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Michael Gregoritsch: Triumph eines ewig Unterschätzten

Dreifach-Torschütze verzichtete auf den Olymp

Michael Gregoritsch: Triumph eines ewig Unterschätzten

Die engen Freunde Christoph Baumgartner und Michael Gregoritsch am Weg zu den Fans.

Die engen Freunde Christoph Baumgartner und Michael Gregoritsch am Weg zu den Fans. GEPA pictures/Armin Rauthner

Er hätte ganz oben stehen können, im Olymp des österreichischen Fußballs. Bei Goledaor Hans Krankl, der einst Malta mit sechs Toren abschoss. Bei Erich Probst, dem WM-Torjäger von 1954, der wie der geniale Erich Hof gegen Zypern, gegen Portugal fünf Mal netzte. Er hätte auf der gleichen Stufe stehen können, wie der legendäre Vollstrecker des Wunderteams Toni Schall und der Engländer Charles Stanfield, einer Anekdote aus der Urzeit des ÖFB.

ÖFB-Testspiel

Aber Michael Gregoritsch, dessen Vorbild einmal Schwedens doppelter Vierfach-Torschütze Zlatan Ibrahimovic war, hat "nicht einmal überlegt", als sein Freund Christoph Baumgartner vor dem Elfmeter in der 78. Minute gefragt hat: "Gibst ma den?" Gregerl gab. "Jo, schieß eam eine", hätte er ihm mitgegeben auf den Weg, erzählte Baumgartner nach dem Spiel. "Das ist nicht selbstverständlich." Und das war auch schon der einzige Punkt, in dem sich die beiden Freunde uneins waren. Denn für Gregoritsch war es doch "selbstverständlich. Das ist mein Naturell, dass ich da ja sage."

Die Sache mit Olympia

Schließlich war er selbst dabei, damals, bei der U-21-EM 2019 in Udine. Als Zuschauer. Und Daumendrücker für den U-21-Teamchef, der auch sein Papa ist. Nach dem 2:0-Sieg gegen Serbien stand es im zweiten Gruppenspiel gegen Dänemark 1:1, als Österreich eine Viertelstunde vor Schluss einen Elfer zugesprochen bekam. Ein Sieg gegen die Dänen hätte (wie man heute nach dem abschließenden 1:1 gegen Deutschland weiß) für den Aufstieg ins Halbfinale und das damit verbundene Olympia-Ticket für Tokio gereicht.

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Sascha Horvath und Kevin Danso waren die eingeteilten Elferschützen, aber zur Ausführung stapfte der Jüngste, Christoph Baumgartner. Er verschoss. Dänemark gewann noch 3:1. Weshalb sich der "Weltrekord-Torschütze" von Gregoritsch Junior noch heute bisweilen den mit Augenzwinkern vorgetragenen Vorwurf gefallen lassen muss: "Du hast mich meine Olympia-Teilnahme gekostet".

Weitblick auf die EURO

Schon der alte Gregoritsch hatte "Baumi" bei nächster Gelegenheit die Chance gegeben, sein "Trauma" zu verarbeiten. "Gegen Andorra. Aber ich hab’ wieder verschossen." Seither machte der Leipzig-Stürmer einen großen Bogen um den Elferpunkt. "Aber heute war ein günstiger Moment", hofft er, seine Elferphobie mit dem Treffer zum 5:1 überwunden zu haben.

In diesem Punkt könnte er sich auch mit Gregoritsch wieder einigen, der mit Weitblick meinte: „Vielleicht war es auf Sicht wichtig, dass er heute geschossen hat und wir dadurch bei der EURO dann einen sicheren Elferschützen mehr haben." Für ihn ("Ich schieße eh viele Tore") war ohnehin auch der Dreierpack "im altehrwürdigen Happel" schon "absolut sensationell". Da wusste er noch gar nicht, dass er Österreichs erster Dreifach-Torschütze seit René Aufhauser vor fast 18 Jahren war. Den hat im übrigen auch sein Senior entdeckt.

Vom Trainersohn zum Torjäger

Mindestens genauso "sensationell" wie seine drei Tore gegen die Türkei ist die Entwicklung des bald 30-Jährigen. Wenn Marcel Koller den jüngsten Torschützen der heimischen Bundesliga ab 2016 meist für die letzten paar Minuten einwechselte, war das für die Fans mehr Ausdruck der Hilflosigkeit, denn Hoffnung, die Partie mit ihm noch zu drehen. Sieben Länderspiele hat es gedauert, bis der schlaksige "Trainersohn" endlich sein erstes Tor erzielte - gegen Luxemburg. Auch schon was. Von seinen ersten 44 Länderspielen blieb "Gregerl" in einem einzigen die vollen 90 Minuten auf dem Feld - beim 0:1 in Lettland, bei dem nach geschaffter EM-Qualifikation 2020 die halbe Reserve spielte. Dort gelang ihm mit dem 2:1-Führungstreffer gegen Nordmazedonien immerhin sein erstes Ausrufezeichen - für das er endlich auch etwas Anerkennung erntete.

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Seit der in die Jahre kommende Marko Arnautovic immer kürzer treten muss, kommt der Freiburg-Stürmer noch besser zur Geltung. In nicht weniger als sechs der letzten zehn Länderspielen hat er angeschrieben und dabei acht Tore erzielt. Mit neun Toren ist er Ralf Rangnicks Top-Torjäger.

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Von seinen 53 Länderspielen hat er 30 gewonnen. In der ganzen österreichischen Länderspiel-Geschichte gibt es nur drei Spieler, denen das früher gelungen ist: Wunderteam-Verteidiger Pepi Blum (im 47. Länderspiel), 78er-Legende Walter Schachner (im 50.) und Franco Fodas ewige Rück-Versicherung Stefan Ilsanker (im 52.). Und auch wenn die Zahlen nicht nur auf seine individuellen Fähigkeiten zurückgehen, sprechen sie doch dafür, dass sich die landläufige Meinung über Michael Gregoritsch ändert. Denn da war noch ein Satz, den Kumpel Christoph Baumgartner nach dem 6:1 gegen die Türkei sagte: "Ich kenne seine Qualitäten schon lange, aber ich weiß nicht, ob alle in Österreich sie kennen."

Horst Hötsch

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