Qualifikation

Kenan Kocak: "Kuntz nimmt alle mit ins Boot"

Türkeis Co-Trainer im Interview

Kenan Kocak: "Kuntz nimmt alle mit ins Boot"

Assistent von Stefan Kuntz in der Türkei: Kenan Kocak.

Assistent von Stefan Kuntz in der Türkei: Kenan Kocak. picture alliance / AA

Herr Kocak, Ihre Ex-Klubs Sandhausen und Hannover duellieren sich im Zweitliga-Abstiegskampf. Mit wem fiebern Sie mit?

Da bin ich komplett neutral. Bei beiden Vereinen hatte ich tolle Momente, ich wünsche auch beiden das Beste. Das Spiel neulich konnte ich nicht verfolgen, dazu fehlt mir aktuell einfach die Zeit.

Sie sind aktuell als Co-Trainer der türkischen Nationalmannschaft im Einsatz. Wo liegen Ihre Schwerpunkte?

Ich bin international viel unterwegs zu den Kandidaten, die für die Auswahl infrage kommen. Man schaut dann nicht nur die Spiele, sondern redet auch mit den Spielern und ihren Trainern. Mit ihren Athletiktrainern gibt es einen Datenaustausch, um die Belastungen optimal einschätzen zu können. Insgesamt ist das eine Menge Arbeit.

Mit welchem Gefühl verrichten Sie diese Arbeit?

Mit viel Vorfreude, und das geht nicht nur mir persönlich so. Wir bereiten uns so gut wie nur irgendwie möglich vor. Alles andere wäre ja auch fatal.

WM-Play-offs in Europa, Halbfinale

Zumal mit Portugal und - im Erfolgsfall - möglicherweise Italien richtig dicke Brocken warten. Ist das nicht eine "Mission impossible"?

Als Trainer bin ich eine Führungskraft im Spitzensport. Da geht es nicht nur um Inhalte, sondern auch um den Glauben und die Überzeugung, das Unmögliche möglich zu machen. Wir hatten in der Gruppenphase keine gute Ausgangsposition, haben uns dann aber diese Play-offs verdient. Und jetzt schauen wir mal.

Aus deutscher Sicht steht natürlich Chefcoach Stefan Kuntz im Blickpunkt. Wie wird er in der Türkei wahrgenommen?

Man begegnet ihm sehr herzlich und offen, weil er einfach alle mit ins Boot nimmt. Er lenkt sozusagen ein Gemeinschaftswerk, das macht ihn sehr beliebt.

Profitiert er auch von der Historie, in der einige deutsche Trainer am Bosporus große Erfolge feierten?

Sicherlich. Derwall, Feldkamp, Daum, Löw - das sind nur einige, die den türkischen Fußball einst mit geprägt haben. Die Wertschätzung für deutsche Trainer ist ja generell weltweit sehr hoch, schauen Sie nur in die Premier League! Bei Stefan kommt hinzu, dass er vielen auch noch als Aktiver im Trikot von Besiktas ein Begriff ist.

Wie charakterisieren Sie Ihre eigene Zusammenarbeit mit Kuntz?

Ebenfalls offen und ehrlich. Stefan ist sehr kommunikativ, so habe ich ihn selbst schon als Spieler erlebt, als er mich damals in Mannheim trainierte. Diese Eigenschaft ist ein elementarer Faktor. Er lebt das Team, zu dem ja auch noch der ehemalige Mainz-Trainer Jan-Moritz Lichte als weiterer Co-Trainer, der Hoffenheimer Michael Rechner als Torwarttrainer und Athletiktrainer Axel Busenkell aus Mainz gehören. Dazu kommt ein Extra-Dolmetscher, der für Stefan übersetzt.

Warum machen das nicht Sie?

Ich habe genug zu tun. Und ganz ehrlich: Es wäre auch gelogen, wenn ich mein Türkisch als perfekt bis ins letzte Detail bezeichnen würde...

Was macht Sie ansonsten mit Bezug auf das Land, in dem Sie Ihre Wurzeln haben, nun für den Job wichtig?

Ich kenne die Liga, die Kultur und die Mentalität - das ist natürlich von Vorteil und hilfreich, mehr aber ist es nicht.

Wie hilfreich ist andererseits der deutsche Einfluss durch Kuntz und einige Spieler wie Calhanoglu, Ayhan, Dursun oder Karaman, die in Deutschland groß geworden sind?

Es schadet natürlich nicht, dass diese Jungs mit der Ausbildung aus einem deutschen NLZ kommen und hier von einem deutschen Trainer gecoacht werden. Doch es wäre unfair, sie nun übermäßig herauszustellen. Wir haben ja auch Leistungsträger aus den anderen großen Ligen in unseren Reihen. Italien, England, Frankreich, auch aus den Niederlanden. Die Mischung lässt ein gutes Team entstehen.

Haben Sie persönlich schon einmal daran gedacht, wie es über die Playoffs hinaus bei Ihnen weitergeht?

Nun, unsere Verträge laufen bis 2024, so gesehen ist das gerade kein Thema. Erst recht nicht, wo wir so kurz vor diesen entscheidenden Spielen stehen. Ich bin nun erstmals als Co-Trainer unterwegs, irgendwann möchte ich aber schon selbst wieder Cheftrainer sein, klar. Ursprünglich hätte ich mir eine Funktion als Co-Trainer eigentlich auch nicht vorstellen können. Aber Sportchef Hamit Altintop und die Hartnäckigkeit von Stefan Kuntz haben mich schon sehr bewegt. Grundsätzlich möchte ich mithelfen, dass wir wachsen und die Strukturen im türkischen Fußball gemeinsam weiter stärken.

Interview: Michael Richter

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kicker-Wochenendrückblick vom 25.09.2023
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