DFB-Pokal (D)

Erleichterung bei Streich, Ginter und Co. nach Pokalfight

Freiburg gewinnt mit Ruhe, Glück und Doan Pokalfight auf dem Betzenberg

Erleichterung bei Streich, Ginter und Co.: "Wir haben bestanden, das ist toll"

Trinkpause: Christian Streich gibt Anweisungen.

Trinkpause: Christian Streich gibt Anweisungen. IMAGO/Thomas Frey

Christian Streich war gezeichnet, als er am frühen Sonntagabend in die Katakomben des Fritz-Walter-Stadions lief. Der an diesem Tag zum Trainer des Jahres 2022 gekürte 57-Jährige streckte sich kurz und atmete tief durch, sein Poloshirt war nassgeschwitzt. 120 hochintensive Pokalminuten bei Temperaturen jenseits der 30 Grad und vor 38.317 Zuschauern in knisternder Atmosphäre, zu der auch 5000 Freiburg-Fans ihren Beitrag leisteten, hatten beim Freiburger Trainer Spuren hinterlassen.

Der herausfordernde Saisonstart beim Zweitligaaufsteiger kam für Streich jedoch nicht überraschend. "Es war so, wie wir es uns ausgemalt haben", sagte der SC-Coach. Mit einer Ausnahme: "Nur das Gegentor haben wir uns nicht so ausgemalt." In einer ausgeglichenen ersten Hälfte auf überschaubarem Niveau ohne echte Torchancen hatte der spielerisch gewitzte Marlon Ritter nach einem Ballgewinn mit einem Schuss aus dem Mittelkreis getroffen.

Flekken: "Ich bin halt ein mitspielender Torwart"

SC-Stammkeeper Mark Flekken war im Sprung nach hinten noch mit einer Hand am Ball, konnte den Treffer aber nicht mehr verhindern und analysierte unaufgeregt: "Ich bin halt ein mitspielender Torwart, der weit vor dem Tor steht. Er hat es gut gesehen. Er trifft ihn brutal, ich habe selten so einen Ball aus dieser Distanz aufs Tor bekommen. Es haben schon einige probiert, aber es hat nicht oft geklappt. Diesmal ist es anders gelaufen." Was den Schwierigkeitsgrad für den Pokalfinalisten nochmal signifikant erhöhte.

Analyse

"Wenn du auf den Betzenberg fährst", begann Streich seinen Respekt vor der geschichtsträchtigen Spielstätte und dem Gegner zum Ausdruck zu bringen: "Diesmal musstest du nicht warm anziehen, aber das ist ein ganz besonderes Stadion, eine ganz besondere Atmosphäre. Es ist extrem schwer." Er habe seinen Spielern deshalb eingetrichtert: "Ruhe bewahren, egal, wie es steht. Keine Ausreden suchen, wenn es richtig zur Sache geht." Das habe seine Mannschaft geschafft, meinte Streich.

Die Freiburger bleiben weitgehend ruhig

Den FCK in der ersten Pokalrunde aus dem Weg geräumt.

Den FCK in der ersten Pokalrunde aus dem Weg geräumt. IMAGO/Werner Schmitt

Er konnte seine Analyse im Wissen um den 2:1-Sieg nach Verlängerung mit relativer Gelassenheit vortragen. Tatsächlich blieben die SC-Profis in der mit viel Zweikampfwürze geführten Partie, die für acht Gelbe Karten sorgte - drei auf Freiburger Seite - weitgehend ruhig. "Es war wichtig, dass wir nicht alle auf Teufel-komm-raus nach vorne rennen und uns auskontern lassen", sagte Matthias Ginter, wusste aber ebenso wie Streich, dass sich seine Mannschaft im Zuge ihrer meist strukturierten Angriffsbemühungen in Folge von Ballverlusten dennoch beinahe auskontern ließ.

Zwischen der 76. und 81. Minute ließ der SC überraschenderweise gleich fünf gefährliche Lauterer Angriffe in Serie zu, bei denen Terrence Boyd viermal aus guten Positionen zum Abschluss kam - aber jeweils vergab. "Wir sind Minute zu Minute ein bisschen besser reingekommen. Wir mussten Positionsspiel machen und in der Restverteidigung aufpassen, weil sie gut in der eigenen Hälfte standen und auf brutal gefährliche Umschaltsituationen gewartet haben. Fast hätten sie uns dadurch mit dem 2:0 besiegt", sagte Streich, dessen Mannschaft mit der im Fußball in solchen Phasen oft typischen Gnadenlosigkeit antwortete.

Vor Spielbeginn: Interview Trainer Coach Christian Streich SC Freiburg SCF TSG 1899 Hoffenheim vs SC Freiburg SCF 02.01.2021 DFL REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS AS IMAGE SEQUENCES AND OR QUASI-VIDEO TSG 1899 Hoffenheim vs SC Freiburg SCF *** Before kick-off Interview Coach Christian Streich SC Freiburg SCF TSG 1899 Hoffenheim vs SC Freiburg SCF 02 01 2021 DFL REGULATIONS PROHIBIT ANY USE OF PHOTOGRAPHS AS IMAGE SEQUENCES AND OR QUASI VIDEO TSG 1899 Hoffenheim vs SC Freiburg SCF

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Doan entscheidet "klassischen Pokalfight"

Unmittelbar nach der vierten Boyd-Chance konterte der SC, holte eine Ecke raus, führte sie schnell aus und überrumpelte in Person von Vorlagengeber Nils Petersen und Torschütze Roland Sallai den unsortierten Gegner. Die Verlängerung war laut Ginter dann "ein klassischer Pokalfight". Den SC-Sommerzugang Ritsu Doan mit einer Einzelleistung, einem herrlich verwandelten direkten Freistoß entschied.

"Ich bin wahnsinnig froh und stolz, dass wir es hier geschafft haben, das ist wahrscheinlich mit das schwierigste Los, das ein Bundesligist in der ersten Runde haben kann", sagte Ginter - aus doppelter Erfahrung. Schon 2021 mit Gladbach hatte er die Erstrundenhürde beim damals drittklassigen FCK nur knapp mit 1:0 überwunden. Streich machte seinem Trainerkollegen Dirk Schuster und dessen Team zum Abschluss ein Kompliment: "Es war ein großer Kampf. Wir haben bestanden, das ist toll für uns."

Erleichterung nach Kraftakt

Aus diesen Worten sprach ehrliche Anerkennung der Lauterer Gegenwehr - und Erleichterung. Die war allen SC-Akteuren anzusehen. Auch wenn sie beim Blick auf die Kaderqualität natürlich der Favorit waren, wusste jeder, dass der Traum von der direkten Rückkehr ins Berliner Finale beinahe ganz früh geplatzt wäre. Und das nicht, weil Freiburg besonders schlecht gespielt hat. Sie mussten zum Saisonstart gegen eine schon im Rhythmus befindliche, phasenweise sich auch spielerisch befreiende Mannschaft schlicht alles investieren, um weiterzukommen.

"Es hat Kraft gekostet, aber wichtig war, dass wir das Spiel gedreht haben und mit einem positiven Gefühl ins erste Bundesligaspiel gehen können", sagte Nicolas Höfler - und konnte wie seine Kollegen mit einem blauen Auge und einigen Flecken der gleichen Farbe, aber auch glücklich den Betzenberg wieder runterfahren.

Carsten Schröter-Lorenz

Die Fußballer des Jahres seit 1960