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In Göttingen läuft Basketball dem Fußball längst den Rang ab

Großstädte ohne Profifußball: Göttingen

In Göttingen läuft Basketball dem Fußball längst den Rang ab

Die 05er füllten einst in der Bundesliga Stadien - wie hier 1967 gegen Alemannia Aachen.

Die 05er füllten einst in der Bundesliga Stadien - wie hier 1967 gegen Alemannia Aachen. imago/Horstmüller

Namhafte norddeutsche Fußball-Vereine sind mehr oder weniger in der Versenkung verschwunden - dazu zählt auch Göttingen 05. Der 1905 gegründete Klub aus der südniedersächsischen Universitätsstadt hat eine wechselvolle Historie erlebt wie sonst nur wenige andere. Es gab viele herausragende Spiele, große Siege, bittere und enttäuschende Niederlagen, Aufstiege und Abstiege, eine noch abgewendete Insolvenz 1996 und eine nicht mehr zu verhindernde Pleite 2003.

Seitdem sind die großen, blühenden Zeiten der Schwarz-Gelben verwässernde Geschichte - seitdem dümpeln die 05er, deren Schreibweise sich nach der Insolvenz 2003 vom "1. SC 05" zu "I. SC 05" geändert hat (man beachte die römische Zahlenschreibweise) im unteren Fußball-Mittelbau umher. In dieser Saison bewegen sich die Göttinger in der Landesliga Braunschweig im grauen Mittelmaß.

Trainer und Co-Trainerin weg

Gerade haben sie wieder einmal eine Trainer-Personalie hinter sich, die für Unruhe sorgte. Der vor der Saison von Bezirksligist SG Rehbachtal gekommene Kevin Martin strich zusammen mit seiner Co-Trainerin Annabelle Winkelmann vorzeitig die Segel. A-Junioren-Coach Nils Leunig (gleichzeitig auch Sponsoring-Chef bei Basketball-Bundesligist BG Göttingen) übernahm, bis nach Abschluss der Hinrunde ein alter Bekannter zurückkehrte: Jozo "Jelle" Brinkwerth (56), bis dahin Co-Trainer beim benachbarten Landesligisten SSV Nörten-Hardenberg, der den Abgang Brinkwerths nicht gerade erfreut registrierte. Zwischen 2010 und 2013 coachte er den Göttinger Stadtteil- und 1. SC-05-Nachfolgeklub RSV 05.

An den derzeitigen 05ern lässt sich auch das Problem des Fußballs in Göttingen darstellen. Statt einen Klub zu pushen, zu stärken und zum Aushängeschild zu machen, wurschteln knapp ein halbes Dutzend Stadtteilklubs vor sich hin - ohne große Erfolge und mehr in der Bedeutungslosigkeit. Der eine gönnt dem anderen nichts. Oberligist SVG Göttingen spielt zwar eine Klasse höher als 05, wird aber wie Nachbar FC Eintracht Northeim in der Abstiegsrunde um den schwer zu realisierenden Klassenerhalt kämpfen müssen - von zehn Teams müssen sechs runter in die Landesliga. In der wäre dann wieder ein Punktspiel-Stadtderby zwischen 05 und der SVG möglich…

Die gute, alte Zeit

Über die Stadt- und regionalen Grenzen hinaus hat der "I. SC 05" nach wie vor den bekanntesten Namen. Was an der vermeintlich "guten, alten Zeit" liegt. In den 50er Jahren spielte 05 in der Oberliga Nord (damals höchste Spielklasse), nahm Ende der 60er Jahre die Bundesliga in Angriff (in legendären Spielen gegen Hertha BSC, SV Alsenborn usw.) und war Gründungsmitglied der 2. Bundesliga in den 70er Jahren. Dazu gab es ebenso legendäre Pokalspiele wie unter anderem gegen den HSV und Eintracht Frankfurt vor bis zu 25 000 Zuschauern. Zahlen, die heute unvorstellbar sind. Dazu Trainer- und Spielerpersönlichkeiten wie der unvergessene Coach Fritz Rebell oder Abwehrrecken wie Helmut Hinberg oder "Charly" Sachse.

Nicht nur vielen 05ern in Erinnerung ist auch das Drama 2001 um den verpassten Drittliga-Aufstieg. Zum zweiten Mal drohte die Insolvenz, doch 05 bestritt noch die Aufstiegsspiele gegen Holstein Kiel. Das erste Spiel verlor Göttingen 0:2 bei der KSV Holstein, im Rückspiel feierten 7000 Zuschauer einen 3:0-Sieg, bei dem Kapitän Tobias Dietrich (auch mal bei Hannover 96) zweimal traf. Zwei Tage später verweigerte der DFB den Göttingern die Lizenz. Zum wiederholten Mal war auf Vorstands- und Führungsebene einmal mehr nicht seriös genug gearbeitet worden. Pustekuchen mit dem Aufstieg! Nach einem langen Insolvenzverfahren, bei dem die Gläubiger fast leer ausgingen, ging’s runter bis in die Bezirksklasse mit dem Auffangverein RSV Göttingen 05, aus der man sich über viele mühevolle Jahre in die Oberliga zurückkämpfte, sie aber auch nicht halten konnte. Immer wieder sorgten Personalien und - natürlich - fehlendes Geld für Unruhe.

Deutschlands Großstädte ohne Profifußball

Aktuell ist jedoch unter Thorsten Richter und Ex-Spieler Daniel Washausen (sein Vater Günter war einer der Ex-Präsidenten) ein sachlich und ruhig arbeitender Vorstand am Werk, der sehr viel Wert auf die Jugendarbeit legt. Die A-Junioren sind momentan Tabellenzweiter der Niedersachsen-Liga und hoffen auf den Aufstieg in die Regionalliga. Die C-Junioren behaupten sich in der Regionalliga Nord (höchste deutsche Liga dieser Altersklasse) gut.

Doch was hilft’s? Auch wenn der Name "05" in deutschen Fußball-Kreisen weiterhin ein Begriff ist - dem Fußball hat in Göttingen seit langer Zeit der Basketball mit Abstand den Rang abgelaufen, auch wenn das viele 05er nicht verwinden können. Die BG Göttingen spielt gerade in der laufenden Saison auf Top-Niveau im Bundesliga-Vorderfeld mit. Der Fußball präsentiert sich in der 5. Liga mit der SVG und mit 05 eben nur in der 6. Liga …

Helmut Anschütz