Football

24 Jahre, sechs Titel und eine fast perfekte Saison: Belichicks Ära in New England

Zum Ende des legendären Trainers bei den Patriots

24 Jahre, sechs Titel und eine fast perfekte Saison: Belichicks Ära in New England

Nach 24 Jahren nimmt Bill Belichick seinen Hut als Trainer der New England Patriots.

Nach 24 Jahren nimmt Bill Belichick seinen Hut als Trainer der New England Patriots. Getty Images

Erste Gerüchte hatte es bereits während der kürzlich abgelaufenen Regular Season gegeben, seit dem 11. Januar 2024 herrscht nun Gewissheit. In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Teambesitzer Robert Kraft verkündete Bill Belichick sein Aus bei den New England Patriots. Mit ihm verlässt das letzte und vielleicht wichtigste Puzzlestück der zwei Jahrzehnte andauernden Dominanz Bostons. Grund genug, einmal auf die größten Erfolge und Rekorde der Trainerlegende zurückzublicken.

Von einer Serviette und Pick 199: Die Anfänge der Patriots-Dynastie

Die Geschichte, wie Bill Belichick seine Anfänge als Head Coach in New England nahm, ist altbekannt, gleichzeitig ließ der kontroverse wie rasante Beginn bereits erste Anzeichen für Belichicks einzigartige Karriere in New England erahnen. Als Bill Parcells nach der NFL-Saison 1999 seinen Rücktritt als Trainer der New York Jets erklärt hatte, stand sein Nachfolger schon in den Startlöchern - Bill Belichick, Parcells' langjähriger Assistent und enger Vertrauter, sollte der nächste Head Coach der Jets werden. Doch der damals 47-Jährige überlegte es sich plötzlich anders. Nur einen Tag nach seiner Vorstellung als Head Coach berief er eigenmächtig eine Pressekonferenz ein und präsentierte eine heute legendäre Serviette. Darauf waren sieben Worte gekritzelt, die in die Ewigkeit eingehen sollten. "I resign as HC of the NYJ" (deutsch: "Ich trete als Trainer der New York Jets zurück").

Podcast
Podcast
#153: NFL Preview Week 10 - Berlin, Berlin, die NFL kommt nach Berlin!
01:07:30 Stunden
alle Folgen

Wenige Tage später wurde Belichick dann als zwölfter Head Coach der New England Patriots vorgestellt, wo er die Nachfolge des ebenfalls legendären Pete Carroll antreten sollte. Aufgrund Belichicks gültigen Vertrags in New York mussten die Patriots hierfür allerdings bezahlen und schickten einen Erstrunden-Draftpick im Jahr 2000 zu den Jets. Genau dort, beim NFL-Draft im Jahr 2000, sollte Belichick auch die wohl wichtigste Entscheidung seiner Trainerkarriere treffen - bevor er je ein Spiel als Head Coach der Patriots absolvierte. In der sechsten Runde - genauer gesagt, mit dem 199. Pick des Drafts - holten Belichick und Co. einen Quarterback der Universität Michigan nach New England, der das Schicksal der Franchise für immer verändern sollte: Thomas Edward Patrick Brady Jr.

Lewis' Hit und Vinatieris Kicks: Die Patriots gewinnen drei Titel in vier Jahren

Tom Brady

Der Beginn einer Dynastie: Tom Brady bejubelt den ersten Super-Bowl-Sieg der New England Patriots. IMAGO/USA TODAY Network

Gleich starten durfte jener Tom Brady natürlich nicht, schließlich hatten die Patriots in Drew Bledsoe ihren Franchise-Quarterback bereits in den eigenen Reihen. Nicht umsonst hatte dieser nach einer etwas enttäuschenden ersten Saison unter Belichick, die New England mit einer Bilanz von 5-11 beendete, eine Vertragsverlängerung über zehn Jahre und 103 Millionen US-Dollar unterzeichnet. Ein Spiel kurz nach dem Start der NFL-Saison 2001 sollte dieses Konstrukt dann aber schnell auf den Kopf stellen. Im vierten Quarter des zweiten Spiels der Patriots gegen die - wie könnte es anders sein - New York Jets verletzte Linebacker Mo Lewis Bledsoe mit einem harten Hit, plötzlich stand Brady im Rampenlicht. Der junge Quarterback nahm die Starter-Rolle an sich, schaute nie wieder zurück und wenig später war die Patriots-Dynastie geboren.

Direkt in seinem ersten Jahr als Starter führte Brady New England in den Super Bowl, wo es gegen die überragende Offensive der St. Louis Rams um Hall-of-Fame-Quarterback Kurt Warner ging. Die "Greatest Show on Turf" hatte während der regulären Saison knapp 31 Punkte pro Spiel aufgelegt, doch Belichick und seine Defensive hielten St. Louis bei nur 17 Zählern, während Brady die Patriots stets im Spiel hielt. Mit Ablauf des vierten Quarters versenkte Kicker Adam Vinatieri das entscheidende Field Goal aus 48 Yards - und die Patriots durften den ersten Titelgewinn ihrer Franchise-Geschichte feiern.

Nachdem die Patriots im Folgejahr die Play-offs trotz einer Bilanz von 9-7 verpasst hatten, gestaltete sich das Jahr 2003 wieder deutlich erfolgreicher. Erneut zogen die Patriots in den Super Bowl ein, wieder brachte ein Kick von Vinatieri den Sieg, diesmal über die Carolina Panthers. Es sollte der erste Höhepunkt der Dynastie sein, was Belichick, Brady und Co. im Jahr 2004 ein weiteres Mal bestätigten.

Mit 14 Siegen bei nur zwei Niederlagen gelang erneut beinahe mühelos der Einzug in die Play-offs, nach Erfolgen gegen die Indianapolis Colts um Bradys Langzeit-Rivalen Peyton Manning und die Pittsburgh Steelers mit Ben Roethlisberger stand New England erneut im Super Bowl. Dort gelang den Patriots das, was seitdem keine Franchise mehr erreichen konnte: die Titelverteidigung. Durch einen knappen 24:21-Erfolg über die Philadelphia Eagles krönte sich New England zum dreimaligen Super-Bowl-Champion, und Belichick hatte nach seinen zwei Erfolgen als Assistenztrainer der New York Giants nun fünf Super-Bowl-Ringe inne.

Der verflixte Manning: New England scheitert gleich zweimal knapp

In der Folge setzte allerdings eine regelrechte Titel-Dürre im Bostoner Vorort Foxborough ein: Ganze zehn Jahre lang fand New England nicht zurück auf den NFL-Thron. Nah dran am Titel waren die Patriots aber stets, besonders im Jahr 2007. Da spielte Belichicks Team die wohl beste reguläre Saison aller Zeiten, nur um am Ende doch zu scheitern. 16 Siege in der Regular Season bedeuteten die erste perfekte reguläre Saison seit den Miami Dolphins im Jahr 1972, im Endspiel um den Titel stolperten die Patriots dann aber überraschend über Eli Manning und die New York Giants. Ein Bild, das sich nur vier Jahre später wiederholen sollte, wieder zog New England als Favorit in den Super Bowl XLVI ein, wieder blieben die Giants siegreich. 

Malcom Butler, 28:3 und Belichicks Meisterstück

Malcolm Butler

Super-Bowl-Sieg Nummer vier: Mit seiner Interception gegen die Seattle Seahawks brachte Malcolm Butler den Patriots den vierten Ring. Getty Images

In der NFL-Saison 2014 gelang dann endlich die Rückkehr der Patriots an die Spitze der Football-Welt, wenngleich auf dramatische Weise: Gegen den Vorjahres-Sieger Seattle unter der Leitung von Pete Carroll, Belichicks Vorgänger in New England, lagen die Patriots im vierten Viertel bereits mit zehn Punkten hinten, bevor Belichick und Brady ein bis dato einzigartiges Comeback in die Gänge setzten und mit 28:24 in Führung gingen. Kurz vor Ablauf der Spieluhr schien dieses Comeback jedoch umsonst gewesen zu sein, die Seahawks klopften nach einem schier unglaublichen Fang von Jermaine Kearse mit Runningback-Monster Marshawn Lynch an der Goal Line der Patriots an. Diesmal schwang das Pendel des Glücks jedoch auf die Seite der Patriots. Cornerback Malcolm Butler fing den entscheidenden Pass von Seattles Quarterback Russell Wilson ab und bescherte New England den vierten Super-Bowl-Sieg der Franchise-Geschichte.

Zwei Jahre später mussten Belichicks Patriots erneut ihre Comeback-Qualitäten im Super Bowl unter Beweis stellen, diesmal allerdings in einer deutlich größeren Skala. Kurz nach der Halbzeit-Show von "Lady Gaga" führten die Atlanta Falcons, um den MVP der NFL-Saison 2016 Matt Ryan, mit 28:3 in der 51. Auflage des Super Bowls, bevor den Patriots das größte Comeback der Super-Bowl-Geschichte gelang. Ein Touchdown von James White besiegelte in der Overtime den fünften Titelgewinn der Patriots, durch den sich Belichick zum alleinigen Rekordhalter unter allen Head Coaches der NFL-Geschichte aufschwang.

Das Meisterstück des heute 71-Jährigen folgte dann am 3. Februar 2019. Nachdem die Patriots die Titelverteidigung in Super Bowl LII gegen die Philadelphia Eagles knapp verpasst hatten, fanden die Patriots erneut den Weg ins Endspiel und trafen dort auf einen alten Bekannten. Wie schon in der NFL-Saison 2001, bei Belichicks erstem Super-Bowl-Sieg als Patriots-Coach, ging es erneut gegen die Rams - wenngleich diese inzwischen nach Los Angeles umgesiedelt waren. Die Parallelen sollten jedoch nicht nur auf dem Spielberichtsbogen ersichtlich werden: Wie schon 17 Jahre zuvor stellte Belichick seine defensiven Qualitäten unter Beweis und hielt die Rams bei nur drei erzielten Punkten. Running Back Sony Michel erzielte den einzigen Touchdown der Partie und brachte Belichick Ring Nummer acht - NFL-Rekord.

Ohne Brady: Belichicks jähes Ende

Es sollte der letzte Erfolg des legendären Trainers in New England werden. Nachdem es - so berichteten die Medien damals - zu größer werdenden Meinungsverschiedenheiten zwischen dem kongenialen Duo Belichick und Brady gekommen war, zog der Quarterback 2020 nach Tampa Bay weiter und sicherte sich dort wenig später seinen siebten Ring. Ohne Brady zeigte Belichicks bis dato unantastbares Offensivsystem klaffende Lücken, zudem leistete sich der 71-Jährige immer öfter personelle Fehler. Mac Jones, der 15. Pick des NFL-Drafts 2021, sollte die großen Fußstapfen Bradys füllen, war dieser Aufgabe mit wenigen Ausnahmen bislang jedoch kaum gewachsen. 

Die abgelaufene NFL-Saison samt andauernder Quarterback-Rochade zwischen Jones und seinem Ersatzmann Bailey Zappe stellte einen absoluten Tiefpunkt in Belichicks Patriots-Karriere dar. New England verpasste nicht nur erstmals zwei Jahre in Serie die Play-offs, mit nur vier Siegen fuhren die Patriots auch die wenigsten Erfolge unter Belichick jemals ein. Das Ende der so erfolgreichen Beziehung zwischen Trainer und Franchise schien in der Folge unumgänglich, die Franchise benötigt dringend einen Neustart. Ob Belichick noch einmal in die NFL zurückkehrt, steht derzeit in den Sternen, mehrere NFL-Insider berichten unter anderem von einem Interesse der Atlanta Falcons am 71-Jährigen. Einen letzten Rekord könnte Belichick dann noch knacken, schließlich fehlen ihm nur noch 14 Siege, um in der ewigen Bestenliste der Coaches mit dem legendären Don Shula (347 Siege) gleichzuziehen.

Constantin Frieser

Die 32 Head Coaches und Coordinators der NFL-Saison 2024/25