Int. Fußball

Blatter: "Ein Sieg des Fußballs"

Palästina: Sieg trotz Unentschiedens

Blatter: "Ein Sieg des Fußballs"

Palästinensische Fans

Palästinensische Fans beim ersten offiziellen Heimspiel ihrer Nationalmannschaft. imago

Zehn Jahre lang musste die Nationalelf Palästinas ihre Heimspiele in der Fremde, zumeist in Jordanien oder in Katar - austragen. Nicht nur die zumeist angespannte Sicherheitslage im Westjordanland sowie im Gazastreifen waren für diesen misslichen Umstand verantwortlich. Es fehlte schlichtweg auch ein Stadion, das internationalen Ansprüchen genügte. Mit finanzieller Unterstützung der FIFA sowie aus Frankreich und Spenden aus den arabischen Staaten wurde zuletzt die Anlage "Al Husseini" in Al-Ram nahe Ostjerusalem modernisiert.

Darüber, wie viele Zuschauer sich in dem noch lange nicht fertig gestellten Stadion am Sonntagabend drängten, gibt es unterschiedliche Angaben. Fest steht einzig, es waren viel zu viele. Selbst die Flutlichtmasten wurden von den Fans in Beschlag genommen. Und wer es nicht schaffte, einen Blick auf das Spielfeld zu erhaschen, gesellte sich zu den Menschenmassen vor den extra aufgestellten Leinwänden.

Sie alle sahen eine Partie, die trotz der politischen Bedeutung friedlich verlief. Bereits nach acht Minuten löste Ahmad Kashkash mit seinem Führungstreffer ein mittelschweres Beben aus. Zart besaitete Zuschauer, allen voran die meisten westlichen Besucher, sollen aus Angst vor den Begeisterungsstürmen auf angrenzende Hausdächer geflüchtet sein. Selbst der Ausgleich der Jordanier tat der Stimmung auf und neben den Rängen keinen Abbruch.

Nur kurz schien es, als könnte die vom nationalen Pathos getragene Stimmung umschlagen, als der Stadionsprecher vom Fußball als dem vornehmsten aller Kriege sprach. Doch die anwesenden palästinensischen Sicherheitskräfte - auch dies immer noch keine Selbstverständlichkeit in der Region - mussten nicht eingreifen.

"Es war überall zu spüren, welches Selbstwertgefühl den Menschen hier ein solches Spiel gibt und wie stolz sie darauf sind", sagte der DFB-Direktor Helmut Sandrock. Als Generalbevollmächtigter der FIFA hatte Sandrock die Heimpremiere mitorganisiert.

Der anwesende FIFA-Präsident Sepp Blatter wählte angesichts des historischen Datums erhabene Formulierungen: "Das Ziel des Fußballs ist es nicht, nur den Ball ins Netz zu schießen, sondern die Welt zu berühren und eine bessere Zukunft zu schaffen. Das ist ein historischer Moment und ein Sieg des Fußballs", sagte Blatter . Er sei stolz, beeindruckt und geehrt, dem Spiel beiwohnen zu können.

Joseph S. Blatter

Joseph S. Blatter genoss sichtlich die Ovationen der palästinensischen Fans. imago

Immerhin können Blatter und die FIFA für sich reklamieren, Palästina in außergewöhnlicher Weise zu fördern. Unmittelbar nach dem Friedensabkommen mit Israel von 1998 nahm der Weltverband Palästina als eigenständiges Mitglied in die globale "Fußballfamilie" auf. Damit wurde an eine 80 Jahre alte Tradition angeknüpft, denn bereits ab 1929 existierte ein palästinensischer Fußballverband. 1934 nahm Palästina gar als erster asiatischer Staat an einer einer WM-Qualifikation teil. Allerdings stand das Land damals unter britischer Aufsicht. Der 1962 neu gegründete Verband agierte bis vor zehn Jahren international völlig isoliert. Seit 1998 unterstützt die FIFA aber den Fußball in Palästina nicht nur finanziell, sondern auch in vielen anderen Bereichen.

Ergebnis der Bemühungen war das lang ersehnte erste Heimspiel, das laut Verbandspräsident Jibril Rajoub "eine historische Errungenschaft" gewesen sei. Ein Sieg für das palästinensische Volk, selbst wenn die Partie nur remis endete. Oder wie es Hiyam al-Wahwah ausrückte: "Das ist ein Feiertag für uns. Ich hoffe, dass sich die Dinge jetzt wirklich ändern und wir wie jeder andere Mensch leben können", so der 39-Jährige, der ein Ticket für das Spiel ergattern konnte. Im Fußball seit Sonntagabend Realität, in der Politik (noch) Vision.