Südwest

Der SSV Ulm 1846 schafft den Sprung in die 3. Liga

Wörle-Elf steckt auch "Ergebnisdelle" zum Jahresanfang weg

Die dunklen Jahre sind vorbei: Der SSV Ulm 1846 schafft den Sprung in die 3. Liga

Startschuss zur Party: Der SSV Ulm 1846 steht als Aufsteiger in die 3. Liga fest.

Startschuss zur Party: Der SSV Ulm 1846 steht als Aufsteiger in die 3. Liga fest. IMAGO/Jan Huebner

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Die 3. Liga wird in der kommenden Saison einen Debütanten begrüßen dürfen: Der SSV Ulm 1846 steigt auf, wird erstmals in der 2008 gegründeten Spielklasse vertreten sein. Den letzten Schritt gingen die Ulmer am Samstag beim hochüberlegenen 5:0 gegen die SG Barockstadt Fulda-Lehnerz.

1999/2000 spielte der Verein noch in der Bundesliga, stieg postwendend ab, ehe in der darauffolgenden Zweitliga-Saison der Niedergang endgültig begann: Abstiegsplatz 16 und keine Lizenz für die damals drittklassige Regionalliga, weil der insolvente SSV dem DFB nicht nachweisen konnte, dass sein Etat für die komplette neue Saison gedeckt sei. Auch die Oberliga war keine Option, da dort die Schwaben wegen des Insolvenzantrags automatisch als erster Absteiger festgestanden hätten. Somit ging die erste in die damalige zweite Mannschaft auf. Die neue Realität hieß also Verbandsliga Württemberg (damals fünftklassig), auch in den Folgejahren mussten die "Spatzen" immer wieder Sturzflüge abfangen, so vor allem bei den neuerlichen Insolvenzen 2008 und 2014. Und wäre das nicht schon genug der Skandale gewesen, durchsuchte 2008 die Steuerfahndung die Geschäftsräume der Ulmer, um laut Staatsanwaltschaft "wegen Betrugs, Vorenthaltens von Arbeitsentgelt und Steuerhinterziehung" zu ermitteln. Ein Jahr später wurden Spieler bezichtigt, in Spielmanipulationen verwickelt gewesen zu sein. Der Verein kündigte den drei verdächtigten Akteuren fristlos.

Die Pokalsensationen

Dunkle Wolken waberten unentwegt über dem Traditionsklub von der Donau. Sportliche Sonnenstrahlen drangen nur äußerst selten durch. Am 26. August 2001 allerdings schon, da gelang dem damals fünftklassigem SSV im DFB-Pokal gegen den Bundesligisten 1. FC Nürnberg die große Sensation, schlug den seinerzeit von Weltmeister Klaus Augenthaler trainierten Club in der ersten Runde mit 2:1. Die Ulmer avancierten an jenem August-Sonntag als Fünftligist zum niederklassigsten Verein, der je im DFB-Pokal ein Spiel gewinnen konnte.

Immerhin stieg Ulm 2002 sofort aus der Verbandsliga auf, etablierte sich in der viertklassigen Oberliga und ab 2008 in der der Regionalliga, die in diesem Jahr nach Einführung der 3. Liga zur vierthöchsten Ligastufe wurde. Ausreißer nach unten gab es weiterhin: 2011/12 und zwischen 2014 und 2016 spielte der SSV in der Oberliga, die jetzt fünftklassig war. Auch eine weitere Pokal-Überraschung fand Eingang in die Geschichtsbücher: Im August 2018 - der SSV war mittlerweile im oberen Mittelfeld der Regionalliga Südwest angekommen - musste Titelverteidiger Eintracht Frankfurt im Donaustadion die Segel streichen. Endstand erneut: 2:1.

Spätestens ab 2020 kristallisierte sich heraus, dass es mit dem solide wirtschaftenden SSV wieder aufwärts geht. Mit den Tabellenplätzen 4, 2 und jetzt 1 läuteten die "Spatzen" einen nicht ganz vollständigen Countdown zum erstmaligen Sprung in die 3. Liga ein.

Wörle gießt ein stabiles Fundament

Architekt des aktuellen Aufstiegs ist Trainer Thomas Wörle, der zwischen 2010 und 2019 die Frauen des FC Bayern München höchst erfolgreich trainierte und seit Juli 2021 die Ulmer Männer zu einem Spitzenteam formte. Jenes Team bestätigte den Grundsatz, dass die Offensive zwar Spiele, die Defensive aber Meisterschaften gewinne, denn Ulm hat deutlich weniger Tore geschossen als die am Ende übriggebliebenen Aufstiegskonkurrenten TSG Hoffenheim II und TSV Steinbach Haiger, zeitgleich aber auch wesentlich weniger Gegentreffer hinnehmen müssen. "Original Regionalliga-Fußball", nannte das Wörle im Saisonverlauf. Torwart Christian Ortag stellte derweil fest: "Wir haben schon oft gezeigt, dass wir eine 1:0-Führung ins Ziel bringen können, und das ist auch eine Qualität."

Eine Qualität, die in der Rückrunde auf eine harte Probe gestellt wurde, denn nach der Winterpause konnte die TSG-Reserve neun und Steinbach zehn Zähler Rückstand deutlich minimieren - auch weil der SSV mit neun Punkten aus sieben Spielen ins Kalenderjahr 2023 gestartet war (Wörle: "Eine Ergebnisdelle"). Geschäftsführer Markus Thiele ahnte schon im Januar, angesprochen auf den Aufstieg: "Ein Selbstläufer wird das nicht." Klar war schon damals: Umfeld, Fans, alle lechzten nach dem Aufstieg. In all der Euphorie war es nicht immer einfach, die hohen Erwartungen zu erfüllen. Doch nach dem 0:0 gegen Homburg Mitte April gewannen die Schwaben zuletzt sechsmal am Stück und fuhren mit dem Aufstieg die verdiente Ernte für ihre über weite Phasen der Saison souveränen Leistungen ein. Wörle machte das sichtlich stolz: "Wir freuen uns darüber, dass wir unter Druck auch zum wiederholten Male liefern. Da muss man der Mannschaft ein Kompliment machen."

Röser sticht offensiv hervor

Neben einer starken Abwehr um Keeper Ortag und den Innenverteidiger-Routiniers Thomas Geyer und Johannes Reichert ragte offensiv vor allem Lucas Röser heraus, der mit 13 Treffern der mit Abstand gefährlichste Ulmer war. Bemerkenswert war auch das Arbeitspensum von Offensivakteur Nicolas Jann, der in allen Saisonspielen auf dem Rasen stand. Der 31-Jährige wurde zwar dreimal ein- und 25-mal ausgewechselt, doch nicht zuletzt seine fünf Tore zeugen davon, dass Jann für den SSV von großem Wert war. Mit Andreas Ludwig hatte die Meistermannschaft in den meisten Spielen auch die Erfahrung von sechs Bundesliga- und 38 Zweitliga-Spielen auf dem Platz. Dazu kommen 43 Matches in der niederländischen Eredivisie. In seiner Geburtsstadt ordnete der 32-Jährige das Mittelfeldzentrum. Erfahrung ist ein gutes Stichwort: Wie sich auch schon bei den vor Ulm feststehenden Aufsteigern Preußen Münster und VfB Lübeck gezeigt hatte, ist Routine vielleicht nicht unbedingt eine Garantie für Erfolg, erhöht allerdings dessen Wahrscheinlichkeit. Der SSV zumindest wies in der Regionalliga Südwest den höchsten Altersschnitt bei den eingesetzten Spielern auf.

Ab Sommer ist Ulm Drittligist, Profifußball pur also. Doch darauf ausruhen dürfe sich der Verein nicht, müsse sich stattdessen beständig weiterentwickeln. Sagt zumindest Anton Gugelfuß, der 2014 nach der Insolvenz als Sportvorstand viel Aufbauarbeit leistete und 2022 in den Aufsichtsrat wechselte. Angesprochen auf die Infrastruktur mahnte er schon vor Jahren gegenüber der "Stuttgarter Zeitung": "Das Donaustadion - mit Leichtathletik-Laufbahn - genügt den Ansprüchen nicht mehr. Mit den aktuellen Möglichkeiten werden wir im Profibereich nie längerfristig wettbewerbsfähig sein können." In der Tat, für die 3. Liga muss das Donaustadion vor allem in Sachen Beleuchtung, Brandschutz und Fluchtwege modernisiert werden. Die Laufbahn bleibt erstmal.

Stefan Wölfel

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