Champions League

Uwe Rösler im Interview: "Viele gönnen City den Erfolg nicht"

Ex-Stürmer der Skyblues gibt einen Final-Tipp ab

Rösler im Interview: "Viele gönnen City den Erfolg nicht"

Schaut sich von Pep Guardiola einiges ab: Trainer und City-Legende Uwe Rösler.

Schaut sich von Pep Guardiola einiges ab: Trainer und City-Legende Uwe Rösler. IMAGO/Gonzales Photo

Als Stürmer schoss er zwischen 1994 und 1998 insgesamt 66 Tore in 177 Spielen für Manchester City, die Fans widmeten ihm Lieder und wählten ihn in die Ruhmeshalle des Klubs, als zweiten Deutschen nach Bert Trautmann: Uwe Rösler, aktuell Trainer in Dänemark bei Aarhus GF, verfolgt seinen Ex-Verein mit ganzem Herzen. Dabei hat er in seiner aktiven Zeit keineswegs nur die Glanzzeiten der Skyblues erlebt, sondern auch einen Abstieg in die 2. Liga.

Herr Rösler, welche Privilegien genießt ein Hall of Famer bei einem Verein wie Manchester City?

Der Verein hat sich immer um mich gekümmert, beispielsweise bei meiner Krebserkrankung oder beim Umzug 2010 zurück nach Manchester. Man wollte mich auch in die Akademie einbinden, aber ich habe mich damals für den Cheftrainerjob in Brentford entschieden. Der Kontakt ist nie abgerissen, auch wenn Corona und meine Tätigkeiten als Coach regelmäßige Besuche fast unmöglich gemacht haben, dabei gibt es immer wieder Einladungen.

Auch zum Finale nach Istanbul?

Ja. Da will ich mal wieder live dabei sein. City ist jetzt reif für den Champions-League-Sieg. Wir haben oft genug angeklopft an die Tür zu diesem Titel - das Triple wäre die Krönung.

Seit Jahren verkauft der Verein aus seiner Akademie zahlreiche Spieler für viel Geld.

Uwe Rösler über den "Businessplan" von Manchester City

Viele sagen: Das ist ja kein Wunder, wenn Geld aus Abu Dhabi in unbegrenzter Menge vorhanden ist.

Ich glaube nicht, dass es in unbegrenzten Mengen fließt. City verfolgt ganz klar seinen Businessplan. Seit Jahren verkauft der Verein aus seiner Akademie, die eine der besten nicht nur in England ist, zahlreiche Spieler für viel Geld. Auch darum steht City inzwischen auf gesunden Füßen.

Die Frage bleibt, ob beim Aufbau alles mit rechten Dingen zuging. Die Premier League ermittelt in mehr als 100 Fällen gegen City, unter anderem wegen unerlaubten Finanzdopings. Fürchten Sie nicht harte Konsequenzen der Liga?

Nein. Ich kenne die Fälle nur aus den Medien und auch die Haltung von Manchester City dazu, das die Regelverstöße klar von sich weist. Aber natürlich mussten die Eigner, auch früher schon Thaksin Shinawatra, Geld in den Verein investieren, um die Rückstände zur Spitze in der Premier League zu verkürzen.

Rösler glaubt an "harte, sehr clevere Arbeit"

Der Verein war aber auch von der UEFA schon für zwei Jahre wegen Verstößen gegen das Financial Fairplay ausgeschlossen, ehe City im Juli 2020 vor dem Sportgerichtshof CAS Erfolg mit seinem Einspruch hatte.

Also ist City in höchster Instanz nicht für schuldig befunden worden (dabei spielten auch Verjährungsfristen eine Rolle, Anm. d. Red.). Und ich bin guter Hoffnung, dass das auch bei den neuen Untersuchungen der Fall sein wird. Man ist durch harte, auch sehr clevere Arbeit auf allen Ebenen zu Erfolg gekommen. Sportlich wie beim Image. Auch das sollte man bei der Bewertung nicht vergessen. Denn ich weiß, dass viele City den Erfolg nicht gönnen.

Zu Ihrer aktiven Zeit in den 90ern spielte City noch an der Maine Road, teils in der 2. Liga, nach Ihrem Abschied später sogar in der 3. Liga. Ist der Verein heute mit dem von damals vergleichbar?

Die Tradition ist noch immer da. Aber die Leute sind natürlich andere, es ist auf der sportlichen Ebene ein großer spanischer Einfluss im Verein, mit Pep Guardiola, mit Manager Soriano oder Sportdirektor Begiristain. Alles ist viel internationaler, moderner aufgestellt. Aber in 30 Jahren hat sich vieles verändert, nicht nur ein Fußballklub.

Uwe Rösler, Paul Ince

Manchester-Derby 1995: City-Stürmer Uwe Rösler (li.) gegen Uniteds Paul Ince. imago images

War nun früher alles schlechter?

Ganz und gar nicht. United war damals schon der globale Verein und City der typisch englische Arbeiterklub in Manchester. Wir hatten zwar Abstiegssorgen, aber auch eine sehr stabile, traditionelle Fanbase mit oft 5000 Leuten auswärts.

Der 1. FC Nürnberg erhielt 1994 für Sie eine halbe Million Pfund Ablöse. Für City ein gutes Geschäft, Sie schossen in Ihrer ersten vollen Saison 15 Tore.

Das war okay für City, aber auch für Nürnberg. Ich habe jedenfalls in den viereinhalb Jahren bei City meine schönste Zeit als Fußballer erlebt. Der Abstieg 1996 war natürlich bitter, aber die Maine Road war einfach legendär und auch in der 2. Liga immer ausverkauft. Und trotzdem war das Stadion später der Gamechanger.

Inwiefern?

Manchester hatte ein Stadion gebaut für die Commonwealth Games 2002, das baute sich City danach auf eigene Kosten um und verließ die Maine Road. Ab da erst war der Klub wirklich attraktiv für einen Investor. 2007 hat Shinawatra aus Thailand übernommen, und später hat er den Klub dann an Scheich Mansour verkauft.

Leute in meinem Alter haben die tristen Zeiten mitgemacht und genießen jetzt jeden einzelnen Titel.

Uwe Rösler über Citys Fanbase

Wie sehen Sie die Atmosphäre rund um den Verein heute?

Haben Sie auch den Eindruck, dass sehr viele derzeit nur der Erfolge wegen City-Fans sind? Es gibt diese lokale Verwurzelung bei den Leuten in meinem Alter noch, die haben die tristen Zeiten mitgemacht und genießen jetzt jeden einzelnen Titel. Das freut mich für sie. Aber wir leben im Social-Media-Zeitalter, City promotet seine Erfolge weltweit, dazu gibt es die Satellitenvereine der City-Group. Ganz normal, dass so auch neue Anhänger angelockt werden.

Im Halbfinal-Rückspiel gegen Real immerhin war die Stimmung im Stadion prächtig.

Pep hat das auch vorher schon einige Male angesprochen, dass er sich mehr Leidenschaft auch auf den Tribünen wünscht. Es darf ruhig ein Stück mehr Liverpool sein. Gegen Real war der Support voll da, das hilft dann auch der Mannschaft.

War die erste Halbzeit gegen die Königlichen der perfekte Fußball?

Das wäre fast unfair, weil es auch sonst schon Halbzeiten oder ganze Spiele unter Pep gab, die womöglich sogar noch besser waren. Aber gegen solch einen Gegner in einem Halbfinale unter all dem Druck so aufzutreten, das war schon außergewöhnlich.

Was sich Rösler bei Guardiola abschaut

Sie sind selbst seit Langem Trainer. Was schauen Sie sich von Guardiola ab?

Da gibt es so viele Details. Das Positionsspiel, die Spieleröffnung, die Wege im letzten Drittel, die Besetzung der Box, wie aggressiv sie pressen, wie sie die Viererkette verschieben und so weiter.

Was macht ihn aus Trainersicht so speziell?

Dass er absolut zu seiner Philosophie steht. Und dass er immer wieder eine Mannschaft erneuern kann, in puncto Personal und auch Spielidee, denn die ändert er alle zwei, drei Jahre. Wenn man sieht, wie physisch stark City heute nicht nur in der Defensive ist, das hätte man von einer Guardiola-Mannschaft vor ein paar Jahren nie gedacht. Er findet immer wieder neue Nuancen, um nicht ausrechenbar zu sein und mit neuer Dynamik weitere Titel zu gewinnen.

Im Finale sind wohl kaum Experimente von ihm zu erwarten. Im Gegensatz zu früher.

Wir lernen alle dazu. Pep weiß, welche Entscheidungen gut waren und welche vielleicht nicht so gut. Die Besten ziehen daraus knallharte und ehrliche Schlüsse für sich selbst. Und Pep ist der beste Trainer der Welt.

Seine Entwicklung ist unglaublich.

Uwe Rösler über Manuel Akanji

Wie gelingt es ihm, Spieler immer wieder besser zu machen? Beispielsweise John Stones oder den Ex-Dortmunder Manuel Akanji.

Akanji ist nicht mehr der gleiche Spieler wie beim BVB, seine Entwicklung ist unglaublich. Oft brauchen Spieler unter Pep ein Jahr, um sich an das Positionsspiel, an all die neuen Aufgaben im Spiel etc. zu gewöhnen, siehe Grealish, siehe Rodrigo. Aber manche sind eben schneller, wie Akanji.

Ruckzuck ging es auch bei Erling Haaland. Hatten Sie als früherer Stürmer erwartet, dass er nur annähernd so einschlägt?

Bei seinem letzten Jahr in Dortmund hatte er auch wegen Verletzungen einige Schwankungen. Darum war nicht zu erwarten, dass er die Premier League gleich kurz und klein schießt. Wie er sich weiter verbessert hat, in allen Bereichen, ist zunächst ihm selbst zuzuschreiben. Aber zugleich wiederum dem Trainer, der ihn führt und manchmal zur Schonung rausnimmt, auch wenn er unbedingt noch zehn Tore mehr schießen will.

Real hatte ihn meist gut im Griff. Wie wird es für Haaland laufen gegen die körperlich sehr robuste Dreierreihe von Inter?

Das wird kein Spaß für ihn, aber Erling wird auch hier seine Stärken einbringen. Und wenn er zugestellt ist, hat City ja noch Kevin De Bruyne, Jack Grealish, Bernardo Silva oder Ilkay Gündogan, alles nicht nur grandiose Vorbereiter, sondern auch ganz starke Finisher. Sie sind in dieser Masse kaum zu stoppen.

Rösler erwartet ein Finale auf Augenhöhe

Und wie geht das Finale aus?

Insgesamt wird das bestimmt ein Spiel auf Augenhöhe. Inter ist als Gegner furchtbar unbequem, defensiv bärenstark und durch Lautaro Martinez, Lukaku und Dzeko auch nach vorne gefährlich. Da gilt es, die Nerven zu bewahren. City nutzt seine Erfahrung vom verlorenen Finale 2021 und gewinnt 2:1.

Welche Mitglieder der aktuellen Mannschaft werden irgendwann einziehen in die Hall of Fame?

Das gesamte Team kann in Istanbul unsterblich werden. Wenn man sieht, was die aktuell leisten, dann sind sie wohl nur noch mit der Triple-Mannschaft 1999 von United zu vergleichen oder den Invincibles von Arsenal. Viel mehr darüber geht nicht.

Interview: Martin Gruener

13 verschiedene Klubs, zwei deutsche: Alle Champions-League-Sieger seit 1993