Die Voraussetzungen für das Gastspiel des Tabellenführers in Kiel hätten aus Sicht der Hausherren besser sein können. Nach der 18:27-Heimniederlage in der Champions League gegen Aalborg brannte beim THW regelrecht der Baum. Wortführer Hendrik Pekeler kritisierte die eigenen Mitspieler bei einem verbalen Rundumschlag scharf - und ließ auch Ligakonkurrent MT Melsungen nicht außen vor. Dafür entschuldigte sich der Europameister von 2016, der Bundestrainer Alfred Gislason bei der kommenden Heim-EM nicht zur Verfügung stehen wird, sogar öffentlich.
Die Antwort gaben Pekeler & Co. im Duell mit den Füchsen, am Ende stand ein verdienter 30:26-Heimsieg. Der auch dem immer stärker in die Kritik geratenen Filip Jicha wichtige Argumente lieferte. "Die Glückwünsche nehme ich heute besonders gerne an", erklärte der Kieler Cheftrainer und fügte an: "Ich möchte aber Jaron und den Füchsen ebenfalls zu den Leistungen in dieser Saison gratulieren. Deshalb hatten wir heute auch einen überdimensionalen Respekt vor der Aufgabe."
Als ungeschlagener Spitzenreiter war der Hauptstadtklub in den hohen Norden gekommen. Mit unbändigem Willen rang der deutsche Rekordmeister die Füchse aber nieder. "Meine Jungs haben heute eine enorme Arbeitslaune gezeigt, waren fleißig, waren aggressiv", lobte Jicha: "Wir haben die Phasen mit guter Qualität und gegen die Berliner Angriffe abgearbeitet. Wir waren da, die Fans waren da, wir waren präsent. Was mich besonders gefreut hat, war die Reaktion auf die Phasen, in denen es nicht so lief."
Dabei dachte Kiels Coach speziell an die ersten Minuten nach dem Seitenwechsel. "Die Füchse kommen mit einem schnellen 2:0 aus der Kabine, Dejan Milosavljev hat sein Tor zugenagelt - aber die Jungs haben einfach weitergearbeitet", so der 41-Jährige. Die Einwechslung von Keeper Samir Bellahcene, den auch Gästetrainer Jaron Siewert als spielentscheidend bezeichnete, sowie die Leistung von Routinier Domagoj Duvnjak imponierten Jicha.
"Dule" überragt: "Ein Mann, den wir unglaublich brauchen"
"Samir hat ein paar wichtige Bälle geholt und Dule war natürlich sehr stark auch im Angriff", hob der THW-Trainer zu Recht ein Duo hervor. Speziell Duvnjak ackerte vorne wie hinten unerbittlich, feuerte zudem das Publikum immer wieder an. "Er ist ein Mann, den wir unglaublich brauchen. Nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch außerhalb. Er strahlt die THW-DNA aus", adelte Jicha den kroatischen Spielmacher, der insgesamt neun Treffer beisteuerte.
"Das war heute ein Sieg der THW-Familie", befand Kiels Keeper Tomas Mrkva: "Wir Spieler, unser Trainerteam, die Mitarbeiter und die unglaublichen Fans haben heute zusammen die Punkte geholt. Nur so kann es in dieser Phase gehen."
Die aktuelle Situation hinterlässt aber fraglos auch bei Jicha Spuren: "Das war heute nicht einfach nach dem Wechselbad der Gefühle: Vor drei Tagen saßen wir hier und hatten eine richtige Klatsche bekommen, heute haben wir dann wieder unser anderes Gesicht gezeigt. Morgen müssen wir aufstehen, meinen Jungs wird alles weh tun. Aber so muss das sein, und dann starten wir wieder die Jagd nach mehr Konstanz."
Beim extrem wichtigen Champions-League-Auswärtsspiel in Aalborg am Mittwochabend (18.45 Uhr) kommt Kiels Konstanz direkt auf die Probe. Es folgt das Auswärtsspiel in Stuttgart sowie der Königsklassen-Vergleich mit Paris Saint-Germain. Danach wird sich zeigen, ob der THW mit dem Sieg gegen die Füchse tatsächlich einen imaginären Bock hat umstoßen können.