Dass der italienischen Auswahl an diesem Sonntag beim Gruppenabschluss gegen Wales etwas der Drive abhanden kommen könnte, davon war auszugehen. Schließlich beorderte Nationaltrainer Roberto Mancini nach dem klaren 3:0 gegen die Schweiz, das zugleich vorzeitig das Achtelfinalticket gelöst hatte, gleich acht (!) neue Spieler aufs Feld. Lediglich Donnarumma, Abwehrchef Bonucci und Aufbauexperte Jorginho durften bleiben. So benötigten die Hausherren im römischen Olimpico ein wenig Eingewöhnungszeit, um sich aufeinander abzustimmen.
Und dennoch rissen die Azzurri das Spiel von Beginn an mit mehr Ballbesitz, offensivem Pressing um dieses Mal aufgebotene Akteure wie Chiesa, Stürmer Belotti oder dem nicht mehr angeschlagenen Mittelfeldregisseur Verratti an sich. Die von Rob Page betreuten Waliser (zuletzt 2:0 gegen die Türkei) konnten in den Anfangsminuten mit den Offensivkräften Ramsey, Kapitän Bale und James nur wenig ausrichten. Stattdessen hatten Pessina (17. und 42.), Belotti (24.) oder auch Chiesa (29.) das 1:0 auf dem Fuß, vergaben allerdings.
Donnarumma im Glück - Italien via Standard
Dennoch sollte für Italien eine verdiente 1:0-Pausenführung zu Buche stehen, wenngleich Gunter die vornehmlich defensiv stehenden Waliser in Führung hätte bringen können - Donnarumma wäre an dessen knapp vorbeiziehenden Kopfball nicht mehr herangekommen (27.). So aber schlug die Sqadra Azzurra, die zu diesem Zeitpunkt schon über 1000 Minuten ohne Gegentor geblieben war, wenige Zeigerumdrehungen vor dem Gang in die römischen Katakomben erstmals bei diesem Turnier via Standard zu. Bei einem sichtlich im Training abgestimmten Freistoß verwirrten die Italiener die Abwehr etwas mit ihren Laufwegen, ehe Verratti Pessina fand - und dieser mit einer einfachen Berührung unhaltbar ins linke untere Eck verlängerte (39.).
Gruppe A, 3. Spieltag
Pfosten, Ramsey, Rot!
Nach Wiederbeginn brauchte dieses Duell keine Anlaufzeit mehr wie noch in Abschnitt eins, stattdessen gab es direkt mehrere Höhepunkte - und einen Tiefpunkt: Zunächst einmal feuerte Bernardeschi bei der nächsten Freistoßvariante der Gastgeber den Ball an den linken Pfosten (53.), ehe Ramsey nach italienischem Abwehrfehler aus spitzem Winkel frei vor Donnarumma zu lang brauchte (54.), Chiesa vergab (58.) und Belotti an Torwart Ward verzweifelte (65.). Dazwischen kam es zum eher unschönen Einsteigen des ehemaligen Leipzigers Ampadu, der Bernardeschi mit geöffneter Sohle hart auf den Fuß stieg und dafür die erste Rote Karte dieser EM sah (55.).
Kurios: Der rumänische Referee Ovidiu Alin Hategan hatte damit bei diesem Turnier bis dato die einzigen beiden Platzverweise verhängt (Gelb-Rot für Polens Grzegorz Krychowiak am 1. Spieltag).
Ungläubiger Blick: Wales' Ethan Ampadu sieht in diesem Augenblick Rot. imago images
Mancini wechselt selbst den Keeper
In Rom spielten die Azzurri fortan in Überzahl auf das entscheidende 2:0, während Wales quasi nur noch die Hoffnung auf Konter oder einen überraschenden Fehler blieb. Und tatsächlich: Bale ergab sich in Minute 76 die Möglichkeit aufs 1:1, der nach diesem Turnier wohl zu Real Madrid zurückkehrende Offensivmann drosch aus guter Lage aber überhastet drüber. Auf der anderen Seite näherte sich Belotti nach längerer Pause mal wieder an, Keeper Ward parierte (89.). Das 2:0 verpasste außerdem noch Joker Cristante (90.+2).
Somit blieb es beim insgesamt verdienten 1:0 der Squadra Azzurra, die diese EM-Vorrunde mit 7:0 Toren, neun Punkten sowie Rang 1 beendete. Außerdem verlängerte der Europameister von 1968 gleich zwei starke Serien auf nunmehr 30 Länderspiele ohne Niederlage am Stück sowie über 1000 Minuten ohne Gegentor. Ein Verdienst vieler Nationalspieler, weswegen Nationaltrainer Mancini gen Ende des Spiels auch noch weitere bislang nicht eingesetzte Akteure einwechselte - sogar Ersatztorwart Sirigu kam für Donnarumma. Damit fehlt lediglich dem dritten Keeper Alex Meret eine EM-Minute.
Italien trifft als Sieger der Gruppe A nun auf den Zweiten der Staffel C, der die Teams Niederlande, Österreich, Ukraine und Nordmazedonien angehören. Wales bekommt es derweil als Zweiter mit dem Zweiten der Gruppe B (Belgien, Russland, Finnland, Dänemark) zu tun.