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Spakenburgs historische Nacht: "Das letzte Mal war ich um vier zu Hause"

Niederländischer Drittligist wünscht sich im Halbfinale Feyenoord

Spakenburgs historische Nacht: "Das letzte Mal war ich um vier zu Hause"

Siegerfoto: Nach der Pokalüberraschung posierten die Spieler vor den mitgereisten Anhängern.

Siegerfoto: Nach der Pokalüberraschung posierten die Spieler vor den mitgereisten Anhängern. IMAGO/Pro Shots

"Wir werden versuchen, mit Mumm zu spielen. Wir wollen unser eigenes Gesicht zeigen, und dann ist es keine Schande, zu verlieren. Und wenn alles gut geht ...", erklärte Chris de Graaf, Trainer vom niederländischen Drittligisten SV Spakenburg noch vor dem Viertelfinale im KNVB Beker am vergangenen Dienstag beim FC Utrecht gegenüber "Volkskrant".

Es sollte für seine Mannschaft tatsächlich "alles gut gehen". Spakenburg wurde für seinen mutigen Auftritt belohnt. Sinnbildlich dafür stand bereits das Führungstor durch Wimilio Vink. Der 29-Jährige hämmerte den Ball schon in der 12. Minute volley in die rechte Ecke. Es folgten noch drei weitere Treffer von der SVS: Letztlich gewannen die Gäste mit 4:1 beim Erstligisten und ließen sich von ihren mehr als 3000 mitgereisten Fans, die nur einen kurzen Weg zum Auswärtsspiel hatten, feiern. 

Nur zwei Amateurvereine erreichten vorher das Halbfinale

Durch den Erfolg schrieben die Spakenburger Geschichte im niederländischen Pokal. Denn vor Spakenburg standen erst zwei weitere Amateurvereine im Halbfinale des niederländischen Pokals: Zuletzt VV Sint Bavo (2015/16) und davor Spakenburgs Stadtrivale VV IJsselmeervogels (1974/75). Für beide Teams war im Halbfinale aber Schluss: Bavo verlor 0:3 gegen Utrecht und VV IJsselmeervogels ging mit 0:6 gegen Twente unter. 

Dass Spakenburgs Erfolg gegen einen Erstligisten aber kein Zufall war, beweist die 2. Hauptrunde. Denn dort warf der Drittligist mit dem FC Groningen bereits ein Team aus der Eredivisie aus dem Pokal (3:2).

Dennoch war die Leistung gegen Utrecht noch eindrucksvoller: "Irgendwann wurden wir komplett überrollt (von Groningen; Anm. d. Redaktion ). Das ist jetzt nicht mehr passiert. Wir hatten eigentlich gar nicht so viele Probleme", verglich der Trainer im Interview mit "ESPN" beide Spiele und führte aus: "Utrecht hat auch nicht viele Chancen kreiert. Ich kann es eigentlich nicht glauben, aber analytisch betrachtet, habe ich mir in der Schlussphase gedacht: Worüber machen wir uns eigentlich Sorgen?"

Ich habe bereits die Tickets für die Europa League gebucht.

Wimilio Vink

Die Sorgen wichen beim 35-Jährigen, der bereits seit seinem fünften Lebensjahr dem Verein angehört, nach dem Schlusspfiff dem Stolz. "Wir haben schwierige Zeiten hinter uns, mit schlechten Ergebnissen und allem Möglichen drum herum. Und dann bin ich so verdammt stolz, dass ich meinen eigenen Verein ins Pokalhalbfinale führen darf", so de Graaf.

Während der Coach noch über die Partie philosophierte, träumten seine Spieler schon vom Pokaltriumph. "Ich habe bereits die Tickets für die Europa League gebucht", erklärte Torschütze Wink, der wohl genau wie seine Mitspieler am Mittwoch nicht auf der Arbeit erschien: "Das letzte Mal war ich um vier zu Hause, diesmal wird es wohl später werden. Ich glaube nicht, dass ich morgen zur Arbeit gehen werde", erläuterte Kapitän Floris van der Linden am Dienstagabend.

Halbfinal-Wunschlos: Feyenoord

Mit Blick auf das Halbfinale hat der Außenseiter auch ein Wunschlos. Spakenburg sehnt sich regelrecht nach einem Gastspiel beim Tabellenführer der Eredivisie Feyenoord Rotterdam. "Feyenoord ist nicht Fußball, es ist ein Leben. Spakenburg ist ein Teil deiner Identität, von dem, was du bist und was du tust", zog de Graaf ein Vergleich.

Im De Kuip würde der Trainer auf seinen ehemaligen Vorgesetzten John de Wolf, den aktuellen Co-Trainer von Feyenoord, treffen - de Graaf arbeitete als Assistenztrainer unter ihm bei Spakenburg. Vor der Partie in Utrecht hatte es bereits Kontakt zwischen den beiden gegeben und de Wolf lud seinen ehemaligen Schützling zu einem möglichen Halbfinale ein, sollte Spakenburg, wie vorher erwartet, ausscheiden. Doch bereits im Vorfeld der Partie hatte de Graaf eine Vorahnung: "Ich brauche keine Einladung, denn das wird Feyenoord-Spakenburg sein. Ich will zu diesem De Kuip gehen", verriet der SVS-Trainer seine Antwort auf die Einladung. 

Ich denke, die Art und Weise, wie wir spielen, ist vielleicht noch wichtiger als das Gewinnen.

Chris de Graaf

Welcher Verein am Samstag nun Spakenburg zugelost bekommt, darf sich auf eine mutige Mannschaft einstellen, wie die vom Coach erläuterte Spielphilosophie eindrucksvoll untermauert: "Ich denke, die Art und Weise, wie wir spielen, ist vielleicht noch wichtiger als das Gewinnen. Es ist eine Art Theateraufführung. Worüber freuen sich alle? Wenn ich einen Gegner komplett dominiere. Wenn ich nur kontern darf, gebe ich allen die Hand und bin weg" - vielleicht kürt sich Spakenburg eben durch diesen Mut zum ersten Amateurverein in einem KNVB-Beker-Endspiel.

aka