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Mal wieder in der U 21: Spielpraxis ist nicht zu ersetzen

Wer gegen Frankreich Rhythmus und Sicherheit ausstrahlte und wer nicht

Mal wieder in der U 21: Spielpraxis ist nicht zu ersetzen

Auch ihm gelang kein Treffer gegen Frankreich: Youssoufa Moukoko.

Auch ihm gelang kein Treffer gegen Frankreich: Youssoufa Moukoko. IMAGO/Jan Huebner

"Es gibt einem einfach unfassbar viel Selbstvertrauen. Man kommt in simple Abläufe rein", sagt Yann Aurel Bisseck, der im Spiel gegen die Franzosen sein Startelfdebüt für die U 21 absolvierte. Für den dänischen Erstligisten Aarhus stand der Innenverteidiger in allen elf Partien 2022/23 in der Startelf und glänzte dabei sogar mit drei Toren und zwei Vorlagen. Mit 955 Pflichtspielminuten ist Bisseck derzeit das leuchtende Beispiel für regelmäßige Spielpraxis im U-21-Team.

Entsprechend präsentierte sich der 21-Jährige gegen Frankreich. Er strahlte Selbstvertrauen aus, agierte gegen die individuell starken Gegenspieler präsent und entschlossen sowie mit geringer Fehlerquote. Die Spielklasse, die in Bissecks Fall klar schwächer als die Bundesliga einzuordnen ist, spielt da oft nicht die wichtigste Rolle.

Die beim 1. FC Köln ausgebildete Defensivkraft kennt auch andere Phasen: "Bevor ich nach Dänemark gegangen bin, hatte ich nicht viel Spielpraxis, war viel verletzt." Die Folge: "Wenn man ein bisschen unter Druck steht und vielleicht das erste Mal seit Langem wieder spielt, muss man sich auf einfache Sachen wie eine Ballannahme mehr konzentrieren. Das nimmt vielleicht ein bisschen was vom Rest des Spiels weg."

die letzten drei spiele der u 21

Viele Spieler nicht im Wettkampf-Rhythmus

Solche Dinge waren im Test gegen die Grande Nation bei einigen von Bissecks Teamkollegen zu beobachten. Angefangen bei seinen Nebenleuten in der Viererkette. Jordan Beyer war in der Vorbereitung verletzt, spielte in Gladbach nicht und wechselte auf den letzten Drücker zum FC Burnley. Dort startete er am vorigen Wochenende erstmals - als linker Innenverteidiger.

Bei der U21 musste er hinten rechts aushelfen, weil der gesetzte Josha Vagnoman (Kochenödem im Mittelfuß) verletzt ist und die weitere Alternative Kilian Fischer in Wolfsburg gar nicht spielt (0 Pflichtspielminuten 22/23). Neben Beyer (118) lief der Ex-Schalker Malick Thiaw (270) auf, der seit seinem Wechsel zur großen AC Mailand nur eine Zuschauerrolle ausfüllt. Beyer und Thiaw ließ Frankreichs Amine Gouiri beim entscheidenden Treffer alt aussehen. "Da muss man das Zentrum schließen und den Gegner nach außen drücken", kritisierte Di Salvo: "Das sind Kleinigkeiten, die so ein Spiel entscheiden."

Gouiri kommt, zunächst für Nizza, dann für Rennes, seit Sommer regelmäßig zum Einsatz (560). Das ist neben Beyer und Thiaw noch bei vier weiteren deutschen Startelfspielern vom Freitagabend nicht der Fall. Linksverteidiger Luca Netz (104) agierte solide, auch weil sein Teamkollege und Gegenspieler Nathan Ngoumou eine schwache Vorstellung zeigte.

Bei Hoffenheims Angelo Stiller (11) fiel die kaum vorhandene Praxis deutlicher auf. Der Sechser bekam selten Zugriff, produzierte anders als in der vorigen Saison, als er bei der TSG zum Stamm zählte, einige leichte Fehler und am Ende ließen seine Kräfte deutlich nach. Linksaußen Faride Alidou (78) ging zwar engagiert in die Duelle, blieb aber ähnlich wirkungslos wie sein Frankfurter Klubkollege Ansgar Knauff auf dem rechten Flügel, obwohl dieser mit viel mehr Matchpraxis (616) ins Spiel ging.

Der Ball war zu oft zu schnell wieder weg.

Ansgar Knauff

Das lag vor allem an einem Aufbauspiel von derzeit wenig erprobten Profis, dem zu oft Struktur und Klarheit fehlten. "Wir sind nicht gut in unsere Aktionen gekommen, waren zu tief drin, haben es im Spiel nach vorne nicht gut gemacht, zu selten über das Zentrum die Seite verlagert, dass wir mal längere Ballbesitzpassagen haben. Der Ball war zu oft zu schnell wieder weg", analysierte Knauff treffend.

Darunter litt auch Youssoufa Moukoko. Der Stürmer kam zwar mit dem Schub durch sein goldenes Tor im Revierderby zur DFB-Auswahl, konnte aber auch nicht kaschieren, dass er beim BVB (270) nur Teilzeitarbeiter ist. Nach den Pässen, die mal zu ihm durchkamen, misslang ihm zu oft der erste Kontakt.

Nicht von ungefähr kam es, dass Schalkes Mittelfeldspieler Tom Krauß (663), auch wenn der das 0:1 mit einem Fehlpass im offensiven Drittel begünstigte, mit den meisten aussichtsreichen Abschlüssen der gefährlichste Spieler im Di-Salvo-Team war und Kölns Jan Thielmann (651) zumindest griffig und präsent agierte.

Mangelnde Einsatzzeiten auch in der Vergangenheit bereits ein Problem

Fehlende Spielpraxis ist in der deutschen U 21 kein neues Phänomen. Bei den jüngsten drei EM-Endrunden konnten die DFB-Junioren dies als erfolgreichste Nation (zwei Titel, eine Finalteilnahme) in beeindruckender Weise kompensieren. Und die gute Nachricht nach dem Vergleich mit Frankreich lautet: Trotz der wesentlichen Unterschiede in puncto Matchpraxis war der hochkarätig besetzte Gegner nur dieses eine Tor besser.

Spannend, wie das Duell mit ähnlich starken Engländern am Dienstag ausgeht. Im Rhythmus befindliche Akteure wie Augsburgs Innenverteidiger Maximilian Bauer (633) und Basels Linksverteidiger Noah Katterbach (723) brennen auf ihre Chance.

Carsten Schröter-Lorenz

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