Europa League

Attila Sekerlioglu, die Türkei und die Austria

Die Austria-Legende im Interview

Attila Sekerlioglu, die Türkei und die Austria

Attila Sekerlioglu wurde mit der Austria dreimal Meister.

Attila Sekerlioglu wurde mit der Austria dreimal Meister. GEPA pictures

Herr Sekerlioglu, Ihre Austria spielt am Donnerstag gegen Fenerbahce. Haben Sie als Sohn eines türkischen Vaters und einer österreichischen Mutter einen Lieblingsverein in der Türkei?

Mir waren die türkischen Vereine eigentlich nie so wichtig. Mein Vater, der bis zu einer schweren Verletzung selbst bei Göztepe gespielt hat, war aber glühender Galatasaray-Anhänger. Ich war schon eher Fenerbahce.

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Die türkischen Vereine, aber auch der Verband, haben doch gerne in ganz Europa nach Spielern mit türkischen Wurzeln gesucht. War die Türkei für Sie nie eine Option?

Doch, ich glaube, es war nach meinem ersten Meistertitel mit der Austria, 1990 oder 1991, da hat es angeblich Interesse von Fenerbahce gegeben. Aber das ist nie konkret geworden. Damals war es so, dass eigentlich nur Spieler in die Türkei gegangen sind, die Geld brauchten. Aber gut gezahlt haben nur die Großklubs. Von den kleineren Klubs sind viele wieder zurückgekommen, weil sie kein Geld gesehen haben. Und der türkische Verband hat sich eigentlich nie bei mir gemeldet, ich war nur einige Male im ÖFB-Teamkader.

Als Sie in den 1980er Jahren begonnen haben, war der österreichische Fußball noch über den türkischen zu stellen.

Auf jeden Fall. Erst als Daum und andere deutsche Trainer in die Türkei gegangen sind, ist es aufwärts gegangen. Fenerbahce hat dann unter Zico eine richtig gute Mannschaft mit vielen guten Brasilianern gehabt, von denen Alex sicher der Beste war. Galatasaray hat unter Fatih Terim internationale Erfolge gefeiert.

Was sich nie geändert hat, ist die Begeisterung der türkischen Fans für ihre Klubs.

Mein Bruder Cem (Co-Trainer der Austria; Anm.) hat Fenerbahce ja jetzt beobachtet. Er hat erzählt, dass es ein Wahnsinn ist, was dort im Stadion abgeht. Schon zum Aufwärmen wird jeder Spieler einzeln mit Namen aufgerufen, geht dann zu den Fans und es wird die Welle gemacht. Die Begeisterung ist wirklich unglaublich. Ich habe das selbst einmal als Schwadorf-Trainer erlebt, als wir ein Testspiel gegen Fenerbahce hatten. Roberto Carlos ist damals gerade neu verpflichtet worden und ich glaube, es waren 3.000 Leute da. Und auch heute Früh habe ich schon ein holländisches Auto mit Fener-Flaggen gesehen. Die Fans kommen von überall her. Das werden wir am Donnerstag auch im Stadion erleben.

Für mich hat’s von Anfang an nur die Austria gegeben.

Attila Sekerlioglu

Für Sie hat es immer nur die Austria gegeben?

Mein Vater war 1962 einer der ersten türkischen Gastarbeiter, die nach Österreich gekommen sind, zuerst nach Linz. Dort hat er den LASK gesehen mit Köglberger. Kurz nachdem wir 1965 oder 1966 nach Wien gezogen sind, ist Köglberger zur Austria gekommen und mein Vater wurde zum Austria-Anhänger. Für mich hat’s von Anfang an nur die Austria gegeben. 1978, als die Austria im Elferschießen gegen Dynamo Moskau im alten Praterstadion ins Europacup-Finale eingezogen ist, bin ich mit meinem Vater unten in der ersten Reihe auf den Betonstufen gesessen.

Und wie sind Sie Austria-Spieler geworden?

Ich war eher ein schüchterner Bub und bin deshalb erst mit acht Jahren mit meinem Vater zur Elektra gegangen. Dort habe ich bei den B- und C-Knaben gespielt, also in der U 8 und U 10. Damals noch über den ganzen Platz. Der Vater hat mir ja nichts gesagt, aber er hat dafür gesorgt, dass ich von der Austria beobachtet werde. Und mit zehn Jahren bin ich dann zur Austria gewechselt. Ein halbes Jahr habe ich nur trainiert, weil mich Elektra nicht freigegeben hat. Erst als die Austria angeblich 10.000 Schilling (rund 700 Euro, damals jedoch mit weitaus höherem Kaufwert; Anm.) gezahlt hat, haben sie mich gehen lassen.

Wie war es plötzlich mit den Idolen Ihrer Kindheit in einer Mannschaft zu spielen?

Na ja, als ich 1988 in die Erste gekommen bin, waren die meisten ja schon weg. Herbert Prohaska und Erich Obermayer haben am Ende der Saison aufgehört. Aber am Anfang hat die Austria ja noch auf dem WAC-Platz trainiert. Wenn du da zur U 21 wolltest, musstest du durch die Kabine der Ersten. Da hast du nicht gewusst, was du sagen sollst. Natürlich waren wir per Sie. Mein erstes Spiel für die Austria habe ich mit 18 im Europacup gegen die Bayern gemacht. Danach habe ich wieder in der U 21 gespielt, war dann ein Dreivierteljahr in St. Pölten, wo ich mit Mario Kempes gespielt habe und erst als ich 1988 zur Austria zurückgekommen bin, hat mich Gustl Starek in die erste Mannschaft eingebaut. Ich glaube, es hat ihm getaugt, wie ich gespielt habe.

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Sie waren einer der ersten Spieler mit türkischen Wurzeln, die es in die Bundesliga geschafft haben. Hatten diese Spieler es schwerer? In den Parks haben sie den Fußball doch schon damals dominiert.

Ich habe meistens im Hamerling-Park im 8. Bezirk gespielt, da gab es in den 1970er-Jahren praktisch keine Kinder mit Migrationshintergrund. Bei den Vereinen auch kaum. Ein Grund war vielleicht, dass wir damals nicht so eine offene Gesellschaft hatten wie heute, diese Leute mehr zurückgezogen gelebt haben. Und es durften ja pro Mannschaft nur zwei Ausländer eingesetzt werden. Beim FavAC gab es noch den Etem (Aydemir), der dann auch in die Türkei gegangen ist. Und bei der Austria gab’s vor meiner Zeit schon Naci Yilmaz, so ein kleiner Stürmer, der aber, glaube ich, nur in der U 21 eingesetzt wurde. Der ist heute Platzmeister beim Team Wiener Linien.

Ipekoglu, den "Panther von der Spenadlwiese", der später für Fenerbahce und das türkische Nationalteam im Tor stand, kannten Sie auch?

Der Engin? Mit dem habe ich in einer Kaffeehausmannschaft gespielt! Da gab es das Café Ataspor, in dem ich damals oft war. Das hatte eine eigene Mannschaft, die an Hobbyturnieren teilgenommen hat. In Murau oder beim Velden Cup. Da haben ich dann oft auch den Hannes Reinmayr, Andi Reisinger und Christian Prosenik mitgenommen. Wir haben nichts gezahlt, sind immer eingeladen worden. Da waren wir schon Bundesliga-Spieler. Das wäre heute alles unvorstellbar.

Fast noch berühmter als in Österreich sind Sie in Schottland, wo Sie bei St. Johnstone vor allem mit Ihren gelben Schuhen aufgefallen sind.

Ja, dort habe ich wirklich Kult-Status. Sie freuen sich immer, von mir zu hören. Und ja, damals gab es nur schwarze Schuhe. Ich habe aber von Joe Basry (sein U-21-Trainer bei der Austria, der später zum Sportartikel-Hersteller wurde; Anm.) Schuhe in allen Farben mitgehabt. Als ich dann einmal mit gelben Schuhen gespielt habe, hat das für ziemliches Aufsehen gesorgt. Aber ich hätte nicht nur gelbe, ich hätte auch noch blaue, rote, grüne oder weiße gehabt.

Afrika war interessant. Nicht nur, weil es dort immer schönes Wetter gibt. Da sind schon sehr viele Rohdiamanten unterwegs.

Attila Sekerlioglu

Als Trainer haben Sie unter anderem ein Frauenteam betreut, aber auch in Afrika gearbeitet. Was hat Sie angetrieben, sich auf solche ungewöhnlichen Stationen einzulassen?

Neues hat mich immer interessiert. Ob du Männer oder Frauen trainierst, ist ja letztlich egal. Nur musst du mit Frauen ein bisschen anders reden, das musste ich am Anfang schon lernen. Afrika war interessant. Nicht nur, weil es dort immer schönes Wetter gibt. Da sind schon sehr viele Rohdiamanten unterwegs. Einen von ihnen habe ich dann ja auch nach Stockerau geholt, als ich dort Trainer war. Der hat sofort eingeschlagen. Ich habe ihn dann zu den Austria Amateuren von Herbert Gager geschickt. Dort hat er im ersten Match zwei von drei Toren gemacht. Der Herbert hat gemeint, so einen haben wir oben nicht und hat ihn Ivo Vastic vorgeschlagen, der damals Cheftrainer war. Aber dem Ivo hat er nicht gefallen.

Und wie wird man Trainer in Afrika?

Hans-Peter Schaller war damals Leiter der Red-Bull-Akademie in Ghana. Der wusste, dass ein Verein einen Trainer sucht und hat mich vermittelt. Aber es hat dann nur ein paar Spiele gedauert. In Nigeria ging es darum, Spieler auf den europäischen Markt vorzubereiten. Wir waren zwei Wochen in der Türkei auf Trainingslager, haben fünf von sechs Spielen gewonnen, darunter gegen russische Zweitligisten. Mit Transfers hat es aber nicht so geklappt, weil sie ihre Visa zu spät bekommen haben.

Heute ist Ihr Bruder Cem Co-Trainer der Austria. Stolz auf ihn?

Ja, sicher. Er war 20 Jahre Trainer im Austria-Nachwuchs, hat mit Alaba, Dragovic gearbeitet, bis sich im Vorjahr die Möglichkeit ergeben hat, Co-Trainer von Manfred Schmid zu werden. Ich habe ihm gesagt, das ist natürlich ein gewisses Risiko, denn wenn du im Nachwuchs bleibst, kannst du dort in Pension gehen. Aber am Ende kriegst du zwei A4-Seiten. Auf der einen steht, dass du von 5.300 Spielen 4.200 gewonnen hast. Auf der anderen, welche deiner Spieler den Durchbruch geschafft haben. Das war’s. Das andere ist eine Chance im Erwachsenen-Fußball. Und ich glaube, das hat bis jetzt gut funktioniert. Er kann gut mit dem "Schmidl", aber er hat auch seinen Anteil daran. Weil es war schon ein großer Vorteil, dass er die Jungen, also Braunöder, Huskovic und wie sie alle heißen, alle schon gekannt hat und gewusst hat, auf wen man setzen kann.

Zurück zum Fenerbahce-Spiel: Was ist der Austria zuzutrauen?

Meinem Bruder habe ich gesagt: "Wirst sehen, wir werden 1:0 gewinnen." Er hat gemeint, dass die Austria schon zwei sehr gute Tage haben müsste, um aufzusteigen. Fenerbahce hat immerhin einen Marktwert von fast 200 Millionen Euro. Aber wir werden sehen.

Interview: Horst Hötsch