Europa League

Filzmaier im Interview: "Es ist Quatsch, Demir wegen Konditionsmängel zu verdammen"

Filzmaier beobachtet Yusuf Demir weiterhin genau

Filzmaier im Interview: "Es ist Quatsch, Demir wegen Konditionsmängel zu verdammen"

Mit Leib und Seele Barça-Fan: Peter Filzmaier

Mit Leib und Seele Barça-Fan: Peter Filzmaier Gianmaria Gava/Brandstätter Verlag

Politologe Peter Filzmaier setzt als glühender Barça-Fan viel Hoffnung in Klublegende Xavi, erwartet sich aber keine "Wunderheilung" des finanziell schwer angeschlagenen Klubs, dem er selbstverständlich auch in der zweiten Liga die Treue halten würde.

Im kicker-Interview verrät Kommunikationsexperte Filzmaier unter anderem, dass ihm die mediale Berichterstattung über Yusuf Demir gar nicht schmeckt, dass er einst Bruno Pezzey verehrte und hat auch einen Vorschlag für die Vergabe von Olympischen Spielen und der Fußball-WM parat.

kicker: Herr Filzmaier, ist Rapid jetzt Ihr Zweitklub, weil dort mit Yusuf Demir ein Ex-Barça-Spieler kickt? Oder haben Sie in Österreich schon eine Nummer eins?

Peter Filzmaier: Muss ich nach dieser Logik auch zu Atletico Madrid halten, nur weil der Ex-Barça-Spieler Luis Suarez da kickt? Nein. Mein Klub bleibt Barça. In Österreich war für mich als Kind, Jugendlicher und junger Mann Wacker Innsbruck die Nummer eins. Meine Fanliebe begann, als der großartige und viel zu früh verstorbene Bruno Pezzey dort spielte. Erst mit dem Wandel zum FC Tirol ist diese Liebe erkaltet, doch sucht man sich da nicht einfach einen anderen Verein.

Für Rapid ist Demir momentan nicht fit genug. Wie kann das Ihrer Meinung nach sein?

Ich bin Fußballfan und kein Experte. Doch beruflich ist mein Fachgebiet die öffentliche Kommunikation. Da habe ich schon im Vorjahr gesagt, man soll Demir einfach mal in Ruhe lassen. Es war Unsinn, ihn bereits als neuen Messi zu bejubeln, wenn er dreimal hintereinander fehlerfrei einen Ball gestoppt hat. Genauso ist es Quatsch, jetzt einen Teenager wegen angeblicher oder tatsächlicher Konditionsmängel zu verdammen. Er ist sicher ein talentierter Spieler, der seinen Weg machen wird, solange nicht die mediale Erwartungshaltung allzu hoch ist.

Xavis Rückkehr war wichtig, um eine Integrationsfigur zu haben.

Filzmaier ist zuversichtlich

Im aktuellen "FourFourTwo"-Magazin hat es Demir nicht in die Top 50 der "aufregendsten Teenager" geschafft, dafür vier Barça-Spieler (Pedri, Fati, Gavi und Ilias Akhomach) und zwei Salzburger (Sesko und Susic). Wie finden Sie die Auswahl?

Warum nur vier Barça-Spieler? (lacht). Doch im Ernst: Für mich ist das ein Hoffnungsschimmer, dass in Barcelona wieder eine goldene Generation heranwächst. Da sind ja auch noch die Jungtwens Garcia, Torres und de Jong. Doch das Hauptproblem ist für mich die zu langsame Abwehr rund um den einst großen Piqué. Für Garcia kommt die Chefrolle zu früh. Dest, Araujo und Mingueza sind überhaupt noch nicht weit genug in ihrer Entwicklung. Was Salzburg betrifft: Wie immer man zu dieser Mannschaft steht, das Konzept des Scoutings junger Toptalente funktioniert. Also ist die Präsenz von Sesko und Susic in der Teenagerauswahl einfach die logische Folge davon.

Barça ist in La Liga nur Vierter und "muss" jetzt auch noch Europa League spielen. Wie gehen Sie damit um?

Més que un club. In guten und schlechten Zeiten. Ich bleibe auch Fan, wenn Barça in die zweite Liga absteigen sollte.

Napoli könnte eine schwere Hürde werden. Wie schätzen Sie da die Chancen ein?

Ich werde immer an eine Chance für mein Barça glauben. Napoli hatte ja einen tollen Start in der Meisterschaft, war dann ein bisschen in der Krise und hat sich zuletzt wieder erfangen. Mal sehen, wer spielen kann, im Angriff hatten sie zuletzt Verletzungsprobleme. Zudem haben sie in der Europa League gegen Spartak Moskau und Legia Warschau verloren. Da soll ich nicht daran glauben, dass auch Barça gegen diese Mannschaft gewinnen kann?

Tot Ons Plezier! Die hohe Kunst der niederländischen Klubnamen

Mit Xavi ist eine Legende Barcelona-Trainer. Glauben Sie, dass mit ihm über kurz oder lang der Erfolg zurückkehrt?

Da sind wir wiederum bei den überzogenen Erwartungshaltungen. Xavis Rückkehr war wichtig, um eine Integrationsfigur zu haben, die auch nach einem vermutlich titellosen Jahr nicht sofort wieder in Frage gestellt wird. Ich bin überzeugt, dass mit ihm der Erfolg zurückkehren kann - aber langfristig und sicher nicht als Wunderheilung.

„Spotify" könnte zum finanziellen Rettungsanker werden. Wie stehen Sie zum Verkauf des Stadion-Namens?

Spotify Camp Nou, das hört sich für mich einfach nicht richtig an. Doch natürlich sage ich das rein emotional, denn Barça ist pleite und braucht das Geld. Genauso sind Sponsorennamen für Stadien ja anderswo längst üblich.

Sie sind ein ausgezeichneter Hobbyläufer. Leidet Ihre Fitness unter Olympia? Zieht es Sie oft vor den Fernseher?

Ich muss Sie korrigieren, denn ich war mal ein ganz guter Läufer. Das ist Zeitgeschichte, heute bin ich Gelegenheitsjogger und kämpfe im Winter auch ohne Olympische Spiele mit dem inneren Schweinehund, halbwegs regelmäßig laufen zu gehen. Was Olympia betrifft: Ja, ich stehe regelmäßig zu nächtlicher Stunde auf und merke altersbedingt, dass das an die Substanz geht. Deshalb habe ich mir auch die Missgunst aller Footballfans zugezogen, weil ich es nicht auch noch geschafft habe, für die Superbowl aufzubleiben.

Es ist vollkommen falsch, wenn das Internationale Olympische Komitee und der Weltfußballverband sich mit undemokratischen Regimes arrangieren.

Peter Filzmaier zur Olympia- und Fußball-WM-Vergabe.

Olympia in China, die Fußball-WM in Katar. Das sind nicht unbedingt die Länder, in denen Politologen gefragt sind. Wie stehen Sie dazu, dass solche Veranstaltungen dort stattfinden?

Es ist vollkommen falsch, wenn das Internationale Olympische Komitee und der Weltfußballverband sich mit undemokratischen Regimes arrangieren, nur weil man einerseits Dollarzeichen vor den Augen hat und sich andererseits eine effiziente Organisation herbeiwünscht, die sich nicht um die Meinung des Volkes, Menschenrechte und Umwelt schert. Sportliche Großveranstaltungen nur mit lupenreinen Demokratien als Teilnehmer fördern auch nicht die Völkerverständigung, das anerkenne ich als Argument, doch bei den Veranstalterländern hätte ich einen Vorschlag: Es darf sich nur bewerben, wenn dem Land durch unabhängige Nichtregierungsorganisationen Freiheit, insbesondere auch Pressefreiheit und Demokratie, bescheinigt wird. Dafür gibt es genug wissenschaftliche Studien. China und Katar hätten dieses Kriterium niemals erfüllt.

Würden Sie gegebenenfalls nach Katar fliegen, um Spiele der österreichischen Nationalmannschaft vor Ort zu analysieren, falls die österreichische Politik Ihnen einmal eine Pause gönnt?

Nein.

Interview: Thomas Schöpf