Bundesliga (D)

Ben Manga exklusiv: "Vor meiner Zeit kannte Frankfurt im Scouting kein Mensch"

Der langjähriger Chefscout über die Eintracht und seinen neuen Job

Manga im Interview: "Vor meiner Zeit kannte Frankfurt im Scouting kein Mensch"

Erstmals seit seinem Abschied aus Frankfurt gab Ben Manga (Mi.) ein Interview - und sprach auch über Randal Kolo Muani und Markus Krösche.

Erstmals seit seinem Abschied aus Frankfurt gab Ben Manga (Mi.) ein Interview - und sprach auch über Randal Kolo Muani und Markus Krösche. imago images (3)

Als Chefscout war Ben Manga viele Jahre die rechte Hand des früheren Sportvorstandes Fredi Bobic, blieb 2021 aber in Frankfurt, als dieser zu Hertha BSC wechselte. Die Eintracht beförderte den Ex-Profi (u.a. Düsseldorf, Aachen, KSC) zum Direktor Profifußball und Kadermanager, unter dem wenige Monate später verpflichteten Bobic-Nachfolger Markus Krösche schwand Mangas Einfluss jedoch zunehmend. Zuletzt initiierte er noch die Verpflichtung von Shootingstar Randal Kolo Muani, andere Sommertransfers wie die von Mario Götze, Eric Junior Dina Ebimbe oder Lucas Alario tragen hingegen Krösches Handschrift.

Insbesondere bei den Vorstellungen vom Scouting gingen die Meinungen der beiden Fachmänner auseinander - die Trennung war für beide Seiten ein logischer und vernünftiger Schritt. Um in der ersten Reihe arbeiten zu können, wechselte Manga zum FC Watford in die zweite englische Liga. Die im portugiesischen und spanischen Markt bestens vernetzte Helena Costa nahm er als Chefscout und Assistentin mit, weitere Scouts begleiteten ihn zum Klub aus dem Londoner Vorort. Dem kicker gab er sein erstes Interview als Watford-Manager.

Sie wechselten vom Champions-League-Klub Eintracht Frankfurt zum englischen Zweitligisten FC Watford. Warum stiegen Sie freiwillig ab, Herr Manga?

Weil mich das Projekt in Watford reizt. Manchmal geht man einen Schritt zurück, um zwei nach vorne zu kommen. Ich glaube, dass es die richtige Entscheidung ist. Beim FC Watford bin ich der Sportverantwortliche, der ein klares Ziel verfolgt: den Aufstieg in die Premier League. Dies ist eine Herausforderung, die wir als Team zusammen angehen werden. Wir haben bewusst einen Fünfjahresvertrag unterschrieben, um unsere Ziele zu bewerkstelligen. Die Premier League ist die größte Liga der Welt, es ist ein persönlicher Ansporn, dort als Sportverantwortlicher einen Verein zu führen.

Mit Watford und Udinese Calcio verhält es so wie bei den Vereinen unter dem Dach von Red Bull.

Ben Manga

Wie realistisch ist die Rückkehr in die Premier League in dieser Saison?

Wenn ich ehrlich bin: Die ersten beiden Plätze sind weg, Burnley und Sheffield werden direkt aufsteigen. Wir können es nur über die Play-offs schaffen. Deswegen müssen wir versuchen, jetzt im Januar noch zwei, drei gute Transfers zu tätigen, um den Kader auch in der Breite zu verbessern. Wir müssen uns in der Breite besser aufstellen, das Januar-Transferfenster kommt zum richtigen Zeitpunkt. Mit Ismael Koné und Matheus Martins haben wir schon zwei junge, gute Spieler geholt, die natürlich erst mal in England ankommen müssen und Zeit brauchen, bis sie uns weiterhelfen werden.

Abgesehen vom Aufstieg: Was konkret erwartet man von Ihnen in Watford?

Dass ich den Verein weiterbringe - mit neuen Inhalten, einer etwas anderen Struktur und der deutschen Mentalität. Der FC Watford ist ein sehr gut geführter Verein mit einer hervorragenden Infrastruktur. Manchmal müssen nur Kleinigkeiten verändert werden.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie?

Das ist nach drei Wochen schwer zu sagen. England tickt komplett anders als Deutschland. Die Vereine sind anders strukturiert. In Deutschland gibt es den Aufsichtsrat, den Sportvorstand, den Finanzvorstand. Hier haben wir drei Leute: den Besitzer Gino Pozzo, den CEO Scott Duxbury und mich als Sportverantwortlichen. Mein Ansprechpartner ist der Besitzer des Klubs, der CEO wird in allem, was wir machen, eingeweiht. Ich mache mir sportlich erstmal ein komplettes Bild: Was läuft gut? Was läuft schlecht? Anschließend setze ich meine Ideen um.

Der FC Watford befindet sich wie auch Udinese Calcio in den Händen der Familie Pozzo. Zwischen beiden Klubs gab es in den vergangenen Jahren Dutzende Transfers. Haben Sie schon eine Standleitung nach Italien? Dürfen Sie überhaupt frei entscheiden?

Dieses Thema kommt in der Öffentlichkeit anders rüber, als es in der Wirklichkeit ist. Zugegeben: Am Anfang dachte ich genau das Gleiche. Mit Watford und Udinese Calcio verhält es so wie bei den Vereinen unter dem Dach von Red Bull. Wenn ein Spieler von Udinese Calcio dort nicht mehr gebraucht wird, lautet natürlich die erste Frage: Kann er uns in Watford weiterhelfen? Dann kommt er hierher, ehe er woanders hingeht. Umgekehrt ist es das Gleiche. Wenn ich einen Spieler gerne abgeben möchte, frage ich zuerst bei Udinese, ob es Bedarf gibt. So läuft es auch bei den Transfers zwischen Salzburg und Leipzig. Wir reden miteinander, wenn es um unsere Spieler geht, die letzten Entscheidungen im Sport habe ich. Wenn ich einen Spieler nicht möchte, wird er nicht verpflichtet.

Ich habe mit dem Besitzer darüber gesprochen, dass so viele Trainerwechsel schon ein bisschen heftig sind.

Ben Manga

In den letzten Jahren saßen über ein Dutzend Trainer auf der Bank, Watford war ein Schleudersitz. Wie wollen Sie dafür sorgen, dass jetzt Ruhe einkehrt? In Frankfurt erlebten Sie, wie wichtig Kontinuität ist.

Slaven Bilic kenne ich erst seit drei Wochen. Es gehört zu meiner Aufgabe, mir ein Bild der aktuellen Lage zu machen. Wir haben ein straffes Programm im Januar, wo wir alle die Ärmel hochkrempeln müssen. Was vorher war, kann ich nicht beeinflussen. Ich habe mit dem Besitzer aber natürlich auch darüber gesprochen, dass so viele Trainerwechsel schon ein bisschen heftig sind. Das ist ein Hauptgrund, wieso er mich geholt hat: um eine Konstanz und klare fachliche Linie in die sportlichen Entscheidungen zu bekommen.

Wie hoch ist Ihr Budget für Neuzugänge im Januar?

Es gibt kein konkretes Budget. Gino Pozzo will zwar investieren, aber nicht wie andere Klubs 18 oder 20 Millionen Euro für einen Neuzugang in die Hand nehmen. Er möchte, dass es so läuft wie in Frankfurt, wo wir Spieler wie Tuta, Evan Ndicka oder Daichi Kamada für zwei, drei, vier, fünf Millionen Euro geholt haben. Jung, günstig und gut - das ist unser Ansatz.

Bei Jesus Vallejo habe ich mit dem Spieler, seinem Berater und Real Madrid auf Spanisch gesprochen, Fredi hat die Verpflichtung dann finalisiert.

Ben Manga

Sie waren viele Jahre Chefscout, wie schwer fällt Ihnen die Umstellung ins Management?

Der Chefscout ist nicht nur in Frankfurt wie ein heimlicher Sportdirektor. Unter Fredi Bobic war ich im Endeffekt mit Bruno Hübner der Sportdirektor. Ich habe viele Termine mit Beratern und Vereinen gemacht und im Auftrag von Fredi Vorgespräche geführt. Ein Beispiel: Bei Jesus Vallejo habe ich mit dem Spieler, seinem Berater und Real Madrid auf Spanisch gesprochen, Fredi hat die Verpflichtung dann finalisiert. Das ist in Leverkusen, Wolfsburg oder Dortmund nicht anders. Die Chefscouts leisten die Vorarbeit, am Ende unterschreiben aber Simon Rolfes, Marcel Schäfer und Sebastian Kehl die Verträge. Der Sportdirektor hat wenig Zeit, um überall hinzufliegen. Er muss bei der Mannschaft sein, am Trainingsgelände, im Büro. Also muss der Sportdirektor eine rechte Hand haben, die Transfers vorbereitet. Unter Fredi Bobic war ich das, unter Markus Krösche ist es Timmo Hardung.

Bedeutet das auf Watford übertragen, dass Helena Costa, die mit Ihnen aus Frankfurt kam, die Vorarbeit leistet?

Genau, sie ist mein Chefscout und meine Assistentin, die viele Sachen vorbereitet, die wir besprechen. Aber wer wird am Ende gefeiert, wenn ein Transfer funktioniert? Normalerweise nicht Helena Costa, weil die Öffentlichkeit nicht weiß, was sie geleistet hat. Umso wichtiger ist die Wertschätzung, die man vom Chef erhält. Fredi Bobic hat während seiner Zeit in Frankfurt in jedem Interview die Scoutingabteilung gelobt. Das war eine Wertschätzung für Helena, mich und die anderen Scouts. Jetzt bin ich glücklich und zufrieden in Watford. Ich kann mich komplett entfalten, Helena geht in ihrer Arbeit auf, meine Scouts sind glücklich. Alle sehen, dass wir hier gemeinsam etwas entwickeln können.

Alle Interviewanfragen wurden von der Eintracht abgeblockt, ich wurde darüber nicht in Kenntnis gesetzt.

Ben Manga

Als Anfang 2021 Fredi Bobics Wechsel zu Hertha BSC publik wurde, verlängerte die Eintracht Ihren Vertrag und ernannte Sie zum Direktor Profifußball und Kadermanager. Tatsächlich schwand Ihr Einfluss jedoch. War die Beförderung ein Etikettenschwindel?

Meine Zeit bei der Eintracht war erfolgreich und gut. Ich möchte mir nicht anmaßen, Vergangenes zu kommentieren. Ich schlage ein neues Kapitel auf und bin sehr gespannt auf diese Herausforderung.

Eingespieltes Duo in Frankfurt: Fredi Bobic und Ben Manga - hier 2017.

Eingespieltes Duo in Frankfurt: Fredi Bobic und Ben Manga - hier 2017. imago/Jan Huebner

Trotz Anfragen des kicker und anderer Medien gaben Sie in Ihrer Funktion als Direktor Profifußball keine Interviews. Sie fanden in der Öffentlichkeit praktisch nicht statt. Lag das am Verein oder an Ihnen?

Teilweise wurde geschrieben, ich sei medienscheu, aber das stimmt nicht. Alle Interviewanfragen wurden von der Eintracht abgeblockt, ich wurde darüber nicht in Kenntnis gesetzt. Erfahren habe ich davon erst von den Journalisten persönlich.

Wie sah die Zusammenarbeit mit Markus Krösche aus? Prallten bei den Vorstellungen vom Scouting zwei Welten aufeinander?

Es gibt kein Richtig und kein Falsch. Ich möchte alles live sehen und bin kein Daten-Fan. Man kann die Daten allerdings nutzen, um die eigenen Eindrücke zu bestätigen oder zu widerlegen. Das machen wir auch. Ich möchte aber, dass meine Scouts jeden Tag oder zumindest jeden zweiten Tag in einem Stadion sitzen und sich vor Ort Eindrücke verschaffen. Im Stadion siehst und hörst du alles. Wenn du jeden Tag auf der Tribüne sitzt, erhältst du jeden Tag neue Informationen. Du bekommst zum Beispiel mit, wenn ein Elternteil erzählt, dass ihr Sohn schon zu Bayern München eingeladen wurde. Deshalb sind meine Scouts überall.

Kolo Muani? Da muss ich kurz mal die Handbremse ziehen.

Ben Manga

Wie war das Scouting, als Sie 2016 mit Fredi Bobic nach Frankfurt kamen?

Vor meiner Zeit kannte Frankfurt im Scouting kein Mensch. Jetzt redet jeder darüber, dass die Frankfurter überall sind. Früher waren aus Deutschland nur Gladbach, Leverkusen, Dortmund und Leipzig bei jedem Turnier. Zu meiner Zeit war die Eintracht dann ebenfalls überall vor Ort, wir kannten jeden Spieler. Nicht durch Videos und Daten, sondern über unser Live-Scouting. Wenn man sieht, welche Erfolge und Transfers dabei herausgekommen sind, war das nicht so schlecht. Mit unserer Transferstrategie konnte der Verein über 100 Millionen Euro Transfererlöse erwirtschaften. Ich erwarte von meinen Scouts unterwegs zu sein und sich Spiele und Spieler anzuschauen. So haben wir auch Luka Jovic und Ante Rebic geholt, deren Daten zu dem Zeitpunkt nicht empfehlenswert waren. Ich verschließe mich nicht dagegen, wenn andere Leute anders arbeiten, respektiere das. Ich wünsche der Eintracht und den Verantwortlichen alles Gute und hoffe, dass die Zeit des Erfolges lange bestehen bleibt. Wir hatten eine super Zeit zusammen mit vielen schönen Erinnerungen.

Ihr letzter Coup in Frankfurt war die Entdeckung von WM-Shootingstar Randal Kolo Muani, dessen Verpflichtung Sie in die Wege leiteten. Wird er einer der besten Stürmer Europas?

Da muss ich kurz mal die Handbremse ziehen. Der Junge verfügt über alle Fähigkeiten, die du als Stürmer brauchst. Aber er steht noch am Anfang seiner Karriere und muss seine Leistungen über viele Jahre bestätigen - wie ein Karim Benzema. Randal bringt aber alle Voraussetzungen mit, ist klar im Kopf und kann daher einer der prägenden Stürmer in Europa werden.

Interview: Julian Franzke

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