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Warnecke: "Wenn ich vor einem Marathon Rohkost esse, habe ich ein Problem"

Arzt und Ex-Schwimmer über Ballaststoffe

Warnecke: "Wenn ich vor einem Marathon Rohkost esse, habe ich ein Problem"

Die Ernährung für Sportler im Wettkampf ist komplex und besser ohne Rohkost.

Die Ernährung für Sportler im Wettkampf ist komplex und besser ohne Rohkost. AFP via Getty Images

Früher galten Ballaststoffe genau wie der Name schon verrät als reiner Ballast für den Körper. Heute haben sie einen besseren Ruf. Ihnen werden gleich mehrere gesundheitsfördernde Eigenschaften zugeschrieben. Klären wir erstmal, um was es sich bei Ballaststoffen überhaupt handelt.

Ballaststoffe wurden früher tatsächlich Ballaststoffe genannt, weil gedacht wurde, dass sie tatsächlich nur Ballast sind. Es handelt sich teilweise um komplett unverdauliche oder schwer verdauliche Kohlenhydrate, die den Darm fast unverdaut und ohne größeren primären Nutzen als Energieträger für den Körper wieder verlassen. Heute weiß man allerdings, dass diese Ballaststoffe sehr wohl eine Wirkung auf den Organismus haben. Es wird davon ausgegangen, dass die positiven Effekte deutlich überwiegen.

Den Ballaststoffen werden mitunter wahre Wunderwirkungen zugesprochen. Sie senken das Diabetesrisiko, wirken gegen Bluthochdruck, wirken positiv auf das Nervensystem, senken Darmkrebsrisiko… Was davon ist denn wahr?

Bei den meisten aufgezählten Themen existieren mittlerweile tatsächlich positive Studien und es verdichten sich die Aussagen immer mehr, dass Ballaststoffe wirklich gut für den Körper sind. Im Diabeteszentrum Ruhrgebiet wurde beispielsweise mit ballaststoffreichem Hafer gezeigt, dass selbst schwer therapierbare Diabetespatienten wieder besser eingestellt werden können. Das zeigt, dass mit einer ballaststoffreichen Ernährung positivere Effekte erzielt werden können, als nur mit Medikamenten alleine. Beziehungsweise können durch Hafertage neue Impulse gesetzt werden, wenn man mit Medikamenten nicht mehr weiterkommt. Das zeigt sehr deutlich, wie durch solche einfachen Hafertage, der Stoffwechsel positiv beeinflusst werden kann und welche großen Vorteile Ballaststoffe mit sich bringen können.

In welchen Nahrungsmitteln stecken besonders viele Ballaststoffe drin?

Natürlich sind in Vollkornprodukten mehr Ballaststoffe enthalten als in weiterverarbeiteten Weißmehlprodukten. In Roggenvollkorn, Haferflocken, Dinkel sind deutlich mehr Ballaststoffe drin als im normalen Weizenbrot oder Toastbrot. Gleichzeitig finden wir sie natürlich in Gemüse und Obst. Deswegen wird auch empfohlen, Kartoffeln mit Schale zu essen, denn dort finden sich besonders viele Ballaststoffe. Auch Feigen und Datteln sind reich an Ballaststoffen. Vor allen Dingen sind sie also in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten.

Kann etwas passieren, wenn ich zu viele Ballaststoffe zu mir nehme?

Da muss ich vorwegnehmen, dass die meisten Menschen eher zu wenig Ballaststoffe essen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt 20 bis 30 Gramm pro Tag. Allerdings könnte es passieren, wenn zu viele Ballaststoffe konsumiert werden, dass der Körper Mineralien ausschwemmt und es zu Verdauungsproblemen kommt. Wie bei allen Dingen stellt sich ab einem gewissen Punkt ein negativer Effekt ein. Durch die industrielle Ernährung fehlen unserer Ernährung aber wie gesagt eher die Ballaststoffe als andersrum. Deswegen kann ich, wenn ich auf ballaststoffreiche Ernährung achte, gewissen Zivilisationskrankheiten entgegenwirken.

Was müssen Sportler speziell beim Thema Ballaststoffe beachten?

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Das ist je nach Sportart unterschiedlich. Teilweise ist es schwierig, die nötige Menge an Ballaststoffen zuzuführen. Es gibt beispielsweise Sportarten, in denen drei Mal am Tag richtig hart trainiert wird, da gibt es wenige Zeitfenster. Beim Fußball ist es nicht so, da kann sich das der Spieler ganz gut einteilen und die Ballaststoffe gut zuführen.

Was ist das Problem, wenn ich öfter am Tag trainiere?

Wenn ich dreimal am Tag trainieren muss, ist es mitunter schwierig ein gutes Management zu finden. Ballaststoffe haben einen höheren Sättigungsgrad, dann kann es zudem passieren, dass ich weniger Kalorien zuführe. Dann belasten die Ballaststoffe den Körper und den Verdauungstrakt, weil sie schwer verdaulich sind und kein gutes Training zulassen.

Wie sind die Unterschiede zwischen Wettkampf und normalem Tagesablauf?

An normalen Tagen sollte auf die nötige Zufuhr von Ballaststoffen geachtet werden. Das heißt in der Praxis zum Beispiel ein Weißbrot durch ein Vollkornbrot zu ersetzen, was im Alltag problemlos einzubinden ist. Im Wettkampf sind Ballaststoffe indes nicht erwünscht, weil sie eben keine Energieträger sind.

Mark Warnecke

Mediziner Mark Warnecke. M. Warnecke

Wenn Athleten bei Wettkämpfen besonders gesund essen wollen und dann vor einem Salat sitzen, ist es das Falscheste, was sie tun können. Der Salat hat viele Ballaststoffe, dafür ist die Energiezufuhr sehr gering. Die Vitamine, die der Sportler dann zu sich nimmt, machen ihn auch nicht leistungsfähiger. Die "normale" Ernährung findet nicht am Wettkampftag, sondern über das ganze Jahr hinweg statt. Da muss ich meine ballaststoffreiche Ernährung unterbringen und nicht unmittelbar vor dem Sport.

Völlegefühl und Blähungen sind also schon ein Thema?

Logisch, das sind Nebenwirkungen. Es kann aber auch eine gewünschte Wirkung sein. Denn wenn ich eine Diät machen möchte, kann ich mit ballaststoffreicher Ernährung sehr viel erreichen. Sie machen mich satt, machen mich sogar länger satt, puffern den Blutzuckerspiegel und verhindern damit auch Heißhungerattacken. Bei einer Diät ist es also durchaus von Vorteil, wenn ich ein Völlegefühl habe, was mich beim Abnehmen unterstützt. Vor einem sportlichen Ereignis ist es natürlich kontraproduktiv. Wenn ich vor einem Marathonlauf Rohkost esse, habe ich definitiv relativ schnell ein Problem, weil der Körper das nicht verwerten kann. Kurzum: In der Belastung sind Ballaststoffe nicht förderlich.

Was ist von Ballaststoffpräparaten zu halten?

Wir selbst arbeiten mit einem Präbiotikum, das die "gute" Darmflora unterstützt und ernährt, womit die schlechte Darmflora verdrängt wird. Es ist ein Ballaststoff, der gleichzeitig auch satt macht und den Blutzuckerspiegel reguliert. Bei einigen Diätvarianten macht es durchaus Sinn, solche Präparate vor einer Mahlzeit zu sich zunehmen, um das Hungergefühl und im Endeffekt die Kalorienmenge zu reduzieren. Zudem wird eben auch die Darmflora positiv unterstützt, was sehr wichtig ist. Denn unsere Darmflora hat einen entscheidenden Anteil daran, wie wir uns fühlen und ganz allgemein an unserem Wohlbefinden. Ballaststoffpräparate können durchaus aktiv eingesetzt werden, aber es macht keinen Sinn, enorme Mengen davon zuzuführen. Viel besser ist es, Gemüse zu essen und die Ernährung allgemein umzustellen.

Mein Fazit wäre jetzt: Zum Abnehmen sind Ballaststoffe empfehlenswert, für den Sportler nur bedingt tauglich - vor allem an Wettkampftagen.

Bedingt tauglich ja, aber eben genauso empfehlenswert und wichtig. Sportler müssen auf die Ballaststoffe achten, aber haben es halt schwieriger, weil die Ballaststoffe bei hoher Trainingsbelastung oder im Wettkampf kontraproduktiv sind, weil dann nicht funktioniert, was der Sportler vorhat. Es ist für Athleten einfach etwas komplizierter, auf die empfohlene Menge von 20 bis 30 Gramm zu kommen.

TRANSPARENZHINWEIS
Der Olympia-Verlag kooperiert mit der Mark Warnecke GmbH und vertreibt u.a. Produkte über den kicker Shop.

Interview: Tobias Rudolf

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