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Rassismus gegen Vinicius Junior: Der Tiefpunkt einer niederträchtigen Hetzjagd

Rassismus gegen Vinicius Junior

Der Tiefpunkt einer niederträchtigen Hetzjagd

Auch die Schiedsrichter sind meistens keine Hilfe: Feindbild Vinicius Junior (re.).

Auch die Schiedsrichter sind meistens keine Hilfe: Feindbild Vinicius Junior (re.). Getty Images

Eine immer radikalere Kultur der Beleidigung und des Hasses wird auch in der Fußballwelt der Gegenwart gerne den sozialen Medien samt ihrer Anonymität und Distanz zugeschrieben. In La Liga aber geht das alles noch ganz analog, aus wenigen Metern direkt ins Gesicht.

Als Real Madrids Außenstürmer Vinicius Junior am frühen Sonntagabend in Valencia Opfer von üblen rassistischen Anfeindungen wurde, hatte das spanische Oberhaus beileibe kein neues Buch aufschlagen müssen. Doch in einem Spiel, nach dem der 1:0-Sieg des abstiegsbedrohten FC Valencia in den Hintergrund rückte, wurde das bis dato dunkelste Kapitel geschrieben.

Ancelotti schockiert: Ein ganzes Stadion skandiert Rassismus

In der Schlussphase einer ohnehin hitzigen Partie hatten sich besonders Szenen mit Vinicius Junior aufgeheizt, der mit seiner verspielten, mitunter provokanten Gangart und einer gewissen Diskussions- und Reklamierbereitschaft nicht gerade dazu beiträgt, dass sich Gegner und Zuschauer bei Reals Auswärtsspielen zügig abregen. Was dem Brasilianer dann aber widerfuhr, wie seit Monaten schon so oft, hat eine gänzlich andere Tragweite. In Valencia erreichte sie einen neuen Tiefpunkt.

"Ich habe noch nie erlebt, dass ein ganzes Stadion einen Spieler rassistisch beleidigt", sagte der 63-jährige Carlo Ancelotti hinterher, der schon eine ganze Menge erlebt hat. Nicht nur Reals Trainer war fassungslos.

Zunächst hatte Vinicius Junior, sichtlich aufgebracht, einen Zuschauer ausmachen können, der den 22-Jährigen laut Mitspieler Lucas Vazquez mit einer Affen-Geste verhöhnte. Aufgebracht zeigte der Brasilianer auf den Mann, der dicht hinter einem der beiden Tore stand, und forderte Konsequenzen.

Vinicius Junior gegen Valencia

Vinicius Junior hat einen Zuschauer ausgemacht, der ihn rassistisch beleidigte. Ob das für den Mann Folgen hat, bleibt abzuwarten. AFP via Getty Images

Schiedsrichter Ricardo de Burgos versuchte nicht als einziger, Vinicius zu beruhigen, versicherte auch anderen Madrilenen, dass der rassistische Vorfall bereits protokolliert und gemeldet wurde. So wie immer also, man werde der Sache schon auf den Grund gehen. Doch Konsequenzen, gar mit Wirkung? Quasi Fehlanzeige. Denn all diese Dinge wiederholen sich im Wochentakt, mit verschlimmernder Tendenz.

"Wer in Spanien beschützt Vinicius Junior?", fragte und klagte der ehemalige Weltklasse-Verteidiger Rio Ferdinand auf seinen sozialen Kanälen. Der Sonntagabend lieferte einmal mehr Antworten. Es passte nur zu gut ins Bild, dass Schiedsrichter de Burgos das Spiel nicht unterbrach oder - wie von Ancelotti hinterher gefordert - gar abbrach, sondern Vinicius Junior kurz darauf nach einem Ausflug in die Review Area für eine befreiende Schlagbewegung bei einer Rudelbildung die Rote Karte zeigte.

Diese Entscheidung war an sich vertretbar, doch dass der Brasilianer von Hugo Duro zuvor in den Würgegriff genommen worden war, blieb unbeachtet. Als der meistgefoulte Spieler aus Europas Top-Ligen schließlich von dannen zog, begleitete ihn das Estadio Mestalla neben "Tonto"- ("Dummkopf") abermals mit "Mono"-Rufen - das spanische Wort für Affe. Leider nur die Fortsetzung einer niederträchtigen Hetzjagd, doch so unisono vorgetragen wohl selbst für den hasserprobten Vinicius schockierend. In La Liga ist Rassismus salonfähig.

Der "Preis, den die Rassisten bekommen haben" - Tebas konfrontiert Vinicius

Seinen Platzverweis bezeichnete Vinicius Junior später auf Instagram als "Preis, den die Rassisten bekommen haben", auf Twitter meldete sich der zum Feindbild hochstilisierte Youngster ausführlicher zu Wort: "Es war weder das erste noch das zweite noch das dritte Mal. Rassismus ist in La Liga normal, selbst für die Verantwortlichen. Und die Gegenspieler ermutigen auch noch dazu. Und ich habe für all das, was jede Woche passiert, keine Verteidigung." Er hat Recht. Es ist ein Jammer.

Später des Abends äußerte sich La-Liga-Präsident Javier Tebas auf Twitter und warf Vinicius Junior vor, über das Vorgehen der Liga nicht informiert und zu zwei vereinbarten Terminen diesbezüglich nicht erschienen zu sein. Der Brasilianer antwortete am Montag und bemängelte Tebas' Angriff in seine Richtung - anstatt das rassistische Verhalten zu verurteilen: "Das stellt dich mit den Rassisten gleich. Ich will endlich Taten und Strafen sehen."

Valencias Heimsieg am Sonntagabend dürfte dafür sorgen, dass "Los Che" den drohenden Abstieg wohl abwenden werden. Doch wenn La Liga so untätig weitermacht, wird auch der Rassismus wieder die Klasse halten.

nba