Handball

Handball-WM: Hanning sieht "Stromausfall" beim DHB-Team

Die Handball-Kolumne von Füchse-Boss Bob Hanning

Für mich war das ein kompletter Stromausfall

Kritischer Blick: Bob Hanning (li.) sah im Ägypten-Spiel Licht und noch mehr Schatten.

Kritischer Blick: Bob Hanning (li.) sah im Ägypten-Spiel Licht und noch mehr Schatten. imago images

Ein Kurzfazit könnte lauten: Das haben wir heute unnötig spannend gemacht, dennoch tolle Moral gezeigt. Dieses Spiel offenbarte aber deutlich mehr Wahrheiten. Beide Teams waren sich der Bedeutung der Partie vorher bewusst, doch die deutsche Mannschaft brachte ihre PS deutlich schneller auf die Straße. Mit einer Weltklasse-Leistung von Andreas Wolff im Rücken haben wir das Spiel diktiert. Ich hatte beim Pausenpfiff aber ein Déjà-vu: Zum wiederholten Mal hätten wir meiner Meinung nach mit einer höheren Führung in die Pause gehen müssen.

Der Start in die zweite Hälfte war dann genauso gut wie der in die erste. Ich habe unsere Mannschaft fokussiert, konzentriert und motiviert erlebt, wir führten ja bereits mit 27:19. Es hat bis dahin wirklich Spaß gemacht, das anzugucken. Was dann folgte, war für mich ein kompletter Stromausfall. Im Angriff war das gar nichts. Wir haben den Ball noch nicht mal aufs Tor gebracht. Wäre das ein Spiel gegen eine absolute Top-Mannschaft gewesen, hätten wir in genau dieser Phase wieder eine gute Leistung völlig unnötig hergeschenkt.

Köster hat für mich den nächsten Schritt gemacht

Was dann kam, war Hektik. Trotzdem haben wir uns bei 30:28 nochmal auf zwei Tore absetzen können, ehe wir Ägypten tatsächlich noch die Siegchance geben. Der leidenschaftliche Kampf, den die Mannschaft in der Verlängerung an den Tag gelegt hat, war bemerkenswert. Wir haben uns wenigstens den Traum vom fünften Platz und damit die bestmögliche Ausgangslage für die Olympia-Qualifikation erhalten.

Neben Wolff muss ich Julian Köster hervorheben, der nicht nur wegen seiner sechs Tore, sondern auch wegen seiner Dynamik und seiner Lust auf Verantwortung für mich den nächsten Schritt nach vorne gemacht hat. Johannes Golla macht ebenfalls sechs Treffer und überzeugt mich mit seiner Arbeit am Kreis vorne wie hinten. Juri Knorr steht am Ende bei sieben Toren und hat das Spiel wieder lange gut gesteuert.

Man könnte schon fast von Langeweile sprechen

Der restliche Freitag hat mir einmal mehr bestätigt: Diese Handball-WM ist ohne jede Überraschung. Die beiden besten Mannschaften stehen im Finale - und die richtigen Teams im Spiel um Bronze. Das Duell um Platz fünf zwischen Deutschland und Norwegen passt genau ins Ranking. Man könnte schon fast von Langeweile sprechen, ohne jede Sensation.

Die Handball-Fans kamen an diesem Freitag auf ihre Kosten. Wir schauen aber schon jetzt gespannt auf den Super-Sonntag. Die Daumen sind gedrückt, dass das DHB-Team die Handball-WM mit einem positiven Ergebnis und Gefühl beendet.

Bob Hanning (54) hat die Füchse Berlin von der 2. Liga bis in die Champions League geführt, den DHB in acht Jahren als Vizepräsident auf links gedreht und einen Spiegel-Bestseller (Hanning. Macht. Handball.) geschrieben. In seiner Kolumne analysiert er für den kicker die Geschehnisse rund um Nationalmannschaft und Bundesliga.

Frei am Kreis: Johannes Golla.

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