Argentiniens Trainer Lionel Scaloni hob sich für das Finale einen besonderen Schachzug auf. Anstelle des Defensivspezialisten Paredes, der noch beim 3:0 über Kroatien begann, startete Flügelspieler di Maria, der zuletzt im dritten Gruppenspiel gegen Polen von Beginn an auf dem Platz stand. Mit dem Routinier auf dem linken Flügel formierte sich die Albiceleste im 4-3-3-System - und überrumpelte damit die Franzosen.
Das Team von Didier Deschamps, bei dem nach dem 2:0 gegen Marokko Upamecano und Rabiot für Konaté und Fofana in die Startelf zurückkehrten, agierte zu Beginn äußerst nervös und leistete sich einige Unsauberkeiten. Das wussten die Argentinier auszunutzen, die die Anfangsphase klar bestimmten und den wacheren Eindruck machten.
Dembelé bringt di Maria zu Fall - Messi verwandelt vom Punkt

Die Szene, die zum Elfmeter führte: Dembelé trifft di Maria am Fuß. IMAGO/Nordphoto
Weil das Team um Kapitän und Superstar Messi aber zunächst nur Abschlüsse aus der zweiten Reihe verbuchen konnte, wurde es für den französischen Spielführer Lloris im Tor vorerst nicht brenzlig - Mac Allister (5.), De Paul (8.) und di Maria (17.) ließen allesamt die nötige Präzision vermissen. Allen voran der 34-jährige Juventus-Profi ließ jedoch nicht locker, sorgte auf seiner linken Außenbahn für ordentlich Betrieb und brachte die französische Hintermannschaft immer wieder in Bedrängnis.
So war es eben jener di Maria, der bei seinem Dribbling von links in den Strafraum ziehen konnte und Offensivspieler Dembelé dort zum Foulspiel zwang. Der anschließende Elfmeter war dann Chefsache: Messi trat an und ließ Lloris mit dem Schuss ins rechte untere Eck keine Chance (23.).
Argentinien überrumpelt Frankreich - Deschamps straft Duo ab
Auch danach ließ eine extrem blasse französische Mannschaft jegliche Offensivaktionen vermissen - stattdessen sorgten die Argentinier mit einem überfallartigen Konter für Ekstase. Nach Ballgewinn in der eigenen Hälfte ging es - samt Messis feinem Außenrist-Pass - blitzschnell nach vorne. Im Rücken der völlig überrumpelten Frankreich-Defensive legte Mac Allister in den Lauf von di Maria, der im Strafraum Lloris zum 2:0 überlupfte (36.).
WM 2022, Finale
Nach 41 Minuten hatte Deschamps genug vom Auftritt seiner Mannschaft. Für Dembelé, der im Vorfeld krankheitsbedingt ohnehin fraglich war und zudem den Elfmeter verursachte, kam der Frankfurter Kolo Muani. Außerdem musste Giroud frühzeitig vom Platz und wurde durch Gladbachs Thuram ersetzt - ein Schlag ins Gesicht für den Mittelstürmer, der zwar bis dato vier Turniertore erzielt hatte, in der ersten Halbzeit aber wie seine Kollegen keinen Fuß auf den Boden bekam. Doch auch mit den beiden frischen Spielern bekam die Equipe Tricolore keinen Fuß in die Tür.
Daran änderte sich auch zu Beginn des zweiten Durchgangs zunächst nichts. Die Argentinier gingen vom Anpfiff weg früh drauf, die Equipe Tricolore fiel derweil weiterhin mit ungewohnt häufigen Abspielfehlern auf. Das Spiel gestaltete sich zwar offener, Chancen ergaben sich aber weiterhin ausschließlich für die Albiceleste. Immer wieder waren es die schnellen Passstafetten, die die Franzosen nicht zu verteidigen wussten. Lloris verhinderte gegen Alvarez (59.) und Mac Allister (63.) weitere Treffer, immerhin Teamkollege Rabiot nahm ihm das gegen Messi (60.) ab.
Mbappés Doppelpack holt Frankreich spät zurück
Es dauerte 70 Minuten, bis die Franzosen überhaupt ihren ersten Abschluss verbuchten - Superstar Mbappé setzte den Ball knapp drüber, es deutete weiter alles auf einen klaren wie ungefährdeten Sieg für Argentinien hin.

Technisch hochanspruchsvoll erzielt Mbappé das Tor zum Ausgleich. FIFA via Getty Images
Doch binnen drei Minuten machten Les Bleus ihre enttäuschende Vorstellung vergessen. Ausgelöst durch einen Foulelfmeter, den Kolo Muani nach Otamendis Foul (79.) zugesprochen bekam und Mbappé sicher verwandelte (80.), starteten die Franzosen aus dem Nichts eine Schlussoffensive. Nach Messis Ballverlust fand Thuram Mbappé, der seine Volley-Direktabnahme unhaltbar in die Tormaschen jagte (82.).
Plötzlich war es das Team aus Frankreich, dass die Partie bestimmte. Die Albiceleste konnte kaum mehr für Entlastung sorgen und war - anders als über weite Strecken der Partie - häufig den entscheidenden Schritt zu spät und leistete sich unsaubere Pässe. Messi und Co. waren fortan defensiv gefordert, hatten bei Aktionen von Mbappé (90.+3) und Rabiot (90.+4) das nötige Glück und durften zum Ende der achtminütigen Nachspielzeit beinahe noch über den späten Siegtreffer jubeln. Weil "La Pulga" mit seinem wuchtigen, aber zu unplatzierten Distanzschuss an Lloris scheiterte (90.+7), ging das Spiel in die Verlängerung.
Messi bringt Argentinien in Führung, doch Mbappé hat erneut die Antwort
Dort lieferten sich Argentinien und Frankreich ein intensives, zweikampfbetontes Duell, in dem beide Teams offensiv wie defensiv gefordert waren. Während Mbappé mit seinen brandgefährlichen Dribblings aber keine Lücke fand, hatte Messi die auf der Gegenseite ausgemacht. Nach seiner Ablage stand der erst drei Minuten zuvor eingewechselte Lautaro Martinez im Strafraum blank, doch Upamecano bewahrte sein Team mit einer starken Grätsche vor dem erneuten Rückstand (105.).
Nach dem Seitenwechsel konnte aber dann auch der Bayern-Verteidiger nicht mehr entscheidend eingreifen. Bei einem Heber hinter die Abwehrkette stand Martinez hauchdünn nicht im Abseits. Seinen Schuss konnte Lloris parieren, doch Messis Abstauber mit rechts war für die Franzosen nicht mehr zu klären (109.). Während per Videobild eine mögliche Abseitsstellung überprüft wurde, brachen bei Messi und Co. Freudentränen aus.
Doch noch war es nicht so weit mit dem ersehnten WM-Titel, das bekamen die Argentinier schmerzlich zu spüren. Weil Montiel Mbappés Fernschuss aus kurzer Distanz mit dem Ellbogen abwehrte (116.), setzte Mbappé einer verrückten Partie die Krone auf. Mit seinem dritten Treffer in diesem Finale - erneut zeigte er sich vom Punkt abgeklärt - glich der 23-Jährige erneut aus (118.). Weil Torhüter Martinez glänzend gegen Kolo Muani parierte (120.+3) und sein Namensvetter vorne neben das Tor köpfte (120.+3), musste die Entscheidung im Elfmeterschießen fallen.
Coman und Tchouameni verschießen
Während Mbappé erneut sicher verwandelte, scheiterte Coman an Martinez - Tchouameni schoss neben das Tor. Obwohl die Argentinier allesamt nicht wirklich platziert schossen, fanden alle vier Versuche den Weg ins Netz. Nach Montiels Treffer brachen beim argentinischen Team alle Dämme: Die Albiceleste ist zum ersten Mal seit 1986 Weltmeister und holt in Katar ihren dritten WM-Titel.