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WM 2022: Tabakovic traut Schweiz WM-Überraschung zu

Austria-Angreifer im Interview

Tabakovic traut Schweiz WM-Überraschung zu: "Möglich ist es auf jeden Fall"

Haris Tabakovic traut seinem Heimatland bei der WM viel zu.

Haris Tabakovic traut seinem Heimatland bei der WM viel zu. GEPA Pictures

Denis Zakaria, Christian Fassnacht, Renato Steffen oder Manuel Akanji: Austria-Stürmer Haris Tabakovic spielte bereits mit einigen aktuellen Teamspielern der Schweiz in der U 21 bzw. bei den Young Boys Bern und traut seinem Heimatland bei der Weltmeisterschaft in Katar durchaus eine Überraschung zu. Im Interview mit dem kicker analysiert der Angreifer den Kader der Eidgenossen, spricht über die starke Gruppe mit Brasilien und warum die "Nati" in der Außenseiterrolle überraschen könnte.

WM-Gruppenphase

Die Schweiz hat eine starke WM-Qualifikation gespielt, in der sie Europameister Italien hinter sich gelassen hat. Zudem konnte die Mannschaft bei Großturnieren immer wieder überzeugen. Darf man von einem Geheimfavoriten sprechen?

Sie als Geheimfavoriten auf den WM-Titel zu sehen, ist ein bisschen zu viel. Ich denke aber schon, dass die Mannschaft sehr großes Potential hat. Jeder Spieler spielt dort auf Topniveau in Topligen. Die Gruppe wird schwierig, aber wenn man diese übersteht, kann alles passieren. Dann muss man von Spiel zu Spiel schauen, aber ich glaube schon, dass vieles möglich ist.

Der Kader ist mit sehr vielen erfahrenen Spielern und ein paar jüngeren Talenten bestückt. Wie sehen Sie die Mannschaft aufgestellt?

Ich finde, die Mannschaft ist sehr gut aufgestellt. Man hat kaum Verletzte im Vergleich zu anderen Teams wie etwa Frankreich, wo viele Stammspieler verletzt ausfallen. Das ist bei der Schweiz nicht der Fall. Es sind alle dabei. Ich glaube auch, dass viele Profis im guten Rhythmus und mit viel Selbstvertrauen zum Turnier kommen, weil viele von ihnen bei Mannschaften spielen, die im Herbst sehr gut performt haben. Zudem hatte man davor sehr gute Spiele in der Qualifikation, wo man Italien geschlagen hat. Das Team ist sicher gut eingespielt, mit Murat Yakin haben sie zudem einen Taktikfuchs als Trainer. Der hat sich da sicher etwas überlegt. Wenn Sie Kamerun im ersten Spiel schlagen, dann kann man sich schon etwas ausrechnen. Auch wenn mit Serbien und vor allem Brasilien noch zwei weitere starke Gegner warten, aber die Schweiz hat gegen Topmannschaften bislang immer sehr gute Spiele gezeigt. Brasilien ist aber ein Titelfavorit, da wird man sehen, was möglich ist. Es ist alles offen.

Die Gruppe der Schweiz ist mit Brasilien, Serbien und Kamerun stark besetzt. Worauf wird man gegen diese Gegner besonders achten müssen?

Das wichtigste Spiel ist der Auftakt gegen Kamerun. Sollte man da gewinnen, kann das etwas beim Team auslösen und viel Selbstvertrauen für die nächsten zwei Spiele bringen. Es sind alles Topmannschaften in dieser Gruppe. Serbien hat super Spieler, über Brasilien müssen wir nicht reden. Aber auch bei Kamerun gibt es viele Profis, die in der Premier League oder anderen Topligen unterwegs sind. Das erste Duell wird wegweisend sein. Wenn da der Einstieg glückt, hat man als nächstes das Brasilien-Spiel und dann noch ein Finale gegen Serbien.

Ist eine Überraschung gegen Brasilien möglich?

Wieso nicht? Eine WM ist immer etwas anderes. Es gibt immer eine gewisse Grundnervosität. Man weiß nicht, was passiert. Plötzlich fällt ein frühes Tor und dann kann das Spiel in alle Richtungen gehen. Möglich ist es auf jeden Fall.

Wie Sie bereits angesprochen haben, kann Nationalcoach Murat Yakin im Gegensatz zu anderen Teams auf seinen gesamten Kader zurückgreifen. Welcher Vorteil kann sich dadurch für die Schweiz ergeben?

Es ist sehr wichtig, dass der Trainer alle Spieler zur Verfügung hat, denen er vertraut und auf die er in den Spielen davor gesetzt hat. Das ist eine eingespielte Truppe und es ist auf jeden Fall ein Vorteil, dass alle dabei sind. Ich denke, Frankreich ist die einzige Nationalmannschaft, die sich solche Ausfälle erlauben kann, weil die auf jeder Position gefühlt fünf Topspieler haben. Wenn da mal jemand ausfällt, kann man den ersetzen. In der Schweizer Nationalmannschaft gibt es zwar auch viele Topspieler, aber wenn da jemand ausfällt, gibt es schon einen Qualitätsunterschied.

Einige Nationalspieler kennen sie ja noch aus Zeiten bei den Young Boys bzw. aus der U-21-Mannschaft. Wie würden Sie das Team qualitativ einschätzen?

Ich finde schon, dass im Team eine sehr hohe Qualität herrscht. Der Mix aus erfahrenen und jungen Spielern ist sehr gut. Sie haben einige wirklich gute Profis. Denis Zarkaria, mit dem ich zusammengespielt habe, ist aktuell bei Chelsea, Manuel Akanji bei Manchester City, Granit Xhaka spielt bei Arsenal eine unglaubliche Rolle, Breel Embolo zeigt bei Monaco auf und mit Yann Sommer haben sie auch einen sehr starken Torhüter. Das sind schon einige Spieler, die auf Toplevel spielen und es auch geschafft haben. Da ist vieles möglich.

Besteht noch Kontakt zu Profis aus der damaligen gemeinsamen Zeit?

Nein. Wir schreiben uns nicht direkt. Man folgt sich einfach auf Instagram, man liked gegenseitig Fotos, aber es ist nicht so, dass man aktiv hin- und herschreibt.

Man wird auch die Geistesblitze von Xherdan Shaqiri brauchen, denn so einen Riecher haben nur wenige in der Mannschaft.

Haris Tabakovic

Auch mit Manuel Akanji, der aktuell für Manchester City am Platz steht, haben sie in der U 21 zusammengespielt. War es schon früh zu erkennen, dass er so eine Karriere hinlegen würde?

Man hat damals definitiv gesehen, dass er ein Riesentalent ist. Er bringt auch körperlich sehr viel mit, eine gewisse Schnelligkeit und Robustheit. Ich finde aber, dass er damals einen Riesenstep gemacht hat. Er war zu unserer gemeinsamen U-21-Zeit noch bei Winterthur in der 2. Liga und ist dann zu Basel gewechselt, was schon ein großer Sprung war, weil Basel da noch die klare Nummer eins in der Schweiz war. Dort hat er schon eine enorme Entwicklung hingelegt. Es war unglaublich, wie ruhig er die Bälle gespielt hat und was er im Spiel ausgestrahlt hat. Dann ist es gekommen, wie es kommen musste. Er hatte generell kaum Verletzungen. Es war nur eine Kreuzbandverletzung, von der er noch besser zurückgekommen ist. Das zeigt einfach, dass er spielen kann. Er macht das auch bei Manchester City sehr gut, was ich nicht erwartet habe. Ich habe gedacht, er wird zu Beginn mehr Probleme haben, weil die Konkurrenz sehr groß ist. Es ist eine neue Liga ist und er hat bei Dortmund davor in der Vorbereitung auch wenig gespielt, weil er auf der Außenbahn spielen musste. Da wird aber noch mehr kommen.

Sehen Sie einen konkreten Schlüsselspieler im Team der Schweiz?

Nein, da muss schon alles über das Team kommen. Es gibt natürlich wichtige Spieler wie eben Granit Xhaka oder Manuel Akanji, die für die entscheidenden Momente sorgen können. Man wird auch die Geistesblitze von Xherdan Shaqiri brauchen, denn so einen Riecher haben nur wenige in der Mannschaft. Wenn er einen guten Tag hat, macht er unglaubliche Tore, wie wir schon bei vergangenen Welt- und Europameisterschaften gesehen haben. Das wird wichtig für das Offensivspiel sein.

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Ein Schlüssel zum Erfolg ist die kompakte Defensive. Was macht diese unter Murat Yakin so stark?

Murat Yakin hat schon bei seinen Stationen davor den Fokus sehr stark auf die Defensive gelegt. Natürlich hat er auch in der Offensive viel Expertise, aber er konzentriert sich vor allem darauf, dass die Abwehr kompakt steht und wenig Tore bekommt. Danach kommt das Offensivspiel. Da hat er die Schweiz sehr stabilisiert.

Mit Alexander Frei, Marco Streller etc. hatte die Schweiz schon immer gute Offensivleute zu bieten. Gibt es jemanden, den Sie sich als Vorbild genommen haben?

Als Vorbild nicht, aber ich habe die Stürmer aus der Schweiz natürlich immer verfolgt. Neben Alex Frei vor allem Marco Streller, weil der damals ein ähnlicher Spielertyp war wie ich (lacht). Auch Haris Seferovic oder Breel Embolo, mit dem ich zusammen in der U 21 gespielt habe, waren immer im Blickfeld. Seferovic ist ein großer Boxstürmer, Embolo ein kräftiger und sehr schneller Angreifer. Da hat man vorne ein wenig von allem und eine gute Breite.

Ich erhoffe mir viel von ihm und habe hohe Erwartungen. Ich bin überzeugt, dass er eine gute WM spielen wird.

Haris Tabakovic über Noah Okafor

Mit Philipp Köhn und Noah Okafor sind auch zwei Spieler aus der österreichischen Bundesliga dabei. Vor allem auf Okafor werden großen Stücke gehalten. Was erwarten Sie von ihm bei der WM?

Er hat sich die Nominierung redlich verdient, weil er bereits in seinen ersten Nationalmannschaftseinsätzen seine Tore gemacht und super Leistungen gezeigt hat. Ich erhoffe mir daher viel von ihm und habe hohe Erwartungen. Ich bin überzeugt, dass er eine gute WM spielen wird.

Für die Schweiz ist es bereits die fünfte WM-Teilnahme in Folge. Für so ein kleines Land ist das keine Selbstverständlichkeit. Was wird dort alles richtig gemacht?

Die Jugendarbeit in der Schweiz ist einfach sehr gut und sehr weit fortgeschritten. Die Jugendmannschaften arbeiten sehr gut, es kommen immer wieder junge Talente hoch. Wir leben in einem Jugendland, es wird bereits sehr früh sehr viel auf junge Talente gesetzt, damit sie sich in der ersten Mannschaft festsetzen, dort spielen und dann auch für viel Geld verkauft werden können. Das zeigt einfach, dass man in der Schweiz von der Jugend bis zu den Profiteams eine super Arbeit macht. Heute macht man das sogar noch viel mehr als zu meiner Zeit, denn früher warst du als junger Profi Ergänzungsspieler in der ersten Mannschaft und hast auf deine Chance warten müssen. Heute werden die Kader so zusammengestellt, dass man wirklich auf die jungen Spieler baut und ihnen keinen älteren Spieler vor die Nase setzt. Man gibt den Jungen die Chance, dass sie sich durchsetzen können und hat immer die Zukunft im Blick.

Bei den vergangenen beiden WM-Turnieren war im Achtelfinale Schluss. Trauen Sie der Schweiz in diesem Jahr sogar noch mehr zu?

Zuerst muss man mal die Gruppenphase überstehen, das ist das Wichtigste. Dann traue ich ihnen alles zu. Es kommt auch darauf an, welchen Gegner man bekommt und was passiert. Dann wird man sehen, was möglich ist.

Mit Lucas Galvao haben Sie bei der Austria einen brasilianischen Teamkollegen. Gab es schon hitzige Diskussionen, wer sich im direkten Duell durchsetzt?

(lacht) Wir haben gerade eben erst gequatscht. Wir machen auch eine Wette für das Spiel und haben uns da gegenseitig schon etwas aufgezogen. Das Problem ist aber, dass die Partie genau am Montag stattfinde. Da werden wir beide in den Urlaub fahren und im Flieger sein. Wir können das daher nicht ordentlich verfolgen. Deshalb werden wir uns bei der Ankunft zusammenrufen und uns dann gegenseitig ein wenig auf den Arm nehmen, je nachdem, wie das Spiel ausgegangen ist. (lacht)

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