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Marin Scherb im Interview: "Die Königsdisziplin ist es, aus Talenten Profis zu machen"

Wo bleibt der Team-Nachschub?

Marin Scherb im Interview: "Die Königsdisziplin ist es, aus Talenten Profis zu machen"

Martin Scherb sieht den ÖFB-Nachwuchs gut aufgestellt.

Martin Scherb sieht den ÖFB-Nachwuchs gut aufgestellt. GEPA Pictures

Nach den Nations-League-Spielen hat Teamchef Ralf Rangnick eingestanden, dass Österreich auf den Außenverteidiger- und Stürmer-Positionen dünn besetzt ist. Gibt es eine Erklärung dafür, dass gerade die Außenverteidiger-Positionen so schwer zu besetzen sind?

Das ist ein Diskussionspunkt bei uns im ÖFB. Abgesehen davon, dass es eine sehr anspruchsvolle Position geworden ist, könnte ein möglicher Grund sein, dass früher im 4-3-3 auch zwei offensive Flügel quasi mitausgebildet wurden, die man dann auf die Außenverteidigerposition zurückziehen konnte. Im modernen 4-4-2 mit der Raute werden jetzt praktisch zwei Außenbahnspieler weniger ausgebildet.

Gibt es etwa mit Adis Jasic und dem verletzten Ziad El Sheiwi Hoffnung auf Besserung?

Beide sind top. Ziad, der technisch sehr gut ausgebildet ist, hat jetzt in der U 19 als linker Außenverteidiger extrem gefehlt. Aber auch Benjamin Atiabou von Liefering, der auf der rechten Seite spielt und schon einige Talentproben abgelegt hat, hat sich leider das Kreuzband gerissen. Adis Jasic hat bei mir in der U 19 immer zentral gespielt, beim WAC hat er aber seine Position als rechter und linker Außenverteidiger gefunden und macht seine Sache richtig gut. Er bringt für diese Position einen guten Grundspeed mit und hat auch die nötige Spielintelligenz. Sicher ein sehr talentierter Spieler.

Wie sehr können Sie als Leiter der ÖFB-Talenteförderung bei den Vereinen darauf einwirken, dass ein Spieler auf der Position spielen soll, auf der ihn der ÖFB braucht?

Wenn wir der Meinung sind, dass ein Spieler gute Anlagen für eine bestimmte Position mitbringt, tauschen wir uns natürlich mit dem Akademietrainer aus, sagen ihm, dass wir uns vorstellen können, dass der Spieler langfristig auf dieser Position Teamspieler sein könnte. Aber wir können nur eine Empfehlung aussprechen, auf welcher Position der Spieler dann ausgebildet wird, entscheidet der Klub oder die Akademie. Zumindest schauen wir aber, dass er die bei uns benötigten positionstechnischen Kompetenzen und taktischen Erfordernisse mitlernt.

Im Unterschied zu früher konzentrieren wir uns heute auf die Förderung der Stärken eines Spielers.

Martin Scherb

Wie sehr können Sie in den Nachwuchsteams darauf reagieren, welche Spieler im A-Nationalteam gebracht werden?

Der gravierende Unterschied zwischen Nationalteam und Klubmannschaft ist: Wir können uns keinen Spieler kaufen. Das heißt, wir müssen uns schon danach richten, welche Spieler wir zur Verfügung haben. Ich praktiziere zum Beispiel mit dem 2007er-Jahrgang ein 4-3-3 mit Mittelstürmer und zwei Flügeln, weil das den Stärken der Spieler entspricht, während beim 2003er-Jahrgang ein 4-2-3-1 das Hauptsystem war.

Ist der Nachfolger von Marko Arnautovic schon in Sichtweite? Was muss ein Stürmer heute mitbringen?

Wir glauben, dass wir mittelfristig diese Spieler auch im Angriff haben. Grundvoraussetzung für einen Stürmer ist einmal eine gute Handlungsschnelligkeit, dann gibt es natürlich verschiedene Stürmer-Typen. Den schnellen und quirligen Stürmer, den technisch besonders begabten und wenn es ein Mittelstürmer sein soll, muss er auch eine gewisse körperliche Größe und Stärke mitbringen. Im Unterschied zu früher konzentrieren wir uns heute auf die Förderung der Stärken eines Spielers. Wenn einer einen starken Rechten hat, werden wir nicht in erster Linie schauen, dass sein Linker auch annähernd so gut wird, sondern, dass sein Rechter eine richtige Waffe wird. Wenn ein Spieler einen super Schuss hat, dann schauen wir, dass wir ihn in Positionen bringen, wo er diese Schussstärke auch einsetzen kann. Wenn ein Spieler technisch sehr begabt ist, werden wir schauen, dass er eine Position spielt, wo er aufdrehen kann, ins Eins gegen Eins gehen und vorbei marschieren kann. Wenn einer schnell ist, werden wir versuchen, seine Schnelligkeit auszunützen.

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Kann man Muharem Huskovic zutrauen, bald im A-Team zu stürmen?

Der "Mucki" hat auf jeden Fall alle Anlagen. Leider hat er sich am Ende der vergangenen Saison verletzt und ist auch für die U-19-EM ausgefallen. Aber wenn er verletzungsfrei bleibt, wird er ein absoluter Top-Mann.

Was können Sie von ÖFB-Seite überhaupt tun, um aus Talenten fertige Spieler zu machen?

Ich glaube, wir haben in den letzten zwei Jahren Riesenschritte in der Talentförderung gemacht, was eine direkte Auswirkung auf die Spieler hat. Wir wissen, wo wir ansetzen müssen, sei es in der Sportwissenschaft oder in der psychologischen Betreuung, um einen hoffentlich hohen Output zu generieren. Aber wir können beim ÖFB nur die Rahmenbedingungen schaffen, mit Know-how helfen, entscheiden und ausbilden müssen die Vereine. Grundsätzlich haben wir festgestellt, dass es vor allem Verletzungen und falsche Entscheidungen sind, die im Alter von 18, 19 Jahren den weiteren Karriereverlauf behindern. In der U 15 oder U 16 sind die Talente vorhanden, die Kunst ist es, sie nach oben zu bringen. Da warten noch einige Hürden auf die Spieler. Die Königsdisziplin ist es dann, aus den Talenten Profis zu machen. Eine große Sorge ist, dass wir festgestellt haben, dass im Alter von 18, 19 Jahren besonders oft schwere Verletzungen passieren. Da müssen wir die Spieler im Training so unterstützen, dass sie den Übergang zum Erwachsenen-Fußball schaffen, dass sie körperlich bereit für die höheren Anforderungen sind. Ein 17-Jähriger braucht einfach ein ganz anderes Training als ein 32-Jähriger.

Auffällig ist, dass viele Söhne ehemaliger Spitzenspieler in den Nachwuchsteams zu finden sind. Bei Ihnen in der U 16 sind es Ilia Ivanschitz, Thierry Fidjeu-Tazemeta, in der U 19 hatten Sie Pascal Fallmann.

Zuletzt habe ich auch noch Nikolas Freund, den Sohn von Christoph Freund dazu genommen. Aber da ist mir schon wichtig zu sagen, dass die Burschen dabei sind, weil sie sehr viel Qualität mitbringen, nicht weil sie einen berühmten Papa haben.

Interview: Horst Hötsch