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Serie A, Juventus vs. Florenz: Ein "Diebstahl" macht Rivalen

Serie-A-Hintergrund: Beziehung zwischen der Alten Dame und der Viola

Juventus vs. Florenz: Ein "Diebstahl" macht sie zu Rivalen

Mögen sich nicht: Juventus-Fans und Viola-Anhänger.

Mögen sich nicht: Juventus-Fans und Viola-Anhänger. imago images

Als einer der besten Torhüter der Geschichte hat Legende Dino Zoff einiges erlebt. Der italienische Weltmeister von 1982 und Europameister von 1968 kennt eine besondere Geschichte allerdings aus dem Effeff - und zwar die intensive Rivalität zwischen der AC Florenz und Juventus Turin. Dieses Duell hat die inzwischen 80 Jahre alte Ikone häufig als "hochemotionales Duell" beschrieben. "Dieses Spiel wird stets eine Schlacht, das war schon immer ein Kampf", hat Zoff einmal martialisch gegenüber "TuttoC.com" formuliert.

Lesen Sie hier ein Geburstagsinterview mit Dino Zoff zu seinem 80. Jahrestag im Februar 2022.

Spielersteckbrief Zoff
Zoff

Zoff Dino

Spielersteckbrief R. Baggio
R. Baggio

Baggio Roberto

Spielersteckbrief Felipe Melo
Felipe Melo

Melo de Carvalho Felipe

Spielersteckbrief Cristiano Ronaldo
Cristiano Ronaldo

Dos Santos Aveiro Cristiano Ronaldo

Spielersteckbrief Ribery
Ribery

Ribery Franck

Spielersteckbrief Chiesa
Chiesa

Chiesa Federico

Spielersteckbrief Vlahovic
Vlahovic

Vlahovic Dusan

Trainersteckbrief Italiano
Italiano

Italiano Vincenzo

Trainersteckbrief Allegri
Allegri

Allegri Massimiliano

AC Florenz - Vereinsdaten
AC Florenz

Gründungsdatum

26.08.1926

Vereinsfarben

Violett-Weiß

mehr Infos
Juventus Turin - Vereinsdaten
Juventus Turin

Gründungsdatum

01.11.1897

Vereinsfarben

Weiß-Schwarz

mehr Infos
Serie A - Tabelle
Pl. Verein Punkte
1
Atalanta Bergamo Atalanta Bergamo
13
2
SSC Neapel SSC Neapel
11
3
AC Mailand AC Mailand
11

Doch warum verstehen sich diese beiden Klubs und vor allem die beiden Fanlager nicht? Warum sind die Duelle zwischen der Viola und den Bianconeri heißer als Derbys und geprägt von gegenseitiger Ablehnung, Wut und ja, auch Hass? Und das, obwohl beide Städte mehr als 400 Kilometer Luftlinie trennen. Und woher weiß eigentlich Zoff so gut Bescheid?

"Rubentus"

Ganz einfach: Zwischen 1972 und 1983 spielt Zoff für Juve, wird in diesem Zeitraum sechsmal Meister - und trainiert die Alte Dame obendrein später zwischen 1988 und 1990. In Florenz coacht der 112-malige Nationalspieler der Azzurri ebenfalls für ein Jahr (2005) - und ist somit ein gern gesehener Gesprächspartner vor jedem direkten Duell der beiden arg rivalisierenden Klubs.

Und ein passender Gesprächspartner bezüglich dieser facettenreichen Geschichte zweier Vereine, bei der vergangene Ereignisse eine große Rolle spielen und die Anhängerschaften bis heute kochen lassen. "Rubentus", vom italienischen Wort rubare ("stehlen") abgeleitet, ist ein seit Jahrzehnten verbreiterter Terminus, mit dem ernüchterte Tifosi ihren Unmut gegenüber Juventus zum Ausdruck bringen.

Dino Zoff

Kennt sich mit der Fehde zwischen Juve und Florenz aus: Dino Zoff. imago images

Am 12. Februar 2023 sind die beiden Vereine letztmals aufeinandergetroffen, mit dem besseren Ende für die Turiner (1:0 nach Tor von Adrien Rabiot) - insgesamt sind es allein in der Serie A schon 168 Duelle gewesen. Die intensive Rivalität beginnt aber vor über 40 Jahren ...

Chronologie einer schon 40 Jahre lang währenden Fehde

1981/82: Der Kampf um den Scudetto, die italienische Meisterschaft, spitzt sich in der Saison 1981/82 zu - und gipfelt in einem ultimativen Showdown am letzten Spieltag. Tabellenführer Juve (44:14 Punkte) muss in Catanzaro ran, Florenz steht punktgleich auf Rang 2 und reist nach Cagliari. Mit dem Titel vor Augen wirken beide Mannschaften auf dem Rasen wie gelähmt. Bis die Fiorentina vorlegt - vermeintlich! Denn der damalige Schiedsrichter will vor dem Tor plötzlich ein Foul gesehen haben und gibt den Treffer nicht. Fast zeitgleich wird Catanzaro ein klarer Elfmeter verweigert. Wenig später bekommen die Turiner selbst einen zweifelhaften Strafstoß zugesprochen, machen den wichtigen Treffer, werden Meister und ziehen alle Wut auf sich.

An diesem Tag etabliert sich der Satz "Meglio secondi che ladri" ("Lieber Zweiter als Dieb") in der Fanszene der Toskaner. "Sie haben uns die Meisterschaft geklaut", schimpft ACF-Kapitän Giancarlo Antognoni damals, während die Alte Dame lautstark und ausgiebig ihre 20. italienische Meisterschaft feiert. Eine der größten Rivalitäten des Calcios nimmt an jenem 16. Mai 1982 ihren Anfang...

1985: Bis zum 30. Mai 1985 ist der Ärger eher einseitiger Natur. Das ändert sich einen Tag nach den schrecklichen Vorfällen im Brüsseler Heyselstadion, bei denen 39 Turiner Anhänger ihr Leben verlieren. Hässliche Plakate mit der Aufschrift "39 Bucklige weniger" gehören von nun an zum Bestandteil der Florenzer Ultra-Szene, die obendrein eine Fan-Freundschaft mit den Liverpooler Hooligans, die für die Katastrophe verantwortlich gemacht werden, eingeht. Spätestens jetzt ist das Tischtuch zwischen beiden Traditionsklubs zerschnitten.

Die Juve-Anhänger werden im Übrigen "Bucklige" genannt, weil die Trikots in den 50er Jahren einen Buckel auf dem Rücken geformt haben, sobald die Spieler losliefen.

Viola-Fans verhöhnen Juventus.

Haben für Juventus wenig übrig - und verhöhnen den italienischen Rekordmeister stets: Fans der AC Florenz. imago images

1989/90: Jahrelang versinkt Florenz in sportlicher Bedeutungslosigkeit, bis eben zur Spielzeit 1989/90. Nach einer starken Saison erreichen die Violetten das UEFA-Cup-Finale. Der Gegner im Endspiel: natürlich und ausgerechnet Juve. Das Hinspiel, das bereits die Vorentscheidung bringt, gewinnen die Bianconeri mit 3:1 (Rückspiel 0:0) - und wieder gibt es Proteste von Fiorentina-Seite. Beim zwischenzeitlichen 2:1 für die Alte Dame soll ein Foul vorgelegen haben. Während Turins damaliger Trainer Zoff nach der Partie im italienischen Fernsehen ein Interview gibt, schreit AC-Akteur Celeste Pin das Wort "Diebe" in die Kamera. Torschütze Pierluigi Casiraghi reagiert auf den Vorfall und nutzt sofort die Gelegenheit, zusätzliches Öl ins ohnehin schon lodernde Feuer zu gießen. "Wir sind Juventus, sie sind Florenz", antwortet der Stürmer auf Nachfrage und stellt so die Alte Dame als wichtigeren, angeseheneren Klub dar.

Ich wollte in Florenz bleiben, aber ich wurde zu diesem Transfer gezwungen.

Roberto Baggio über seinen Wechsel nach Turin

Noch stimmungsgeladener als die Niederlage im UEFA-Cup-Finale ist für die Viola-Fans die Gewissheit, dass sie mit Roberto Baggio ihren größten Star nach der Saison verlieren. Nicht an irgendwen, sondern an Juve. Ausgerechnet ihr Liebling wird ab sofort für ihren Erzrivalen auflaufen und zaubern. Als der Wechsel bekanntgegeben wird, kommt es in Florenz zu Ausschreitungen, bei denen 50 Menschen verletzt werden. Die damalige Weltrekordablöse von umgerechnet zehn Millionen Euro dient nicht als Trost. Auch weil Baggio selbst beteuert: "Ich wollte in Florenz bleiben, aber ich wurde zu diesem Transfer gezwungen. Mein Herz wird immer violett bleiben."

Diesen Worten folgen Taten: Bei seiner offiziellen Präsentation in Turin lässt sich der WM-Dritte von 1990 und Vize-Weltmeister von 1994 ganz frech nicht mit einem Juve-Schal fotografieren, versteckt ihn stattdessen auf seinem Stuhl. Beim ersten Aufeinandertreffen mit seinem Ex-Verein weigert sich Baggio außerdem, einen Elfmeter zu schießen. Nach dem Spiel wird ihm dann aus dem AC-Block ein Schal zugeworfen, den er inniglich und aufreizend küsst.

Ausgerechnet: Juve wird Meister beim Duell mit Florenz

2009: Auch in den jüngeren Jahren gibt es immer wieder Reibungspunkte zwischen den beiden Klubs, sportlich geht es bei Zweikämpfen sowie auch im Allgemeinen oft zur Sache - und im Jahr 2009 folgt eine weitere Personalgeschichte. Der Brasilianer Felipe Melo verlängert zunächst seinen Kontrakt bis 2013, beteuert seine Zuneigung für die AC - um nur eine Woche später zu wechseln. Wohin? Zur Alten Dame!

Juan Cuadrado, Cristiano Ronaldo und Massimiliano Allegri haben gute Laune.

Tüten am 20. April 2019 die Meisterschaft in Florenz ein: Juan Cuadrado, Cristiano Ronaldo, Massimiliano Allegri. imago images

2019: Bei einem der letzten von insgesamt 168 Serie-A-Duellen der beiden "Streithähne" steht ein 2:1 für die Turiner fest (20. April 2019). Nach einem frühen Rückstand drehen die Bianconeri dabei in der Folge auf und kommen durch einen Treffer von Alex Sandro und ein Eigentor von German Pezzella zum Sieg. Doch nicht nur das: Während Juve damit den achten Scudetto in Serie und den 35. italienischen Meistertitel insgesamt feiert, wird zugleich weitere Abstiegsangst bei der Viola entfacht. Am Ende rettet sich die Fiorentina aber.

2019: Am 3. Spieltag der Saison 2019/20 steht dagegen die Fiorentina kurz vor dem Sieg - es wäre zu diesem Zeitpunkt erst der 34. gegen Juventus im italienischen Oberhaus. Ein starker Franck Ribery kommt mit seinem Team gegen Sami Khedira & Co. aber trotz guter Chancen nicht über eine Nullnummer hinaus.

"Verräter, Clown"

Federico Chiesa

Einer der aktuellen Aufhänger: Das Florenzer Eigengewächs Federico Chiesa ist im Sommer 2020 ausgerechnet zu Juventus gewechselt. imago images

2020: Am 22. Dezember geht das 163. Duell dieser beiden Vereine über die Bühne - doch über allem hat zunächst mal wieder etwas Personelles gestanden. Denn in diesem (Corona-)Sommer bedienen sich die nach Verstärkungen suchenden Bianconeri um den damaligen Coach Andrea Pirlo ausgerechnet in Florenz und sichern sich die Dienste von Kapitän, Aushängeschild und Nationalspieler Federico Chiesa. Der Sohn von Enrico Chiesa, der selbst schon zwischen 1999 und 2002 in Florenz gespielt hat, ist zwischen 2007 und eben 2020 bei der Fiorentina ausgebildet worden und zum Fanliebling aufgestiegen - nur damit Rekordmeister Juve mal wieder zuschlagen kann. Kein Wunder, dass sich einige Anhänger damit nicht einverstanden zeigen. Einige von ihnen sind deswegen extra zum Medizincheck nach Turin aufgebrochen und haben Chiesa nach Verlassen des Turiner Gebäudes mit den unschönen Worten "Verräter" sowie "Clown" lautstark beschimpft.

Bei den folgenden 90 Minuten, die an einem Dienstagabend kurz vor Weihnachten 2020 ablaufen, spielt Chiesa dann von Beginn an - und es geht hochemotional zur Sache. Ribery bereitet das frühe 1:0 vor, Juan Cuadrado sieht Rot, in Unterzahl beschweren sich die Turiner über eine nicht gezückte Gelb-Rote Karte sowie einen nicht gegebenen Elfmeter, ehe Florenz am Ende 3:0 siegt, Selbstvertrauen im Abstiegskampf tankt und zugleich Erzrivale Juve die erste Niederlage dieser Saison verpasst. Im Rückspiel heißt es übrigens 1:1, die Fiorentina steigt am Ende nicht ab und die Turiner schaffen es erst am letzten Spieltag, noch die CL-Quali zu erreichen.

2022: Auch ganz aktuell gibt es wieder "Neuigkeiten" rund um Florenz vs. Juventus. Denn erst Ende Januar 2022 haben die Bianconeri mal wieder bei der Viola "gewildet" und sich die Dienste von Top-Stürmer Dusan Vlahovic gesichert. Der 70 Millionen Euro teure Serbe, zwischen 2018 und 2022 bei der Fiorentina zu einer absoluten Bank entwickelt, sinkt damit in der Gunst der AC-Fans. Was diese auch klarmachen. Bei der 0:2-Niederlage Ende Mai 2022 bleibt Vlahovic aber ruhig, lässt sich von den Pfiffen nicht aus der Bahn bringen.

Die Fehde zwischen Juventus und Florenz (Bilanz: 168 Vergleiche innerhalb der Serie A - 80 Juve-Siege, 53 Remis, 35 AC-Erfolge), das dürfte klar sein, schreibt seit langer Zeit Kapitel um Kapitel - und sicher wird das noch eine lange Zeit so weitergehen ...

mag

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