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WM 2022: Droht attackiertem Schiedsrichter Siebert das Aus?

Bundesliga-Schiedsrichter im uruguayischen Fokus

Droht nun das WM-Aus? Fröhlich verteidigt attackierten Referee Siebert

Springt WM-Referee Daniel Siebert zur Seite: DFB-Schiedsrichterboss Lutz Michael Fröhlich.

Springt WM-Referee Daniel Siebert zur Seite: DFB-Schiedsrichterboss Lutz Michael Fröhlich. imago images / Norbert Schmidt

Bereits am späten Freitagabend nach dem 2:0-Erfolg Uruguays über Ghana hatte der kicker klargestellt: "Eine klare Fehlentscheidung ist dem Berliner Daniel Siebert bei seinem zweiten WM-Auftritt allerdings nicht anzulasten."

Und in der Tat: Der deutsche WM-Schiedsrichter war während dieses entscheidenden Spiels, was letztlich aufgrund eines fehlendes Treffers zum Ausscheiden der Celeste geführt hatte, nie krass daneben gelegen. Die Uruguayer hatten das aber bekanntlich anders gesehen - blanke Wut inklusive: Verteidiger José Maria Gimenez und Stürmer Edinson Cavani waren nach dem Schlusspfiff auf Siebert losgegangen, während Ersatztorwart Fernando Muslera gegen Linienrichter Rafael Foltyn gar handgreiflich geworden war. "Eine Bande von Dieben, das sind sie", schimpfte Gimenez dazu noch auf dem Feld und ließ einige nicht jugendfreie Beleidigungen folgen.

Sicherlich hatte Sieberts Autorität bei diesem Gruppenspiel zwischenzeitlich sichtlich gelitten - und sicherlich war die meistdiskutierte Szene dieses Duell in Minute 57 (vermeintliches Foul an Liverpools Darwin) eines: eben diskutabel. Doch gerade in der hektischen Schlussphase hatte der Bundesliga-Referee die Begegnung auch wieder voll in den Griff bekommen - Lob von Ghanas Coach Otto Addo inklusive: "Ich muss ehrlich sagen, ich fand den Schiri richtig gut."

"Eine nachvollziehbare Bewertung und auch richtige Entscheidung"

gruppe h, 3. spieltag

Eine ähnliche Meinung vertrat nun Lutz Michael Fröhlich. "Daniel Siebert hat die schwierige Aufgabe gestern sehr gut gemeistert", sagte der DFB-Schiedsrichterboss der Deutschen Presse-Agentur (dpa) an diesem Samstag. "Er hat alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um die Spieler bei allen wichtigen Entscheidungen mitzunehmen und war kommunikativ sehr gefordert."

Das Verhalten der uruguayischen Spieler, die eben gepöbelt sowie Siebert und seine Assistenten bedrängt hatten, sei komplett daneben gewesen - zumal es obendrein noch einen Ellbogencheck gegen einen FIFA-Mitarbeiter (Gimenez droht deswegen eine lange Sperre) sowie einen umgeworfenen Videobildschirm am Spielfeldrand gegeben hatte. Und die FIFA hier überhaupt zu spät Schutzpersonal eingeschaltet hatte. "Daniel Siebert hat für seine Spielleitung und das, was er nach Schlusspfiff aushalten musste, größten Respekt verdient. Wo war der Schutz für ihn - und traurig dass er geschützt werden musste", twitterte dazu Sieberts deutscher Schiedsrichter-Kollege Patrick Ittrich.

Aus Uruguays Sicht hätte es der 38-Jährige Siebert, der es in seiner Karriere neben zwei WM-Einsätzen schon auf 145 Bundesliga- oder auch elf Champions-League-Partien bringt, drei Elfmeter geben müssen. Darunter auch der endgültige Auslöser der wilden Proteste - die Szene kurz vor dem Ende des Spiels, als Edinson Cavani allzu bereitwillig sein Bein in den Laufweg von Alidu Seidu gestellt und prompt im Strafraum umgerannt worden war. Für Siebert auch hier nicht ausreichend für einen Elfmeter - ebenso wenig für Fröhlich, der lobte: "Das ist in den TV-Bildern für mich eine nachvollziehbare Bewertung und auch richtige Entscheidung."

Auch Ittrich sah das in seinem abgesetzten Tweet so: "Cavani stellt das Bein raus und will den Strafstoß. Ermessen und gut, den nicht zu geben." Anders die Stimmungslage im kleinen südamerikanischen Land, wo WM-Karrieren wie die von Cavani, Diego Godin oder auch Luis Suarez nun zu Ende gingen. "Egal welcher Strafstoß, sie alle verwandelten sich zu einer perversen Ungerechtigkeit der Schiedsrichter, die Uruguay in der Gruppenphase ausschalteten", schrieb die Tageszeitung "El Observador". Und mehr noch: "Uruguay wurde bei dieser WM offen benachteiligt."

WM-Aus nun für Siebert?

Streng genommen war Siebert also kein Fehler unterlaufen, was auch der kicker mit der Note 3,5 festhielt: "Zunächst zu zurückhaltend, dadurch litt anfangs die Autorität. Vor Ghanas Elfmeter wurde eine falsche Abseitsentscheidung dank VAR korrigiert. Vertretbar, Amarteys Grätsche gegen Darwin (57.) und den Zweikampf zwischen Seidu und Cavani (90./+3) jeweils nicht mit Strafstoß zu ahnden."

Edinson Cavani & Co. beschweren sich lautstark bei Daniel Siebert.

Wutenbrannte Uruguayer: Edinson Cavani & Co. beschweren sich lautstark bei Daniel Siebert. IMAGO/Agencia MexSport

Und trotzdem könnte ihm dieser WM-Einsatz nun zum Verhängnis werden. Ex-Schiedsrichter Manuel Gräfe schätzte die Elfmeter-Szene in der Nachspielzeit als Fehlentscheidung ein. Aber "eine sonst richtig gute Leistung in einem sehr schwierigen Spiel wird dadurch leider dazu führen, dass er kein weiteres Spiel mehr als Schiedsrichter erhalten wird", twitterte Gräfe.

Sollte es so kommen, gäbe es eine Parallele zu Felix Brych, der 2018 in Russland bei seiner zweiten Weltmeisterschaftsteilnahme im Vorrundenspiel Serbien gegen die Schweiz (1:2) nach einem elfmeterwürdigen Halten von zwei Nati-Spielern gegen den serbischen Stürmer Aleksandar Mitrovic und ausgebliebener Intervention von VAR Felix Zwayer nicht auf Strafstoß entschieden hatte. Damals war eine mediale serbische Hetzjagd die Folge. Letztlich schickten die FIFA-Verantwortlichen Brych nach diesem einzigen Einsatz nach Hause, obwohl dieser aufgrund des deutschen Ausscheidens "freie Bahn" gehabt hätte und als amtierender Weltschiedsrichter von 2017 angereist war. Der DFB hatte damals eine Erklärung gefordert.

Nun könne eben auch Siebert, dem die FIFA als WM-Neuling direkt zwei Spiele gegeben hat, dieses Schicksal ereilen. Die spanische Sportzeitung "Marca" urteilte am Samstag: "Alles deutet darauf hin, dass er sein Rückfahrticket von dieser WM unterschrieben hat."

mag