DFB-Pokal (D)

Wie die "Hertha-Bubis" 1993 ins DFB-Pokal-Finale stürmten

Vor 30 Jahren schrieben die Amateure Geschichte

Freilos, Titelverteidiger, Novum: Wie die "Hertha-Bubis" ins DFB-Pokal-Finale stürmten

Novum: Die "Hertha-Bubis" von Drittligist Hertha BSC Amateure kurz vor dem Anpfiff des Pokalfinales 1993.

Novum: Die "Hertha-Bubis" von Drittligist Hertha BSC Amateure kurz vor dem Anpfiff des Pokalfinales 1993. imago images/Camera 4

Seit 1985 wird das Pokalfinale im Berliner Olympiastadion ausgetragen, seitdem rennen die Profis von Hertha BSC dem Traum vom Endspiel erfolglos hinterher - und mussten sich 1993 sogar die Schmach gefallen lassen, dass ihnen die eigenen Amateure vormachten, wie es geht. 

Denn in der Saison 1992/93 sorgten die damals in der drittklassigen Oberliga Nordost beheimateten Hertha BSC Amateure für ein Novum im deutschen Fußball: Noch nie zuvor in der Pokal-Geschichte schaffte ein Drittligist den Einzug in das Finale. Erst dort wurde der sensationelle Siegeszug der angesichts eines Durchschnittsalters von knapp über 20 Jahren liebevoll genannten "Hertha-Bubis" gestoppt: Bayer Leverkusen war dann doch eine Nummer zu groß und sicherte sich - heute vor exakt 30 Jahren - durch einen 1:0-Sieg seinen ersten und bisher einzigen Pokaltriumph.

Begonnen hatte alles mit einem Freilos. Wegen einer ungeraden Teilnehmerzahl an der 1. Hauptrunde durfte sich ein Verein bereits bei der Auslosung über den Einzug in die 2. Runde freuen, die Wahl fiel auf die Hertha Amateure. Zum Aufgalopp in der 2. Runde empfing Hertha den Verbandsligisten SGK Heidelberg vor ein paar hundert Zuschauern auf der Sportanlage an der Osloer Straße im Wedding und hielt sich mit 3:0 schadlos. Danach aber wurde es ernst.

Auch ein Bundesligist kann die "Hertha-Bubis" nicht stoppen

DFB-POKAL 1992/93

Denn in der 3. Runde trafen die "Hertha-Bubis" mit dem damaligen Zweitligisten VfB Leipzig auf den ersten höherklassigen Verein. Dieses Mal waren bereits mehr als tausend Zuschauer zugegen, und sie erlebten den großen Tag eines gewissen Ayhan Gezen. Der damals 20-Jährige erzielte ein Tor selbst, bereitete drei vor und war so der entscheidende Mann beim 4:2-Erfolg und dem Einzug in das Achtelfinale.

Dort wartete mit Hannover 96 der Titelverteidiger. Und ein Umzug in das Mommsenstadion in Charlottenburg war nötig, um die nun mehr als 6000 Fans unterzubringen. Diese sahen zunächst eine Partie, die ihren gewohnten Gang im Duell "David gegen Goliath" zu gehen schien: Der damalige Zweitligist aus Niedersachsen sah beim Stande von 2:0 bereits wie der sichere Sieger aus. Doch Oliver Holzbecher, wieder Gezen und der spätere Profi Andreas Schmidt schossen den Underdog mit 3:2 in Führung. Zwar mussten die "Hertha-Bubis" noch den erneuten Ausgleich hinnehmen, doch wieder Schmidt machte drei Minuten vor Spielende den 4:3-Sieg perfekt - das Viertelfinale war erreicht.

In der Runde der letzten Acht wartete mit dem 1. FC Nürnberg der einzige Bundesligist auf dem Weg der "Hertha-Bubis" ins Finale. Vor über 13.000 Zuschauern im Mommsenstadion deutete beim Stande von 1:1 lange Zeit alles auf eine Verlängerung hin. Doch dann sorgte Daniel Lehmann in der Schlussminute noch für das 2:1-Siegtor und grenzenlose Euphorie in Berlin.

Diese brach sich dann im Halbfinale nach gerade einmal 20 Minuten endgültig Bahn: Die mehr als 56.000 Zuschauer im Olympiastadion trauten ihren Augen nicht, als der spätere WM-Finalist Carsten Ramelow (5.) und Sven Meyer (22.) eine frühe 2:0-Führung gegen den Zweitligisten Chemnitzer FC herausschossen. Die Sensation war greifbar nahe, doch ab der  36. Minute war Zittern angesagt, als Steffen Heidrich vom Punkt für den CFC verkürzte. Die von Jochem Ziegert trainierten "Hertha-Bubis" hielten dem Schlussspurt der Sachsen Stand, brachten den 2:1-Sieg über die Zeit und schrieben als erster drittklassiger Pokalfinalist deutsche Fußball-Geschichte.

Kein Wunder von Berlin: Kirsten beendet den Traum vom Pokalsieg

Doch Märchen gehen auch nicht immer gut aus, und das ganz große Wunder blieb den Amateuren dann im Finale am 12. Juni 1993 letztendlich versagt. Zwar hielten die Berliner lange Zeit ein 0:0, doch Bayer Leverkusen hatte über die komplette Spielzeit das Geschehen im Griff, ein Tor war nur eine Frage der Zeit. Dieses markierte dann Ulf Kirsten, der Nationalspieler köpfte in der 77. Minute am zweiten Pfosten die Werkself zum Pokalsieg. Großartig trauern wollte bei den Berlinern aber niemand, "die Leverkusener haben verdient gewonnen", gab Meyer zu, "sie hatten schon die feineren Fußballer". Und so begannen noch auf dem Platz die Feierlichkeiten - und auch dabei soll die Mannschaft wie in der kompletten Pokalsaison 1992/93 überzeugt haben. 

jer

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