Bundesliga

Capaldo: "Mac Allister hab' ich geschrieben, was er im Match besser machen soll"

Salzburgs Argentinier im Interview

Capaldo: "Mac Allister hab' ich geschrieben, was er im Match besser machen soll"

Nicolás Capaldo will mit Red Bull Salzburg im Frühjahr wieder angreifen.

Nicolás Capaldo will mit Red Bull Salzburg im Frühjahr wieder angreifen. FC Red Bull Salzburg via Getty Images

kicker: Zunächst einmal: Herzliche Gratulation! Ich habe mir sagen lassen, der WM-Sieg ist nicht nur ein Erfolg für die Mitglieder der "Selección", sondern für alle Argentinier.

Nicolás Capaldo: Vielen Dank! Das ist wirklich für ganz Argentinien etwas Wunderschönes, etwas, das es seit langer Zeit nicht gegeben hatte. Entsprechend groß war die Freude im ganzen Land.

Wie haben die Kollegen in Salzburg reagiert, als sie sich alle zum Start in die Vorbereitung wieder getroffen haben?

Ich hab' die Brasilianer, mit denen ich das engste Verhältnis habe, etwas beim Schmäh genommen. Vor allem Bernardo hab' ich ein bisschen gehäkelt. Und natürlich die Franzosen, die wir im Finale geschlagen haben. (lacht)

Sie waren bereits zu Beginn der WM daheim in Argentinien auf Reha. Wo haben Sie das Turnier verfolgt?

Am Anfang war ich in Buenos Aires, wo ich das Knie behandeln ließ. Ab dem Viertelfinale war mein Vater dann in Katar vor Ort und hat mir zugeredet, dass ich auch kommen solle. Am Ende bin ich mit einem Freund und meiner Freundin hingeflogen. Das Finale hab' ich live im Stadion gesehen! Da sind so viele Dinge zusammengekommen. Schon als ich klein war, hatte mir mein Vater immer gesagt, eines Tages würden wir gemeinsam zu einer WM fahren. Es war verrückt und einfach nur wunderschön, das mit meinem Vater und meiner Freundin erleben zu können.

Dort konnten Sie auch ein paar alten Bekannten auf die Beine schauen. Mit Alexis Mac Allister und Julián Álvarez spielten Sie vor drei Jahren im argentinischen U-23-Nationalteam, Nahuel Molina kennen sie noch von den Boca Juniors. Besteht zwischen Ihnen noch Kontakt?

Ja, Alexis hab' ich nach den Spielen spaßhalber geärgert und ihm geschrieben, was er im Match besser machen soll. Blödeleien zwischen Kollegen halt. Mit ihm habe ich den engsten Kontakt. Nachdem sie den WM-Titel geholt hatten, trafen wir uns in Argentinien zu einer Grillerei. In Katar sah ich auch die Familien von Julián und Nahuel, die kenne ich alle. Das war alles sehr schön.

Waren Sie selbst zu irgendeinem Zeitpunkt nahe dran, ins A-Team einberufen zu werden?

In Wahrheit nicht. Irgendwann gab es Kommentare oder Gerüchte, aber nichts Konkretes.

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Sie haben eine langwierige Knieverletzung hinter sich, wegen der Sie seit Anfang Oktober kein Spiel mehr bestreiten konnten. Inzwischen stehen Sie wieder im Mannschaftstraining. Wie geht es Ihnen aktuell und wieviel fehlt noch, bis Sie wieder matchfit sind?

Das Knie zwickt nach wie vor ein bisschen. Ich habe im Training gute Tage, an denen ich gar nichts spüre und dann wieder andere, wo es bei jeder Übung stört. Aber es fehlt nur noch ein kleiner Schritt, dass ich wieder komplett schmerzfrei bin.

Ist das Vertrauen ins Knie schon wieder voll da oder haben Sie die Handbremse noch ein wenig angezogen?

Derzeit bin ich schon noch ein bisschen gebremst. Als ich zum Vorbereitungsstart gekommen bin, habe ich gesagt, dass wir einen Monat Zeit haben und nichts überstürzen sollten, damit es kontinuierlich vorwärts geht und ich keinen Rückfall erleide. Was Flanken, lange Bälle und Schüsse betrifft, fühle ich mich schon ganz gut, bei den Zweikämpfen fehlt mir aber noch der letzte Schritt.

Mit sechs Punkten Vorsprung führt Salzburg die Bundesliga-Tabelle in gewohnter Manier an, wenngleich sich Sturm Graz als starker Verfolger präsentiert. Wie beruteilen Sie die bisherige Saison?

Diese Saison ist schon ein wenig schwieriger als die letzte. Sechs Punkte sind ein schöner Vorsprung, aber nach der Punkteteilung wären es nur noch drei - das ist gerade mal ein Sieg. Und mit Sturm treffen wir gleich zu Beginn im Cup auf den stärksten Gegner. Diese Partie wird uns zeigen, was wir für den weiteren Saisonverlauf erwarten können.

In der Champions League war diesmal gegen Chelsea und Milan Endstation, mit dem dritten Platz in der Gruppe ist der Umstieg in die Europa League gelungen. Sind Sie mit dem Herbst im Europacup zufrieden oder hätten Sie sich vielleicht sogar etwas mehr erwartet?

In den ersten drei Partien spielten wir gegen Milan und Chelsea unentschieden und gewannen gegen Dinamo Zagreb. Natürlich machst du dir da Hoffnungen, in die nächste Runde aufzusteigen, und die Chance war bis zum letzten Spiel da. Wenn dann am Ende der Vorrunde der Wechsel in die Europa League steht, ist man im ersten Moment schon etwas traurig. Aber Tatsache ist, dass es eine sehr schwierige Gruppe war.

Jetzt geht es in der Europa League gegen die AS Roma weiter. Ein europäischer Traditionsklub, mit einem Weltstar wie José Mourinho auf der Trainerbank. Wie groß ist die Freude auf diese Begegnungen?

Bei mir ist die Vorfreude riesig nachdem ich die letzten drei Partien in der Champions League verpasst habe und so lange ausgefallen bin. Jetzt gilt es, in perfektem Zustand dahin zu kommen, denn in Wahrheit sind diese zwei Matches - Stand jetzt - die beiden wichtigsten der restlichen Saison.

Ich war früher mit meinem Vater auf der Tribüne der Bombonera, wir fuhren 600 Kilometer, nur um auf ein Spiel von Boca zu gehen. Und dass er später mit meiner Mutter und meiner Schwester an den Ort, wo wir damals immer hingegangen waren, kommen konnte, um mich spielen zu sehen - das ist einfach unbeschreiblich.

Nicolás Capaldo

Sie bestritten mit den Boca Juniors insgesamt 22 Spiele der Copa Libertadores und stießen zweimal bis ins Semifinale vor. Mit Red Bull Salzburg standen Sie bisher zehn Mal in der Champions League auf dem Platz. Was bedeutet es für Sie, als noch relativ junger Spieler bereits die wichtigsten Klubbewerbe Südamerikas und Europas gespielt zu haben?

In dem Moment, wenn du spielst, bist du so fokussiert, da denkst du an all diese Dinge nicht. Wenn man dann aber zurückblickt, ist es eine große Ehre, solch wichtige Bewerbe gespielt und diese Erfahrungen gemacht zu haben.

Inwiefern unterscheidet sich die südamerikanische Copa Libertadores von ihrem europäischen Pendant, der Champions League?

Die Libertadores ist völlig anders als die Champions League, beide Turniere haben ihre Eigenheiten. Es ist schwierig, einen konkreten Unterschied zu nennen, da geht es mehr um die Unterschiede zwischen dem Fußball in Südamerika und in Europa generell.

Das betrifft auch die Fans, die vor allem in Argentinien doch deutlich fanatischer sind als in Europa. Spürt man dort als Spieler noch mehr Druck?

Für mich war das noch einmal anders. Ich war von klein auf Boca-Anhänger und irgendwann spielte ich bei jenem Klub, von dem ich schon immer Fan war. Da will man automatisch noch mehr als das Beste geben. In diesem Fall ist der Umgang mit Druck noch einmal ein ganz anderer.

Sie wurden relativ schnell nach Ihrer Beförderung in die erste Mannschaft Stammspieler bei Boca. Was bedeutete es für Sie und Ihre Familie, plötzlich Bestandteil Ihres Lieblingsklubs zu sein?

Ich war früher mit meinem Vater auf der Tribüne der Bombonera, wir fuhren 600 Kilometer, nur um auf ein Spiel von Boca zu gehen. Und dass er später mit meiner Mutter und meiner Schwester an den Ort, wo wir damals immer hingegangen waren, kommen konnte, um mich spielen zu sehen - das ist einfach unbeschreiblich. Als wir zu Hause Meister wurden und die Familien zu uns Spielern aufs Feld konnten, das war das Größte.

War Ihre Familie auch schon in Salzburg, um Sie live zu sehen?

Ja, mein Vater begleitete mich, als ich hier herkam und blieb die ersten zwei Monate. Meine Mutter war auch schon zweimal hier und seit einem Jahr wohnt meine Freundin mit mir in Salzburg. Das ist eine tolle Unterstützung.

Sie sind ein vielseitiger Spieler, der sowohl im halbrechten und zentralen Mittelfeld sowie als Rechtsverteidiger gespielt hat. Auf welcher Position fühlen Sie sich am wohlsten?

Dort, wo ich auch in Salzburg meistens spiele, im halbrechten Mittelfeld. Hier kann ich mich sowohl nach außen auf den Flügel fallen lassen, als auch nach hinten, um zu verteidigen oder nach vorne attackieren und in den Strafraum eindringen. Davon abgesehen, spiele ich dort, wo mich die Mannschaft braucht, unabhängig davon, ob ich diese Position bevorzuge oder nicht. Das Team steht über allem.

Die Wintertransfers der österreichischen Bundesliga

Ein Transfer nach Österreich ist für ein junges Talent der Boca Juniors nicht unbedingt der typische Weg. Was hat Sie im Sommer 2021 überzeugt, dass dies der richtige Schritt für Sie sein würde?

Für mich war es immer ein Traum, nach Europa zu kommen. Als das Angebot von Red Bull Salzburg kam, analysierten wir alle Faktoren und als ich dann sah, wie hier gearbeitet wird, sagte ich mir, das sei der perfekte Ort, um meine ersten Schritte in Europa zu machen und dann von hier irgendwann einmal zu einem anderen Klub in eine der großen Ligen zu gehen.

Für viele Südamerikaner ist der Umzug nach Mitteleuropa mit großen Umstellungen verbunden. Wie verlief diese Eingewöhnungsphase für Sie?

Zu Beginn war es schwierig, es ist einfach komplett anders. Eine andere Mannschaft, eine andere Art, Fußball zu spielen, andere Bräuche, anderes Essen. Auch die Essensgewohnheiten. In Argentinien essen wir ja erst um 22 Uhr zu Abend. Dann die Sprache. Deutsch ist sehr schwierig und es fällt mir nach wie vor schwer. Inzwischen habe ich mich aber sehr gut eingewöhnt und fühle mich hier wirklich wohl.

Haben Sie schon eine Überlegung, wohin Sie der nächste Schritt in Ihrer Karriere führen soll?

Nein, überhaupt nicht! Im Fußball ändert sich alles so schnell, da bringt es gar nichts, sich zu überlegen, wo man hingehen will. Das Einzige, was man weiß, ist das Hier und Jetzt. Über etwas anderes zerbreche ich mir nicht den Kopf.

Gibt es eine Liga oder einen internationalen Topklub, die Sie besonders reizen?

Die englische Liga gefällt mir sehr gut. Wie viele andere auch, glaube ich, ist die Premier League aktuell die beste Liga der Welt. Ich scherze immer mit Bernardo und sage ihm, dass mir Arsenal taugt und dieses Jahr spielen sie wirklich eine sehr gute Saison. Wenn ich den Kollegen früher sagte, Arsenal sei die beste Mannschaft der Premier League, wurde ich immer ausgelacht. Und jetzt sage ich ihnen: Seht ihr, jetzt gebt mir schon recht!

Interview: David Mayr