Bundesliga (D)

"Fehlbeurteilung": Drees zum Dortmunder 3:1 in Freiburg

DFB-Projektleiter erklärt, wie es zum VAR-Aussetzer beim Freitagsspiel kam

Drees zum Dortmunder 3:1 in Freiburg: "Fachliche Fehlbeurteilung"

Diskussionsbedarf: Die Freiburger Spieler reden auf Referee Tobias Welz ein.

Diskussionsbedarf: Die Freiburger Spieler reden auf Referee Tobias Welz ein. imago images

In der 88. Minute des Freitagabendspiels in Freiburg erhöhte Marius Wolf rechts im Strafraum per Linksschuss ins lange Eck auf 3:1 für Borussia Dortmund. BVB-Stürmer Youssoufa Moukoko stand bei diesem Abschluss jedoch im Abseits und bewegte sich aus nächster Nähe auf SC-Keeper Mark Flekken zu, es kam beinahe zum Zusammenstoß. Klar ersichtlich ist, dass Moukoko Flekken in dessen Bewegungsfreiheit beeinträchtigte, also strafbar im Abseits stand.

VAR Günter Perl und sein auf Abseits spezialisierter VAR-Assistent Norbert Grudzinski intervenierten jedoch nicht. Das irreguläre Tor zählte, was eine sonst gute Schiedsrichterleistung von Tobias Welz schmälerte. Wie kam es zu diesem erstaunlichen Fehler?

Dr. Jochen Drees, VAR-Projektleiter beim DFB, erläutert auf kicker-Nachfrage zunächst die regeltechnischen Grundlagen: "In Abseitssituationen, in denen der Torwart betroffen ist, geht es grundsätzlich um zwei Aspekte. Befindet ein sich im Abseits stehender Gegenspieler in der Sichtlinie des Torwarts und versperrt diesem eindeutig die Sicht? Oder beeinflusst er ihn bei einer möglichen Torwart-Abwehraktion auf andere Art?"

Während bei der reinen Sichtbehinderung nach Vorgaben der Regelbehörde IFAB die Abwehrchance des Keepers keine Rolle spielt, ist laut Drees bei der aktiven Beeinflussung des Torwarts Folgendes zu beachten: "Bei der Beeinflussung durch eine offensichtliche Aktion des Gegenspielers im unmittelbaren Sichtbereich des Torhüters ("obvious action") ist zudem relevant, ob der Torwart noch eine realistische Chance hat, den Ball spielen zu können."

"Frage nach der realistischen Abwehrchance von Flekken verneint"

Was ist nun beim Check der betreffenden Szene im Kölner Videocenter passiert? "Im vorliegenden Fall hat das VAR-Team die Abseitsposition des Dortmunder Spielers Moukoko und seine Aktion in der Nähe des Freiburger Torwart Flekken erkannt. Allerdings hat das VAR-Team die Beeinflussung von Flekken durch Moukoko nicht als so deutlich wahrgenommen und auch die Frage nach der realistischen Abwehrchance von Flekken verneint."

Was Drees und die Sportliche Leitung der Elite-Referees zu folgendem Urteil veranlasst: "Letztlich handelt es sich in diesem Fall um eine fachliche Fehlbeurteilung der Situation. Unsere Erwartung wäre gewesen, dass das VAR-Team die Szene richtig beurteilt und wegen der Deutungshoheit dem Schiedsrichter einen On-Field-Review empfiehlt. Der hätte dort dann zu dem Schluss kommen müssen, dass der Treffer wegen einer strafbaren Abseitsstellung nicht zählen darf."

Drees bestätigt also die kicker-Wertung, gibt aber auch zu bedenken: "Der Fall ist in der Bewertung nicht ganz einfach. Wäre der Ball etwa oben im kurzen Eck unerreichbar für Flekken eingeschlagen, wäre es keine strafbare Beeinflussung von Moukoko gewesen."

Für Freiburg bleibt ein bitterer Nachgeschmack

Die Regeln und deren Auslegung sind in solchen Fällen nicht immer ganz nachvollziehbar. Für den SC Freiburg bleibt jedenfalls ein bitterer Nachgeschmack. Auch wenn es in dieser Phase nicht nach einem Tor der Gastgeber ausgesehen hat, hätte theoretisch noch einige Minuten die Chance auf ein 2:2 bestanden.

Bereits in der vergangenen Saison hatte Freiburg ein vom VAR nicht korrigiertes Abseitstor kassiert. Nach dem 1:1 gegen Mainz Mitte Februar 2022 räumte Schiedsrichter Deniz Aytekin ein, dass bei der Torüberprüfung wegen eines Handspielverdachts vom VAR schlicht vergessen wurde, die Szene auf Abseits zu kontrollieren.

Carsten Schröter-Lorenz