Junioren (D)

Walther Bensemanns Botschafter

Workshop in der kicker-Redaktion

Bensemanns Botschafter: "Man darf nicht weghören"

Die Workshop-Teilnehmer Finn Jeltsch, Paul Kraußhold und Lukas Maier (o.v.l.), Marvin Mutz, Riccardo Gian, Simon Zöls, Ilay Soytürk und Jussef Nasrawe (u.v.l.).

Die Workshop-Teilnehmer Finn Jeltsch, Paul Kraußhold und Lukas Maier (o.v.l.), Marvin Mutz, Riccardo Gian, Simon Zöls, Ilay Soytürk und Jussef Nasrawe (u.v.l.). Sportfoto Zink

Als am Freitagabend die ersten Vorrundenpartien gespielt waren, machten die Fußballer beim Walther-Bensemann-Turnier eine Erfahrung, die für viele von ihnen neu war. Die Nachwuchsteams des FC Chelsea und des FC Bologna, des FC Bayern und des 1. FC Nürnberg, von KS Cracovia und Maccabi Tel Aviv, vom Karlsruher SC und von Eintracht Frankfurt feierten gemeinsam ein traditionelles jüdisches Kabbalat Shabbat. Mit Liedern und einem Abendessen begrüßten sie den Sabbat. Ein Impuls ganz im Sinne Bensemanns, der in sportlichen Begegnungen stets auch die Chance sah, sich besser kennen und verstehen zu lernen.

zum Walther-Bensemann-Turnier

Auch darüber hinaus war das hochkarätig besetzte Turnier, das am Wochenende zum Gedenken an den Fußballpionier und kicker-Gründer in Nürnberg ausgetragen wurde, flankiert von einem umfangreichen Bildungsprogramm. Dabei kamen die U-16- und U-17-Spieler ins Gespräch mit mehreren Holocaust-Überlebenden. Unter anderem erzählte Shaul Ladany, der sowohl das KZ Bergen-Belsen als auch das Olympia-Attentat 1972 in München überlebt hat, seine Geschichte. "Nie wieder", diese Botschaft treibe ihn an, sagt der 86-Jährige, der aus Israel anreiste, um die jungen Kicker zu Toleranz und Menschlichkeit zu mahnen: "Ich glaube daran, dass es meine Pflicht ist."

Im Rahmen des Bensemann-Campus war auch eine Gruppe von rund 50 Spielern aus allen acht Klubs zu Gast in der kicker-Redaktion, um sich anzusehen, wie das 1920 von Bensemann ins Leben gerufene Magazin heute arbeitet. Teilnehmer aus fünf Vereinen hatten eigene Texte mitgebracht, in denen sie sich mit Bensemanns Wirken, dessen Botschaften und deren aktueller Bedeutung auseinandersetzen. Diese wurden in einem Workshop gemeinsam überarbeitet, das Ergebnis lesen Sie hier:

Es ist sehr wichtig, an diese Menschen zu erinnern, ihre Geschichten zu thematisieren und sie zu verstehen. Es geht darum zu verhindern, dass sich so etwas wiederholt.

Riccardo Gian

Riccardo Gian (FC Bologna U 17): "Am 27. Januar, dem Internationalen Holocaust-Gedenktag, erinnern wir beim FC Bologna an Arpad Weisz. Nachdem er als Trainer 1930 mit Inter Mailand sowie 1936 und 1937 mit Bologna italienischer Meister geworden war, verlor er 1938 seinen Posten im Klub und musste Italien im Jahr darauf verlassen, weil er Jude war. Er starb 1944 im KZ Auschwitz. Die Geschichte von Weisz weist Parallelen auf zu der von Walther Bensemann, der 1934 vor den Nazis in die Schweiz fliehen musste und dort im Exil verstarb. Oder zu der von Jenö Konrad, der Trainer des 1. FC Nürnberg war, bis er den Verein 1932 infolge einer Hetzkampagne verließ und später in die USA emigrierte. Es ist sehr wichtig, an diese Menschen zu erinnern, ihre Geschichten zu thematisieren und sie zu verstehen. Es geht darum zu verhindern, dass sich so etwas wiederholt. Deshalb ist der Holocaust-Gedenktag in Italien und in Deutschland von so großer Bedeutung. Und deshalb ist es auch wichtig, dass es ein Turnier wie dieses gibt, bei dem es um mehr als Fußball geht."

Arbeit an den Texten: Nachwuchsspieler im Gespräch mit Redakteur David Bernreuther.

Arbeit an den Texten: Nachwuchsspieler im Gespräch mit kicker-Redakteur David Bernreuther (li.). Sportfoto Zink

Ilay Soytürk (Eintracht Frankfurt U 16): "Ich schreibe zwar in meinem Namen, spreche aber von uns. Warum? Bei Eintracht Frankfurt sind wir eine Familie mit über 110 000 Mitgliedern aus über 100 Nationen. Hier ist es egal, wo du herkommst, woran du glaubst oder welche Hautfarbe du hast. Für diese Haltung stehen wir alle ein. Allen voran Präsident Peter Fischer wird nicht müde, sich für Vielfalt und Toleranz einzusetzen. Auch Alexander Richter und Patrick Ochs vermitteln uns im Nachwuchsleistungszentrum: Wir sind verpflichtet, uns gegen Diskriminierung in jeder Form einzusetzen! Am Riederwald, wo unser NLZ ist, sind zwei Stolpersteine verlegt. Sie erinnern uns an die jüdischen Eintracht-Mitglieder Julius und Max Lehmann, die in der NS-Zeit verfolgt und ermordet wurden. Julius war Fußballspieler, sein älterer Bruder Max Trainer. So setzt der Verein ein Zeichen gegen das Vergessen. Auch wir Spieler sind aktiv. In der U 14 haben wir an einem Workshop zu den Themen Sexismus, Rassismus und Homophobie teilgenommen und besprochen, was wir dagegen tun können. Das öffnet die Augen und hilft dabei, besser damit umzugehen."

Lukas Maier und Marvin Mutz (Karlsruher SC U 17): "Diskriminierung kann überall auftreten, natürlich auch im Fußball. Wir selbst wurden zwar noch nie Opfer von Diskriminierung auf dem Feld, haben jedoch schon Vorfälle bei Mitspielern erlebt. Es kam bisher nicht zu körperlichen Auseinandersetzungen, aber zu verbalen Äußerungen gegenüber Mitspielern aufgrund ihrer Hautfarbe oder Herkunft. Oft bekommen die außenstehenden Personen oder auch die Schiedsrichter nichts davon mit, die Vorfälle werden deshalb nur selten geahndet. Aber man darf nicht weghören oder sie ignorieren! Nach dem Spiel sollte man das Gespräch suchen und solche Fälle aufarbeiten. Zudem haben wir jederzeit die Möglichkeit, mit einem Psychologen des Vereins Rücksprache zu halten. Wir erleben beim Karlsruher SC eine große Vielfalt an Nationalitäten und kommen durch soziale Projekte mit Menschen in Berührung, die zum Beispiel mit einer körperlichen Behinderung der Gefahr von Diskriminierung ausgesetzt sind. Die Festigung unserer Persönlichkeit ist so wichtig wie die fußballerische Entwicklung."

Über Fußball kommt man leicht ins Gespräch, auch wenn man aus unterschiedlichen Ländern stammt und verschiedene Sprachen spricht.

Jussef Nasrawe und Simon Zöls

Jussef Nasrawe und Simon Zöls (FC Bayern München U 16): "Der Walther-Bensemann-Cup ist in jeder Hinsicht etwas Besonderes. Fußballerisch, weil international namhafte Mannschaften aufeinandertreffen. Vor allem aber, weil es um mehr geht als den Pokal: um das Miteinander, die Solidarität, die Stärkung des europäischen Gedankens. Wir hatten die Möglichkeit, die Ideen Walther Bensemanns auf und neben dem Platz umzusetzen und neue Kulturen kennenzulernen. Etwa durch die Feier eines traditionellen jüdischen Kabbalat Shabbat mit gemeinsamem Abendessen. Wir unterhielten uns mit den Spielern von Maccabi Tel Aviv, die Atmosphäre war sofort freundlich, fast schon familiär. Über Fußball kommt man leicht ins Gespräch, auch wenn man aus unterschiedlichen Ländern stammt und verschiedene Sprachen spricht. Diese Erfahrung haben wir zuvor auch schon bei anderen Turnieren gemacht, zum Beispiel in Japan. Genau dieser Austausch innerhalb unserer Generation ist sehr wichtig, um Rassismus, Antisemitismus, aber auch andere Arten der Diskriminierung in Zukunft zu verhindern."

Finn Jeltsch, Tobias Kraus, Paul Kraußhold und Mauritz Zink (1. FC Nürnberg U 17): "Wenn wir heute Spiele gegen Eintracht Frankfurt oder den FC Bayern München bestreiten, erscheint uns das selbstverständlich. Aber ohne Walther Bensemann wäre das wohl gar nicht möglich gewesen. Er trieb den Fußball in Deutschland voran durch die Gründung zahlreicher Vereine, darunter Vorgängerklubs der Eintracht und des FC Bayern. Im Jahr 1900 war er an der Entstehung des DFB beteiligt, 1920 rief er den kicker ins Leben. Besonders eindrucksvoll ist, dass Bensemann auch bei Rückschlägen einfach weitermachte. Obwohl zum Beispiel sein Versuch scheiterte, die von ihm gegründeten Karlsruher Kickers zu einem Spitzenverein zu machen, hielt ihn das nicht davon ab, etliche weitere Klubs ins Leben zu rufen. In einer Zeit, in der sich nicht viele mit Fußball beschäftigt haben oder den Sport sogar als Bedrohung sahen, stand er unbeirrt für seine Überzeugung ein. Bensemanns Idee von der Völkerverständigung durch Sport ist nach wie vor aktuell. Der Fußball bringt Mannschaften und Menschen aus verschiedenen Ländern zusammen."

David Bernreuther