheiterten in die Jahre gekommen auch 1986 und sorgten durch ihr Scheitern unfreiwillig für ein Umdenken im brasilianischen Fußball, das eigentlich gar nicht seinem Naturell entsprach.

Brasiliens Weltmeistertitel nach 1982 - 1994 und 2002 - entstanden beide aus einer organisierten Defensive heraus, und viel hat sich daran selbst im Land der Ballzauberer bis heute nicht mehr geändert. Zynismus und Kalkulation. Und höchstens danach mal ein Hackentrick. Tele Santana, 2006 verstorben, muss es nicht mehr mitansehen.

nba