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Keine Rendite, kein Kredit, keine Chance

Kommentar

Keine Rendite, kein Kredit, keine Chance

Chelsea ließ Konstanz vermissen und Mauricio Pochettino muss gehen.

Chelsea ließ Konstanz vermissen und Mauricio Pochettino muss gehen. imago images

"Der leichteste Job der Welt" - so hatte der kicker vor der Saison das Amt von Pochettino an der Stamford Bridge umschrieben. Natürlich mit einem Augenzwinkern, weil - wie man nun sieht - der Schleudersitz-Knopf dort immer noch bestens funktioniert. Aber auch ernst gemeint, denn nach der letztjährigen Chaos-Saison mit drei Trainern (Thomas Tuchel, Graham Potter, Frank Lampard) konnte es nur aufwärts gehen. Offiziell geht Pochettino "in beiderseitigem Einvernehmen", doch die treibende Kraft wird der Klub gewesen sein.

Eine Milliarde Euro in Transfers und Gehälter investiert

Denn es ging eben nicht aufwärts. Okay, in der Tabelle schon, nach Platz 12 im Spieljahr 2022/23 stand nun immerhin Rang 6 zu Buche in der Endabrechnung. Doch der Einzug in die Europa Conference League, die mit einem FA-Cup-Sieg des Meisters Manchester Citys am Samstag noch ein Upgrade erfahren und Chelsea in die Europa League hieven würde, konnte den argentinischen Coach nicht mehr retten. Denn beide Wettbewerbe sind unter der Würde der Blues, deren Eigner Todd Boehly seit 2022 mit seinen Mitstreitern bereits mehr als eine Milliarde Euro in Transfers und Gehälter investiert hat. Dafür will der Geschäftsmann Rendite sehen. Die gab’s nicht in Form vom Einzug in die Champions League, ergo war Pochettinos Kredit aufgebraucht. Er hatte keine Chance mehr. Als er am Wochenende sagte, sein Trainerteam fahre jetzt in den Urlaub, er aber bleibe in London und lasse sein Handy an, ahnte er, was kommen würde.

Premier League

Pochettino führte den Klub ins League-Cup-Finale gegen Liverpool, ins FA-Cup-Halbfinale gegen City und eben zurück nach Europa. Doch diese Argumente zogen nicht. Denn eine sportliche Weiterentwicklung war nur selten zu sehen. Die teuerste Doppelsechs der Welt, Enzo Fernandez und Moises Caicedo, funktionierte selten. Als die Reds besagtes Endspiel im League Cup mit einer besseren Nachwuchself gewannen und vor allem eine Spielidee erkennbar war, entlarvte Jürgen Klopps Elf gleichzeitig, wie schwer sich die Blues taten, mit Ball einen Plan zu entwickeln. Und für den ist nun mal ein hochbezahlter Premier-League-Coach zuständig.

Chelsea ließ Konstanz vermissen. Auf ein gutes Spiel und/oder Ergebnis folgten meist zwei Enttäuschungen. Was die Mannschaft versprach, hielt sie nicht. Einzig Cole Palmer brillierte und rettete sie ein ums andere Mal. Fairerweise soll und darf ein unfassbares Verletzungspech nicht unterschlagen werden, doch dass genau dies nicht immer ein Argument ist - das bekam der Champions-League-Sieger von 2021 eben im League-Cup-Finale den Spiegel von den Liverpool-Bubis vorgehalten.

Ein anderer Trainer darf die Ernte einfahren

Hätte man Pochettino zu der Phase oder erst recht nach dem Offenbarungseid im London-Derby bei Arsenal entlassen, als er hilflos zusah (wie oft übrigens), wie seine Truppe in dem Fall 0:5 unterging, wäre das allerdings eher nachvollziehbar gewesen als jetzt. Denn nach dieser Klatsche kletterte Chelsea mit 16 Punkten in sechs Partien ohne Niederlage noch auf Rang 6. Zu spät für Pochettino jedoch, obwohl eben jetzt die Phase schien, in der er und die Truppe doch noch zusammenzuwachsen könnten. Doch Boehly lässt nun einen anderen die Ernte einfahren.

Pochettino hat in Tottenham bewiesen, dass er Premier League kann. Bei Chelsea passte es nicht. Aber er wird sicher wieder auf die Füße fallen. Wie schnell Chelsea indes in der kommenden Saison in Tritt kommt, wird man sehen. Der Nachfolger des Argentiniers wird keine Zeit haben. Sicher ist: Den leichtesten Job der Welt hat er nicht mehr.