Champions League

Ohne Mut und Ideen: Dortmund enttäuscht in Paris

Nmecha fehlen Bindung und Fitness

Ohne Mut und Ideen: Dortmund enttäuscht in Paris

Wirkte nicht auf der Höhe: Felix Nmecha.

Wirkte nicht auf der Höhe: Felix Nmecha. picture alliance/dpa

Aus Paris berichtet kicker-Reporter Patrick Kleinmann

Das Urteil der traditionsreichen französischen Sport-Zeitung "L’Équipe" fiel am Mittwoch klar aus: "La Borussia ne ressemblait pas à un grand d'Allemagne" - Borussia Dortmund sah am Vorabend nicht wie eine große deutsche Mannschaft aus. Bei der 0:2-Niederlage zum Auftakt der Champions-League-Gruppenphase in Paris hatte der BVB in der Tat wenig dafür getan, um sich den Respekt der heimischen Tagespresse zu erobern, gegen PSG trat das Team gleichermaßen mutlos und ideenlos auf - und verlor hochverdient.

Spielbericht

Dabei hatten sich Trainer Edin Terzic und sein Team eine eigens auf den Gegner abgestimmte Grundordnung überlegt, die Kette mit drei Innenverteidigern wurde durch zwei vorwiegend defensiv orientierte Außenverteidiger erweitert, so sollte der Millionen-Sturm der Gastgeber um Kylian Mbappé mit ausreichend Absicherung und dem passenden Tempo aufgenommen werden. Vorne warteten in Karim Adeyemi und Donyell Malen zwei schnelle Stürmer für die Gegenstöße.

Doch die Umsetzung war mangelhaft. Zwar gelang es in der ersten Hälfte weitestgehend, dem Pariser Paradeangriff die Tiefe zu nehmen und immer wieder zu doppeln, dabei verfiel der BVB aber in eine passive und reaktive Spielweise, eigene Akzent gelangen ihm so gut wie nicht. "Wenn wir den Ball erobert haben, haben wir ihn nach drei Sekunden wieder abgegeben", erkannte Terzic und wird beim Blick auf die Passquote zur Pause ernüchtert gewesen sein: Nur 62 Prozent der Bälle kamen an, ein erschreckender Wert. "Wir hatten sehr viele unnötige Ballverluste. Nahezu jeder zweite Pass war wieder weg. Da muss man sehr viel verteidigen und hinterlaufen."

Kehl: "Es ist mir ein bisschen zu larifari gewesen"

Auch Sportdirektor Sebastian Kehl kritisierte den Auftritt: "In der ersten Halbzeit waren wir in vielen Phasen sehr passiv. Wir haben nicht den Mut gezeigt, den wir uns vorgenommen haben." Es habe "immer wieder Möglichkeiten gegeben, Bälle in die Tiefe zu spielen, um unsere zwei schnellen Spieler in Position zu bekommen, aber da waren wir sehr unsauber und nicht klar genug". Sein Fazit: "Uns war klar, dass wir eine richtig gute Leistung brauchen, um hier zu bestehen. Das haben wir bei 90 Minuten nicht gezeigt."

Edin Terzic

Zu viel Respekt vor Paris: Terzic legt den Finger in die BVB-Wunde

alle Videos in der Übersicht

Den 43-Jährigen ärgerte die Umsetzung der Taktik. "Man kann auch mit der Fünferkette aktiv nach vorne verteidigen", befand Kehl. Und mit Ball habe viel gefehlt, um "ein bisschen Luft zu bekommen", urteilte der Sportdirektor: "An der einen oder anderen Stelle habe ich gedacht: Mach doch mal den Ball fest und spiel nicht noch mit der Hacke. Es ist mir ein bisschen zu larifari gewesen. Da brauchen wir mehr Klarheit in unserem Spiel."

Die fehlende Entlastung durch Inkonsequenz, Ideenlosigkeit und mangelnde Präzision im Umschaltspiel rächte sich erst in der zweiten Hälfte, im Grunde war es aber nur eine Frage der Zeit. Deswegen wurde auch die Fehlentscheidung des spanische Schiedsrichters Jesus Gil Manzano beim Handelfmeter für PSG in ihrer Bedeutung für den Spielverlauf nicht überbewertet - wäre der erste Gegentreffer nicht in dieser Szene gefallen, dann mutmaßlich kurz danach.

Mit Nmecha kam ein Bruch ins Dortmunder Umschaltspiel

Eins hatten die Gegentore innerhalb von neun Minuten gemeinsam: Bei beiden war der Ex-Dortmunder Achraf Hakimi entscheidend beteiligt, bei der Einleitung der Szene vor dem Strafstoß wie als Wegbereiter und Torschütze des zweiten Treffers. Um den einrückenden Außenverteidiger hätte sich jeweils Felix Nmecha kümmern müssen, verlor ihn aber aus den Augen. Auch mit Ball gelang dem Wolfsburger kaum etwas, mit seiner Einwechslung für den bis zu seiner frühen Verletzung starken Marcel Sabitzer kam ein Bruch ins Dortmunder Umschaltspiel. Nmecha fehlt Bindung, er wirkte geistig und körperlich nicht auf der Höhe, auch wenn die Dortmunder Niederlage sicher nicht alleine an ihm lag und beispielsweise die Doppelspitze aus Karim Adeyemi und Donyell Malen ebenso schwach agierte.

"Er hat etwas gebraucht, um ins Spiel zu kommen. Und trotzdem wissen wir um seine Qualität", betonte Terzic, der in der zweiten Halbzeit auch gute Aktionen sah: "Da hat man gesehen, was er der Mannschaft geben kann und das Spiel beschleunigt." Auch Kehl blieb mit seiner Kritik vorsichtig. "Ich glaube schon, dass da natürlich noch Luft nach oben ist", sagte der Ex-Profi: "Es ist aber auch nicht ganz einfach, wenn ein Spieler nach 20 Minuten reinkommt und dann direkt ins Spiel finden muss." Nmecha werde sich steigern, "dafür braucht er eine Mannschaft, die ihm hilft. Und er braucht ein paar Momente, die ihm Selbstbewusstsein geben."

Angesichts des drohenden Ausfalls von Sabitzer wäre die Situation eine Chance für den deutschen Nationalspieler, zumal am Wochenende sein Ex-Verein VfL Wolfsburg nach Dortmund kommt. In der aktuellen Form drängen aber eher andere Spieler in die Startelf, zum Beispiel Marco Reus oder Niclas Füllkrug, die nach ihren Einwechslungen gute Aktionen hatten.