Mitte Mai bejubelte Muhammed Cham noch als Leihspieler von Austria Lustenau den Bundesliga-Aufstieg beim Auswärtsspiel in Horn vor 500 Zusehern. Nur etwas mehr als drei Monate später erwartete ihn mit seinem Stammklub Clermont Foot ein ausverkauftes Vélodrome in Marseille mit über 60.000 Fans. "Marseille war in meiner Karriere das bisherige Highlight, weil ich noch nie vor so vielen Fans und so einer Atmosphäre gespielt habe. Marseille hat die beste Atmosphäre in Frankreich, die verrücktesten Anhänger und das war ein wirklich besonderer Moment. Ich bin aber eine Person, die das ausblenden kann, weil ich solche Momente einfach nur genießen möchte", so der Offensivspieler im Gespräch mit dem kicker.
Ligue 1 - 8. Spieltag
Für Cham war es nicht das erste Highlight bei seiner Station in Frankreich: Bereits am ersten Spieltag durfte sich der 21-jährige Edeltechniker in der Startelf von Coach Pascal Gastien versuchen und traf dabei prompt auf das Starensemble von Paris Saint-Germain rund um die Traumoffensive Kylian Mbappé, Neymar und Lionel Messi. "Ein unbeschreiblicher Moment, den ich nie vergessen werde. Da stehst du ein paar Monate davor noch in Horn am Platz und plötzlich stehen Messi und Neymar neben dir. Da bist du bei den ersten Blicken schon aufgeregt, weil es doch Spieler sind, die ich nur von der Playstation oder aus dem Fernsehen gekannt habe und plötzlich sind wir auf dem selben Platz. Ich kann das während des Spiels aber gut ausblenden und mich auf mein eigenes Spiel konzentrieren. Es sind aber Momente, für die man Fußball spielt und die einen sehr stolz machen", erzählt Cham über seine erste Begegnung mit den Topstars der Liga.
Clermont-Versprechen wurden eingehalten
Es sollte nicht sein einziger Startelfeinsatz bleiben, aktuell stehen sechs weitere zu Buche. Seine Ausbeute mit drei Toren und einem Assist in sieben Pflichtspielen macht Cham stolz: "Es ist ein Traumstart, so wie es bislang für mich in Frankreich gelaufen ist. Ich habe zwar am Anfang zwei, drei Wochen gebraucht, um hineinzukommen, doch seitdem läuft es einfach nur gut. Seit zwei Jahren war mir klar, was der Verein mit mir vorhat. Da gab es gewisse Dinge, an denen ich arbeiten musste und das habe ich die letzten beiden Jahre getan. Im Sommer war dann klar, dass ich zu den Spielern für das Profiteam gehöre und es macht mich sehr stolz, dass ich direkt schon meine Minuten bekomme und meine Scorerpunkte mache. Es geht aber natürlich immer weiter."
Es ist schön, dass es nicht nur heiße Luft war, sondern am Ende auch von den Personen dort umgesetzt wurde.
Muhammed Cham über den Plan von Clermont
Mit Cheftrainer Gastien, der bereits seit 2017 beim Klub aus dem Zentrum Frankreichs südlich von Paris tätig ist, konnte Cham auch gleich auf einen Fürsprecher zählen, der bei seinem Wechsel 2020 von der Admira ein wichtiger Faktor war. "Das hat sehr geholfen, weil der Coach mir immer wieder gesagt hat, dass er mich für seine Mannschaft braucht, wenn ich an gewissen Sachen arbeite. Auch nach meinem Leihjahr in Lustenau hat er mich angerufen und mir klar gesagt: 'Du wirst bei mir spielen und du wirst mein Zehner sein'", erklärt Cham, dessen Entscheidung, den Schritt aus der Südstadt Richtung Frankreich zu machen, absolut aufging. "Es wurde mir vom ersten Tag ein gutes Gefühl gegeben, dass sie auf mich zählen, wenn meine Entwicklung stimmt. Ich habe auch nie daran gezweifelt, weil sie mir während meiner Leihstationen immer wieder klargemacht haben, dass ich dem Weg vertrauen soll. Es ist schön, dass es nicht nur heiße Luft war, sondern am Ende auch von den Personen dort umgesetzt wurde."
Dabei musste der dribbelstarke Offensivprofi in seiner Anfangszeit beim französischen Erstligisten durchaus Geduld beweisen. Kurz nach seinem Transfer folgte der leihweise Wechsel zu Vendsyssel nach Dänemark, wo der ehemalige Nachwuchsspieler des VfL Wolfsburg ("Eine der besten Stationen, die du in Deutschland haben kannst") erstmals auf sich alleine gestellt war: "Die Zeit dort hat mich mental sehr stark gemacht und war die perfekte Vorbereitung auf Lustenau, wo ich für meine harte Arbeit davor die Früchte geerntet habe."
Lustenau "für meine Entwicklung ideal"
In Lustenau folgte die Leistungsexplosion mit 15 Toren und zwölf Assists, dazu die Auszeichung zum besten Spieler der 2. Liga. "Natürlich zweifelt man zunächst daran, in die 2. Liga zu gehen, wenn man zuvor schon Bundesliga gespielt hat. Da habe ich mir schon Gedanken gemacht", gibt Cham zu, dessen Transfer nach Vorarlberg sich aber als absoluter Goldgriff für beide Seiten herausstellen sollte. "Ich hatte dort aber einen super Trainer, eine super Mannschaft mit tollen Mitspielern, die mir diese Gedanken sehr schnell weggenommen haben. Ich habe mich in Lustenau extrem wohlgefühlt und am Ende des Tages war es der perfekte Schritt, den ich im letzten Jahr machen konnte. Ich habe gezeigt, dass man auch in der 2. Liga auffällig sein kann, wurde dann auch in die U 21 berufen und habe meine Spiele bekommen. Für meine Entwicklung war das ideal."
Nun heißt die Gegenwart aber Clermont, wo er sich mit seinen Leistungen auch für das österreichische Nationalteam empfehlen konnte und schließlich mit der erstmaligen Einberufung durch Teamchef Ralf Rangnick belohnt wurde. "Ich habe es auch erst im Internet bei der Kaderbekanntgabe erfahren, dass ich dabei bin und hatte gemeinsam mit der Familie eine sehr große Freude. Ich wusste zwar, dass ich in Österreich jetzt vielleicht am Radar bin, aber ich habe nicht gedacht, dass es so schnell gehen kann, weil ich vor wenigen Monaten doch noch in der 2. Liga war."
Nach vier Einsätzen für das U-21-Team - den letzten absolvierte er erst Ende März - geht es für Cham nun eine Stufe höher zur Sache. Neben Romano Schmid und Nicolas Seiwald, die er beide schon aus der Nachwuchsnationalelf kennt, heißen seine Teamkollegen nun auch David Alaba, Marko Arnautovic und Marcel Sabitzer. "Das sind alle super Jungs, die mich direkt sehr gut aufgenommen haben. Als junger Spieler schaust du zu ihnen auf und willst natürlich auch so viel wie sie erreichen. Da ist es einfach unglaublich, mit ihnen gemeinsam am Trainingsplatz zu stehen und trainieren zu können", freut sich Cham auf die kommenden Tage mit den erfahrenen Profis.
Cham will "Schwung" ins ÖFB-Team bringen
Dort könnte er ausgerechnet beim Spiel gegen seine aktuelle Wahlheimat Frankreich das Debüt für das A-Team geben. Cham gibt sich in dieser Hinsicht aber noch entspannt: "Natürlich bin ich hier, um am Ende des Tages auch zu spielen, aber es ist für mich einfach sehr wichtig, dass ich meine Zeit hier mit diesen Mitspielern genieße. Ich will auch viel mitnehmen vom Trainer, weil er mir für meine weitere Entwicklung einiges mitgeben kann und das ist in diesem Lehrgang das Wichtigste für mich."
Ich denke, dass ich auf jeden Fall einen gewissen Schwung reinbringen kann. Ich bin nun mal ein Straßenkicker und agiere dadurch etwas frecher.
Muhammed Cham
Von Teamchef Rangnick für sein Tempodribbling gelobt, hofft Cham mit seinen Fähigkeiten auch für die nötige Lockerheit und Frische im Spielsystem des ÖFB-Teams zu sorgen: "Ich denke, dass ich auf jeden Fall einen gewissen Schwung reinbringen kann. Ich bin nun mal ein Straßenkicker und agiere dadurch etwas frecher. Ich weiß noch nicht genau, wie der Coach spielen möchte, was er genau mit mir vorhat, aber so wie ich das mitbekommen habe, gibt er mir schon die Freiheiten, sodass ich mein Spiel machen darf."
Deutsche Bundesliga als nächstes Ziel
Es sind aufregende Zeiten für den 21-Jährigen, der bei Clermont Foot noch bis 2026 unter Vertrag steht und hofft, bei seinem Klub noch ein paar Mal für Jubelerlebnisse zu sorgen: "Ich möchte eine volle Saison spielen, auf möglichst viel Spielzeit kommen und den Klassenerhalt mit dem Team bejubeln. Dabei will ich der Mannschaft mit so vielen Toren und Assists wie möglich helfen."
Nations League
Und sollte die Entwicklung weiter so vorangehen, hat der technisch starke Offensivprofi auch eine klare Vorstellung, in welcher Topliga er sich gerne einmal beweisen würde: "Ich bin ein Fan der deutschen Bundesliga und möchte dort in Zukunft auf jeden Fall irgendwann bei einem Topklub spielen. Aber auch in Frankreich, weil ich das Land sehr mag. Es gibt aber viele Länder wie England, wo du auch jede Woche gegen Topmannschaften spielst. Mein nächster Step wäre aber Deutschland."