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Benyamina, Ede und Kioyo: Dominanz der Hertha-Senioren

Reihenweise Spielausfälle

Benyamina, Ede und Kioyo: Warum den Hertha-Senioren die Gegner weglaufen

Karim Benyamina spielt sowohl für die Ü 32 als auch für die Ü 40 von Hertha BSC.

Karim Benyamina spielt sowohl für die Ü 32 als auch für die Ü 40 von Hertha BSC. imago images/Matthias Koch

Während Hertha BSC in der Bundesliga mit Abstiegssorgen kämpft, setzen die Seniorenteams in der Ü-32- und Ü-40-Verbandsliga durch teils hohe Siege einen Knockout nach dem anderen. Beide Mannschaften stehen faktisch schon Wochen vor dem Saisonende als Berliner Meister fest. Dabei scheint es so, als würden die Gegner reihenweise das Handtuch werfen - wohlgemerkt vor dem Spiel. Offiziell erfolgen die Spielabsagen aufgrund von Personalmangel. Oliver Kelm, der für beide Hertha-Teams verantwortlich ist, schüttelt den Kopf: "Das ist einfach nur unsportlich."

Der 42-Jährige ist ehrgeizig. Im Berufsleben als Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei am Kurfürstendamm, aber auch im Sport, sogar im Senioren-Fußball. Im Herrenbereich spielte der gebürtige Berliner viertklassig (u.a. BFC Dynamo, Berliner AK) und kümmerte sich im Anschluss als Trainer um das Ü-32-Team der Spandauer Kickers. Vor zwei Jahren platzte die Kabine allerdings aus allen Nähten. "Spandau wollte damals kein zweites Senioren-Team anmelden, also habe ich einen Verein gesucht, für den wir mit einer Ü 32 und einer Ü 40 spielen können", sagt Kelm, der seine Spieler packte und flussabwärts zu Hertha mitnahm. Nun also Blau-Weiß statt Orange-Blau.

Benyamina im Trikot des Stadtrivalen

Mit an Bord ist damals wie heute Karim Benyamina. Manchem Union-Fan rast der Puls, wenn er den jahrelangen Leistungsträger der Eisernen (insgesamt 192 Einsätze) im Trikot des Stadtrivalen sieht. "Es ging nicht um Hertha, sondern darum, dass die Mannschaft aus Spandau zusammenbleibt", erklärt der 40-Jährige. Im jüngsten Auswärtsspiel der Ü 32 beim SFC Stern 1900 laufen sich die Kollegen bereits warm, als Benyamina knappe zehn Minuten vor Anpfiff mit Sporttasche in der Hand angeflitzt kommt. Sofort zeigen die Mundwinkel bei der Hertha-Entourage nach oben. Noch schnell ein paar Umarmungen, Küsschen links, Küsschen rechts. Sie sind froh, dass der zweifache algerische Nationalspieler da ist. Benyamina spielt sowohl für die Ü 32 als auch für die Ü 40 und ist zeitgleich Trainer beim Berliner Sechstligisten 1. FC Wilmersdorf. Das zeugt von Einsatz.

Oliver Kelm

"Viele Teams in unserer Liga trainieren überhaupt nicht, einige Spieler haben Bierbäuche", sagt Oliver Kelm, der für beide Hertha-Teams verantwortlich ist privat

Diesen vermisst Kelm bei manchem Gegner: "Viele Teams in unserer Liga trainieren überhaupt nicht, einige Spieler haben Bierbäuche." Dieser lapidare Satz macht deutlich, wie weit die Ambitionen im Seniorenfußball auseinanderklaffen: Die einen haben keine Lust zu trainieren, die anderen wollen Deutscher Meister werden. Der "Deutschen Altherren Supercup Ü 32", den die Spandauer Kickers 2019 gewannen, wird in diesem Jahr erstmals seitdem wieder ausgetragen.

Die Teilnahme der Hertha-Ü-32 steht nach 19 Siegen aus 20 Spielen (114:11 Tore) bereits fest. Die Ü 40 hat sogar alle bisherigen 24 Spiele gewonnen (146:9 Tore) und wird zu einer inoffiziellen Deutschen Meisterschaft fahren. Angesichts der Ergebnisse müssten die beiden Hertha-Teams in einer eigenen Liga spielen. Und so ist es gewissermaßen auch, denn die Gegner laufen ihr reihenweise davon. Die Ü 32 beklagt seit dem Jahreswechsel bei acht angesetzten Ligaspielen drei Nichtantritte, die Ü 40 bestritt sogar von Ende Februar bis Ende März keines der vier vorgesehenen Spiele. Die Wertung erfolgt dann mit 0:2. "Für die Teams im Abstiegskampf kann das Torverhältnis am Ende den Ausschlag geben", bewertet Kelm die Situation. Er fordert eine Wertung mit einer deutlich höheren Tordifferenz, "es darf nicht sein, dass sich ein Nichtantritt lohnt".

Dass Hertha mit ehemaligen Bundesliga-Spielern wie Benyamina, Sami Allagui und Chinedu Ede (jeweils in der Ü 32) oder Francis Kioyo und Benjamin Köhler (jeweils in der Ü 40) ohnehin einen unüberwindbaren Wettbewerbsvorteil hat, bestreitet Kelm energisch: "Unsere Fitness ist entscheidend, aber nicht ein oder zwei Spieler."

"Keine Handhabe"

Der Berliner Fußball-Verband (BFV) kennt die Problematik. "Der BFV hat keine Handhabe. Wir können den Vereinen nicht vorschreiben, zu den Spielen gegen Hertha BSC anzutreten", äußert sich BFV-Sprecher Janosch Franke. Gemäß der Spielordnung kann eine Mannschaft wegen Nichtantritten vom Spielbetrieb ausgeschlossen werden, allerdings erst nach drei Fällen. Heißt: Zweimal kann die Alte Dame versetzt werden.

Kelm ist enttäuscht: "Wir vertreten den BFV bei der Deutschen Meisterschaft und haben kaum Spielpraxis." Am zweiten Juni-Wochenende wird in Bremen um die Krone im Ü-32-Fußball gespielt. Es ist alles angerichtet - wenn die Gegner wollen.

Christoph Heuser

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