Bundesliga

Dutt: "Der Verein hat sich keinen schlechten Zeitpunkt für die Trennung ausgesucht"

Der ehemalige WAC-Trainer im kicker-Interview

Dutt: "Der Verein hat sich keinen schlechten Zeitpunkt für die Trennung ausgesucht"

Robin Dutt musste den WAC verlassen.

Robin Dutt musste den WAC verlassen. GEPA pictures

Herr Dutt, seit Sonntag sind Sie nicht mehr Trainer des WAC. Wie sind die Stunden nach der Niederlage gegen Hartberg abgelaufen?

Eigentlich so, wie sie immer abgelaufen sind. Kurze Verarbeitung, Analyse, Gespräche.

Mit welcher Begründung entschieden sich die Verantwortlichen des WAC letztlich für die Trennung?

Das sind eigentlich immer die gleichen Punkte. Der WAC hatte das Gefühl, dass ein neuer Impuls die Mannschaft vielleicht wieder in die richtige Bahn bringen kann. Während einer Saison geht es natürlich darum, ob die Trennung für den Verein gut oder schlecht ist. Aber auch die Frage, wie es über die Saison hinaus aussieht, ist entscheidend. Ich glaube, dass da ein großer Irrtum vorlag. 90 Prozent aller Medien haben geschrieben, dass mein Vertrag bis 2024 läuft. Ich habe dem zwar einige Male widersprochen, aber korrigiert wurde das nicht (lacht). Mein Vertrag läuft noch genau bis Ende Mai. Deswegen ist ein neuer Impuls zu diesem Zeitpunkt durchaus legitim. Es wäre eine komplett andere Geschichte gewesen, hätte ich noch bis 2024 Vertrag gehabt und wir hätten ergebnisunabhängig auch in der nächsten Saison zusammengearbeitet. 

Nach dem Spiel in Hartberg sprachen Sie noch von einem "klaren Fahrplan" zwischen Ihnen und Präsident Dietmar Riegler. Wie sah dieser aus?

Wir haben in unserer Zusammenarbeit die Best- und Worst-Case-Szenarien immer miteinander abgestimmt. Für keine der beiden Seiten kam jemals etwas überraschend. Wir wussten immer, wie sich die Situation kurz- und langfristig entwickeln kann. Auch von der Trennung war ich daher nicht völlig überrascht. Wir haben uns ausgemacht, dass wir bis zum letzten Tag zu 100 Prozent zueinander stehen. Nach außen musste nicht immer jeder wissen, wie wir über gewisse Dinge denken, aber intern war das für uns beide immer wichtig. Das habe ich mit dem Fahrplan gemeint. Wir waren über jeden einzelnen Schritt in unserer Zusammenarbeit in offenem Austausch.

War von Anfang an klar, dass es beim Verpassen der Meistergruppe zur Trennung kommt?

Nein, wir haben das nicht unbedingt an der Meistergruppe festgemacht. Das waren mehrere Punkte. Darauf will ich aber nicht genauer eingehen. Entscheidend war, dass die Zusammenarbeit von so viel Vertrauen geprägt war, dass wir uns in dieser Branche von den üblichen Mechanismen abheben wollten und das Gegenüber nicht vor den Kopf gestoßen wird. Der WAC hatte ja auch schon Trainer, die während der Vertragslaufzeit wechseln wollten und den Verein damit überrascht haben. Umgekehrt war das bei Entlassungen auch schon so. Wir haben hingegen immer über alles sehr offen gesprochen, damit es nie für jemanden eine Überraschung gab.

Ich hatte in Wolfsberg eine wunderbare Zeit. Wir haben gezeigt, dass man in dieser Branche nicht immer den Weg durch das Hinterzimmer gehen muss.

Robin Dutt

Sie haben die gute Zusammenarbeit mit dem Präsidenten immer hervorgehoben. Wie schwer fiel Ihnen die Trennung aufgrund dieses Umstands?

Das sind immer schwere Momente - vor allem, wenn man sich wohlfühlt und gegenseitige Wertschätzung vorhanden ist. Das ist überhaupt keine Frage. Es gibt aber solche und solche Trennungen. Es ist natürlich leichter, wenn man sich in der Beziehung aufgehoben und ehrlich behandelt fühlt. Das gilt für beide Seiten. Ich hatte in Wolfsberg eine wunderbare Zeit. Wir haben gezeigt, dass man in dieser Branche nicht immer den Weg durch das Hinterzimmer gehen muss.

Wie passt dann dazu, dass es bereits vor dem Spiel in Hartberg ein Treffen mit Manfred Schmid gegeben haben soll?

Das gehört dazu. Der Präsident muss mit mir nicht seine gesamten Personalüberlegungen abstimmen. Dass gesprochen werden kann und ein Verein vorbereitet sein muss, gehört zur Professionalität dazu. Daher war ich davon nicht überrascht. Natürlich ist es nicht so weit gegangen, dass der Klub mit mir über jeden einzelnen Namen gesprochen hat. Das wäre übertrieben gewesen (lacht). Aber dass Gespräche für den Fall der Fälle geführt werden, ist doch ganz klar.

Blicken wir auf die sportliche Geschichte. Sie haben beim WAC in 65 Partien wettbewerbsübergreifend einen Punkteschnitt von 1,46 erreicht, in der aktuellen Saison lag dieser nur mehr bei 1,29. Warum konnten Sie die Mannschaft nicht wie gewünscht weiterentwickeln?

Es ist entscheidend, dass man die komplette Geschichte erzählt. Denn nur dann wird sie auch schlüssig. Wir müssen daher einen Schritt zurückgehen. Ich habe beim WAC im April 2021 unterschrieben und die Mannschaft am 1. Juni 2021 übernommen. In welcher Situation war der WAC im April 2021? Er hatte gerade einen Trainerwechsel hinter sich, weil es unter dem damaligen Trainer (Ferdinand Feldhofer, Anm.) große Diskrepanzen mit den Führungsspielern dieser Mannschaft gab. In dieser Zeit hat der WAC unter anderem gegen Rapid Wien eine 1:8-Niederlage kassiert und auch das Europacup-Play-off gegen Austria Wien klar verloren. Warum sage ich das? Weil es viel damit zu tun hatte, welches Anforderungsprofil der Präsident damals an den neuen Trainer hatte. Er hat einen neuen Trainer gesucht, der ihn im Tagesgeschäft entlastet und wieder Ruhe in die Mannschaft bringt. Es war nämlich klar, dass der Großteil der Spieler bleiben wird. Mit dieser nahezu gleichen Mannschaft haben wir - unabhängig vom Punkteschnitt - den vierten Tabellenplatz und die internationalen Qualifikationsspiele erreicht. Wir haben im ersten Jahr also alle Ziele erreicht.

Warum lief es in der aktuellen Saison nicht mehr nach Wunsch?

Im zweiten Jahr war allen klar, dass es einen großen Umbruch geben soll. Insgesamt haben wir zwölf neue Spieler bekommen, von denen stets sechs, sieben oder acht in der Startformation waren. Dann hat sich natürlich die Frage gestellt, wie lange es dauert, bis die Mannschaft eingespielt ist und sich gute Ergebnisse einstellen. Wir haben zwei Gesichter gezeigt: ein offensives und ein defensives. Natürlich gibt es viele Gründe dafür, warum diese Gesichter so unterschiedlich waren. Ein wichtiger Mitgrund war, dass wir in der Offensive Personalkonstanz hatten und in der Defensive nicht. In der Offensive sind wir immer besser geworden. Stand heute haben wir den drittbesten Angriff der Liga. Wir haben unglaublich viele Tore (35, Anm.) geschossen. Konkret festmachen kann man das an einem Spieler wie Tai Baribo. Er hat in dieser Saison bereits mehr Tore erzielt als in der vergangenen - und das, obwohl wir damals vorne mitgespielt haben und Michael Liendl als Vorlagenkönig bei uns war. In der Offensive haben die Automatismen also funktioniert.

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Defensiv hingegen ...

Defensiv konnten wir uns nie einspielen, weil wir extremes Verletzungspech hatten. Zwei Spieler, die erst seit diesem Kalenderjahr in der Abwehr spielen, sind Tim Oermann und Kevin Bukusu. Sie konnten sich im Herbst nicht einspielen, weil sie noch nicht zur Verfügung standen. Auch Simon Piesinger hat sich am 12. Spieltag verletzt und war bis Weihnachten nicht einsetzbar. Das heißt, dass sich diese drei Spieler - anders als der Sturm - nicht über die Saison hinweg einspielen konnten. Deswegen haben die Abläufe nicht gepasst. Und wenn die Ergebnisse nicht stimmen, kommt auch noch der Kopf dazu. Dann geht die Spirale los. Dementsprechend lässt sich die Geschichte nicht nur anhand des Punkteschnitts erzählen.

Nur Altach hat in der Bundesliga mit 41 Toren noch einen Gegentreffer mehr kassiert als der WAC. Welche Gründe haben Sie dafür abseits des Verletzungspechs ausgemacht?

Dietmar Riegler und ich haben uns gemeinsam dazu entschieden, Luka Lochoshvili ziehen zu lassen. 1,6 Millionen Euro sind für den WAC viel Geld und wir sind dieses Risiko daher bewusst eingegangen. Wir haben mit Tim Oerman dann einen Leihspieler (vom VfL Bochum, Anm.) als Ersatz geholt. Aber eben erst im Januar. Ich habe dieses Risiko mitgetragen und mich mit diesem Weg identifiziert. Hauptsächlich liegen die Gründe aus meiner Sicht aber schon am Personal, das mir nicht zur Verfügung stand. Denn man sieht ja an der Offensive, dass sich Spieler trotz der aktuellen Tabellenkonstellation weiterentwickeln konnten.

Der WAC hat unter Ihnen einige Highlight-Spiele absolviert, aber auch einige Male sehr schwache Leistungen abgeliefert. Wie ist das zu erklären?

Das hat mit der Jugend der Spieler zu tun. An einem Tag können sie die Welt einreißen, am anderen müssen sie unglaublich viel Lehrgeld zahlen. Diese Ausschläge hätten wir in den Griff bekommen müssen. Es geht viel um Konstanz und nicht immer um Hurra-Fußball. Manchmal reicht auch ein solides 1:0. Das hat viel mit Erfahrung zu tun. Wenn man Rückschläge einsteckt oder eine Taktik einmal nicht funktioniert, reagiert eine erfahrene Mannschaft einfach ganz anders als eine junge. Da reicht manchmal ein simpler Input des Trainers.

In Ihrem Abschiedsstatement haben Sie erklärt, dass Sie von der Mannschaft weiterhin voll überzeugt sind. Warum?

Weil ich das Potential der Spieler kenne. Sie haben komplett richtig gesagt, dass wir große Ausschläge nach oben und unten hatten. Manchmal ist die Frage einfach, wie die Spieler ihr Können dauerhaft abrufen können und wie sie sich weiterentwickeln. Jasic, Omic, Veratschnig und Malone sind allesamt Nachwuchsteamspieler, Baribo spielt sogar im israelischen A-Nationalteam. Allein daran sieht man das Potential. Mit jedem Jahr mehr an Erfahrung werden sie die Ausschläge nach unten minimieren. Daher bin ich von diesen Spielern nach wie vor total überzeugt.

Es war eine der schönsten Stationen meiner Karriere.

Robin Dutt

Die Mannschaft lag Ihnen offenbar sehr am Herzen. Wie enttäuschend bzw. falsch fühlt es sich an, nicht mehr mit ihr weiterarbeiten zu dürfen?

Das Wort falsch möchte ich in diesem Zusammenhang gar nicht hören. Selbst das Wort Enttäuschung wäre - wenn ich es auf andere Menschen beziehe - falsch. Ich frage mich eher, was ich hätte besser machen können, um den Entwicklungsprozess zu beschleunigen. Es ist schade, weil mir die Mannschaft und der Verein sehr ans Herz gewachsen sind. Es hat aber einiges dafür gesprochen, dass sich die Wege nach dieser Saison ergebnisunabhängig ohnehin trennen. Daher hat sich der Verein keinen schlechten Zeitpunkt für die Trennung ausgesucht.

Welches Fazit ziehen Sie nach rund eineinhalb Jahren in Wolfsberg?

Es gibt nicht das eine Fazit. Man muss unterscheiden. Das erste Jahr war super, wir haben alle Ziele erreicht. Danach haben wir eine schwierige Kaderplanung stark gemeistert und viele junge, hochtalentierte Spieler geholt. Offensiv haben wir uns super entwickelt, defensiv nicht. Deswegen hatten wir keine Stabilität und Konstanz. Wir haben durchaus gesagt, dass wir auf diesem Tabellenplatz stehen können. Es ist also nicht so, dass die Meistergruppe ein absolutes Muss war. Aber wir hätten uns zu diesem Zeitpunkt der Zusammenarbeit etwas mehr Stabilität gewünscht. Das ist sich nicht ausgegangen. Ansonsten wurde meine Erwartungshaltung - auch an den österreichischen Fußball - mehr als erfüllt. Es war eine der schönsten Stationen meiner Karriere.

Werden Sie dem Fußballgeschäft erhalten bleiben?

Davon gehe ich aus. Bei mir muss einfach die Aufgabe stimmen. Das schaue ich mir in Ruhe an, dafür habe ich ja bis zum Beginn der neuen Saison genügend Zeit.

Haben Sie schon eine Tendenz, wohin es für Sie nun gehen soll?

(lacht) Nein, das schaue ich mir an. Ich muss aber sagen, dass ich mich in der österreichischen Bundesliga sehr wohlgefühlt habe. Das ist eine Liga, die für mich auch zukünftig vorstellbar ist. Aber ich will mich jetzt noch nicht festlegen.

Interview: Nikolaus Fink