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WM 2022: Wehlmann: "Auch wir waren Gastarbeiter"

Darmstadts Sportchef über seine Katar-Erfahrung

Wehlmann: "Auch wir waren Gastarbeiter"

Begann einst in Katar: Darmstadts Manager Carsten Wehlmann.

Begann einst in Katar: Darmstadts Manager Carsten Wehlmann. IMAGO/Oliver Ruhnke

"Als wir damals in Katar angekommen sind, mussten wir erst mal einiges selbst organisieren und aufbauen", erinnert sich der heute 50-Jährige. "Der Mann unserer Sekretärin war Betreiber einer Sportsbar und hatte in der Bar Büroräume frei, in die wir zunächst eingezogen sind." Ein Auto zu bekommen, sei nicht ganz einfach gewesen, wenn man keinen Resident-Status hatte. Das Gleiche habe für einen Internetanschluss gegolten. "Wir haben uns zu Beginn mit zehn Mann einen Anschluss geteilt", sagt Wehlmann schmunzelnd.

Was Wehlmann in Katar gelernt hat

Als Spieler hatte Wehlmann, der als Torhüter für St. Pauli, den HSV, Hannover und Lübeck aktiv war, seine Heimat immer in Hamburg gehabt. "Und plötzlich war ich 7000 Kilometer weg von dort, in einer anderen Kultur, mit einer anderen Sprache." Gelernt habe er in dieser Zeit unter anderem, "dass man mit Kontinuität und nachhaltigem Arbeiten zum Erfolg kommt - und nicht durch kurzfristige Entscheidungen, die auf keiner Strategie basieren".

Keine Ausreise ohne Zustimmung des Arbeitgebers

Insgesamt hätten ihn die Katarer freundlich empfangen. "Aber klar, auch wir waren Gastarbeiter, in den Augen der Katarer allerdings auf einer anderen Ebene als die Gastarbeiter in anderen Dienstleistungsberufen wie zum Beispiel in den Restaurants oder auf dem Bau - das war zu spüren." So hätten aber auch er und seine Mitstreiter aus Deutschland nicht einfach so ausreisen können. "Wir benötigten dafür eine Genehmigung vom Arbeitgeber, die wir eine Woche vorher beantragen mussten."

"Gut, dass diese Dinge jetzt Aufmerksamkeit erhalten"

Für die Kritik an der WM in Katar hat Wehlmann volles Verständnis - angefangen bei der Vergabe und ihren Umständen, beim Austragungszeitpunkt im Winter und natürlich ganz besonders bei der Menschenrechtssituation. "Es ist gut, dass all diese Dinge jetzt Aufmerksamkeit erhalten - und hoffentlich auch nach der Weltmeisterschaft im Fokus bleiben."

Speziell bei der Menschenrechtssituation und damit einhergehenden Themen wie Diskriminierung, Arbeitsbedingungen und Meinungsfreiheit müssten Verbesserungen her. Das gelte aber auch für das Thema Nachhaltigkeit, zum Beispiel bei den Stadien. "Wir haben ja erlebt, dass das in Südafrika und Brasilien nicht unbedingt der Fall war."

WM-Stimmung? „Mir fehlt jegliches Kribbeln

Eine besondere WM-Stimmung empfinde er nicht. "Es war zwar auch bei den vergangenen Weltmeisterschaften nicht so, dass ich schon zwei Wochen vorher in Vorfreude war, aber vor Katar fehlt mir jegliches Kribbeln", sagt er. "Ein bisschen Neugierde ist zwar allein aus Berufsgründen da, was zum Beispiel in den Stadien und im Land passiert. Aber ich werde wohl nicht allzu viele Spiele sehen."

Stephan Köhnlein

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