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Einst 25 Millionen Euro wert: Gbamin geht zu US Dunkerque

Nach zwei Monaten Vereinslosigkeit

Einst 25 Millionen Euro wert: Ex-Mainzer Gbamin geht zum Vorletzten der Ligue 2

Bloß nicht zurück nach Everton: Jean-Philippe Gbamin will die Zeit auf der Insel hinter sich lassen.

Bloß nicht zurück nach Everton: Jean-Philippe Gbamin will die Zeit auf der Insel hinter sich lassen. IMAGO/PA Images

Zwei Monate Einzeltraining mit einem Fitness-Coach und einem Physiotherapeuten und Ernährungsberater können sich lange anfühlen. Sehr lange. Seit diesem Montag ist die Zeit ohne Klub für Jean-Philippe Gbamin endlich vorbei. Der frühere Mainzer hat bei US Dunkerque, dem Tabellenvorletzten der Ligue 2, einen Vertrag bis zum Sommer 2024 unterschrieben - auch wenn der Klub das noch nicht kommuniziert hat.

"Es sieht nach einer merkwürdigen Wahl aus", sagt Gbamins Berater Bernard Collignon dem kicker. "Aber jetzt ist er seiner Familie näher und kann sich für den Afrika-Cup empfehlen. Dafür muss er spielen."

Sechs Partien im Abstiegskampf bleiben dem zentralen Mittelfeldspieler, um wieder in den Rhythmus zu kommen. Ob das reicht, damit der 17-malige Nationalspieler der Elfenbeinküste von Trainer Jean-Louis Gasset nach monatelanger Absenz berufen wird, ist ungewiss.

Beim Fußballtennis knackste die Achillessehne

Gerade einmal etwas mehr als vier Jahre ist es her, da zahlte der FC Everton 25 Millionen Euro im August 2019 an den 1. FSV Mainz 05. Gbamin und sein Berater wählten damals absichtlich noch keinen Top-Klub, um die Anpassung an die intensive Premier League schrittweise vonstatten gehen zu lassen. Dieser Plan ging gründlich schief.

Bei den Toffees sollte Gbamin die Lücke füllen, die Abräumer Idrissa Gueye mit seinem 32-Millionen-Euro-Wechsel zu Paris St. Germain hinterlassen hatte. Doch der Körper spielte nicht mit. Nach zu kurzer Sommerpause sei der angeschlagene Ivorer direkt ins kalte Pflichtspielwasser geworfen worden, sagt Collignon.

Kein behutsames Heranführen über das Reserveteam, wie man es aus Deutschland oder Frankreich kenne. Schon am 2. Spieltag gegen Watford (1:0) spielte der zweikampfstarke Sechser über 90 Minuten.

Die Folge: Gbamin verletzte sich schwerer am rechten Oberschenkel, wurde operiert, fiel lange aus. Als er zurückkam, hatte die Pandemie den Fußball im Griff. Zu allem Überfluss dauerte es nur wenige Wochen, bis er wieder flachlag: Beim Fußballtennis knackste die Achillessehne: Anriss, zehn Monate Pause. Beim nächsten Comeback war Carlo Ancelotti schon Geschichte, Rafael Benitez hatte das Sagen - und wenig Verwendung für den Rekonvaleszenten.

"Ab da konnte er wieder lächeln"

"Es war ein Albtraum", sagt Collignon. "Aber er wird daraus lernen." In Zukunft werde Gbamin klarer kommunizieren, wenn er nicht richtig fit sei. Beide Seiten, Everton und der Mittelfeldmann, hätten Fehler gemacht.

Es ging per Leihe im Februar 2022 zu ZSKA Moskau, wo er direkt zum Stamm gehörte, im August zu Trabzonspor. Weil die Türken dem ambitionierten Mittelfeldmann zwischenzeitlich kein Gehalt mehr zahlten, wollte dieser die Leihe abbrechen. Hertha BSC hätte Gbamin gern im Januar dieses Jahres übernommen, Trainer Sandro Schwarz kannte ihn schließlich aus Mainz. Doch der Deal scheiterte am Veto von Stammverein Everton.

Eine Rückkehr nach England im Sommer kam für Gbamin schließlich nicht mehr in Frage. 20 Minuten vor Ablauf des Deadline Days, so erzählt es sein Berater, lösten die Parteien den Vertrag auf. Gerade noch rechtzeitig, um sich auch im Laufe der Saison jederzeit einem anderen Klub anzuschließen. "Ab da konnte er wieder lächeln", sagt Collignon.

Für 5000 Euro im Monat beschäftigte er einen privaten Mini-Staff

Auf umgerechnet mehr als fünf Millionen Euro Gehalt für das letzte Vertragsjahr verzichtete der Profi nach Darstellung dessen Beraters, um sich endlich wieder frei zu fühlen. Nur: Ein passender neuer Arbeitgeber ließ auf sich warten. Für den Ivorer im besten Fußballalter das schlechtmöglichste Szenario. 

Mit diversen Bundesligisten habe man in den vergangenen Monaten Kontakt gehabt, berichtet Collignon. Doch kein Verein habe Bedarf auf Gbamins Position gesehen. Dabei hätte der 28-Jährige den Schritt zurück nach Deutschland favorisiert. Für etwa 5000 Euro im Monat beschäftigte er einen privaten Mini-Staff, hielt sich fit - so gut das eben ohne Teamtraining geht.

Nun also Dunkerque, an der Nordsee, unweit der belgischen Grenze. Von dem Geschäft sollen beide Seiten profitieren, der Klub im Abstiegskampf und der Spieler, um sich wieder interessant zu machen. Im Sommer soll es dann erstklassig weitergehen für Gbamin, am liebsten in der Bundesliga. Wenn denn der Körper mitspielt.

Paul Bartmuß

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