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Struber im Interview: "Man kann richtig spüren, welche Euphorie in der Liga steckt"

Österreicher überrascht mit New York Red Bulls

Struber im Interview: "Man kann richtig spüren, welche Euphorie in der Liga steckt"

Gerhard Struber steht mit Red Bull New York an der Spitze der Eastern Conference.

Gerhard Struber steht mit Red Bull New York an der Spitze der Eastern Conference. GEPA pictures

Herr Struber, trotz eines großen Kaderumbruchs liegen Sie aktuell mit Ihren New York Red Bulls auf Platz eins der Eastern Conference. Wie zufrieden sind Sie mit dem bisherigen Saisonverlauf?

Sehr zufrieden. Wenn man sich die letzten Monate und den Kaderumbruch ansieht, dann haben Außenstehende überhaupt nicht mit dieser Leistung gerechnet. Die Experten haben uns einen Fight um die Play-off-Plätze zugetraut, aber auch diese Aufgabe als schwierig erachtet. Ich hatte schon den Glauben, dass wir die Play-offs wieder erreichen können - und jetzt sind wir auf einem guten Weg.

Was ist mit dem Team möglich?

Wir sind einen Schritt weiter als im Vorjahr und wollen um die besten Plätze in den Play-offs kämpfen. Unter anderem auch, weil durch den Luquinhas-Transfer ein Spieler zu uns gekommen ist, der den Unterschied machen kann. Wir haben einen sehr jungen und entwicklungsfähigen Kader - jedoch weitgehend ohne ausgereifte Topspieler, was man auch an unseren überschaubaren Gehaltskosten im Vergleich zum Rest der Liga erkennen kann. Wir wollen unsere jungen Spieler entwickeln, und das ist uns bisher sehr gut gelungen. Gleichzeitig legen wir aber auch, und das ist der große Unterschied zur letzten Saison, als Team eine bessere Performance hin. Das lässt uns hoffen, dass wir am Ende auf einem richtig guten Play-off-Platz stehen, der uns das Heimrecht in den Play-offs sichert. Um große Ziele erreichen zu können, wäre es wichtig, dass wir uns im aktuellen Transferfenster nochmal verstärken, denn wir stehen außerdem im Cup im Halbfinale. Auch da wollen wir alles versuchen, um den ersten Titel einzufahren.

Was zeichnet die Mannschaft aus?

Das Team hat mittlerweile zu 100 Prozent verstanden, welchen Fußball wir auf den Platz bringen wollen. Das ist ein sehr intensiver und aktiver Fußball, den jeder mitträgt und den mittlerweile auch jeder von der physischen Seite aus mitgehen kann. Obwohl wir so eine junge Mannschaft haben, sind wir spielerisch und taktisch bereits ziemlich weit, auch durchaus abgeklärt. Wir bekommen sehr wenige Gegentore - da sind wir ligaweit die drittbeste Mannschaft. Außerdem sind wir generell in unseren Leistungen äußerst stabil, das zeichnet uns fast am meisten aus.

Die Top-Sommertransfers der österreichischen Bundesliga

Welchen Stellenwert hat das Team in einer Sportmetropole wie New York?

Ehrlich gesagt geht man sehr unerkannt durch die Stadt. Aber das betrifft, glaube ich, nicht nur den Fußball, sondern wahnsinnig viele Sportarten, sogar die Top-Sportarten wie Basketball, Eishockey oder Football. Durch die Menge der Menschen in der Stadt geht man in der Masse einfach ein bisschen unter. Der Fußball an sich genießt jedoch mittlerweile in den Medien einen richtigen hohen Stellenwert. Das Stadion ist sehr gut ausgelastet - ich würde schon sagen, dass es ein richtiger Fight mit anderen großen Sportarten in New York um die Zuschauergunst ist. Allgemein herrscht inzwischen im US-Fußball eine unglaubliche Atmosphäre: Es gibt viele Stadien, die sind zum Bersten voll. Man kann richtig spüren, welche Euphorie in der Liga steckt. Natürlich auch aufgrund der WM 2026, die hier stattfinden wird. Da entsteht eine richtige Sogwirkung mit vielen Investments rund um den Fußball.

Wie ist das Leben in New York?

Wir sind wahnsinnig viel unterwegs und es ist wenig Zeit, um das Leben hier so richtig mitzunehmen. Aber ich versuche trotzdem, immer wieder einmal in die Stadt zu kommen und mich inspirieren zu lassen. Nicht nur, dass es irrsinnig viele Möglichkeiten gibt, Sport zu inhalieren, sondern es gibt auch eine unglaubliche Auswahl an Bars, Restaurants, Kulturveranstaltungen und vielen anderen Dingen. Meine private Situation ist nicht so einfach, weil meine Frau mit unseren Kindern nur immer mal wieder hier ist. Wir versuchen, das bestmöglich hinzubekommen, aber es ist tatsächlich ein großer Wehmutstropfen für mich.

Abstiegskampf von der ersten bis zur letzten Sekunde hat mich als Trainer unglaublich geprägt.

Gerhard Struber über seine Zeit beim FC Barnsley

In Ihrer Trainerkarriere ging es ziemlich steil bergauf. Nach erfolgreichen Engagements bei Liefering und dem WAC ging es zum abstiegsgefährdeten FC Barnsley in die zweite englische Liga. War das für Sie ein riskanter Schritt?

Das waren vor allem alles Schritte, durch die ich mich als Trainer weiterentwickeln konnte. Bei Liefering bestand die Herausforderung, mit einem Mix aus internationalen Youngsters eine Mannschaft zu formen. Der WAC war dann der erste Schritt in den erstklassigen Fußball - und gerade die Europa League war eine ganz besondere Sache, verbunden mit vielen Emotionen. Bei Barnsley habe ich mich dann auf einen Abstiegs-Fight eingelassen, weil ich unbedingt die große Möglichkeit ergreifen wollte, nach England zu gehen. Das war noch mal eine komplett anderes Umfeld und eine weitere Chance, als Trainer zu wachsen. Abstiegskampf von der ersten bis zur letzten Sekunde hat mich als Trainer unglaublich geprägt - sei es hinsichtlich der Kommunikation mit den Jungs, was das technisch-taktische Programm betrifft oder was Variabilität in der Spielausrichtung angeht. Da konnte ich in Barnsley einen riesengroßen Schritt machen und mit dem Klassenerhalt einen wichtigen Erfolg für den Klub feiern.

In der darauffolgenden Saison ging es zu den New York Red Bulls. Was hat Sie an dieser Aufgabe gereizt?

Wenn du einmal in der Red-Bull-Welt warst und weißt, welche Standards du hier genießen und welche Ziele du verfolgen kannst, dann ist das für jeden ambitionierten Trainer enorm reizvoll. Der Schritt zu New York hat die Möglichkeit geboten, oben mitzuspielen und möglicherweise auch den großen Traum vom MLS-Cup zu verwirklichen. Zudem verfüge ich hier über viele Freiheiten, kann viel selbst mitgestalten, und ich habe einen sehr professionellen Staff. Dazu talentierte Spieler, die hochmotiviert sind. Gemeinsam macht es richtig Spaß, die Entwicklung voranzutreiben und gleichzeitig Ergebnisse einzufahren.

Worin unterscheidet sich die MLS zu europäischen Ligen?

Das Geschäftsmodell der Vereine ist sehr unterschiedlich und mit Europa nicht zu vergleichen. Die MLS ist ein Franchise-System, bei dem die Liga quasi den Hut aufhat - mit allen Vor- und Nachteilen. Im sportlichen Vergleich kann ich sagen, dass die MLS mittlerweile auf einem sehr hohen Niveau und nicht nur für die altgediente Top-Spieler interessant ist. Es kommen viele junge Profis aus der ganzen Welt in die Liga. Der Spielwitz aus der südamerikanischen Ecke und die physische Komponente aus Amerika machen die MLS hochinteressant.

Zehn Jahre NV Arena

New York Red Bulls hat bereits dreimal den "Supporters Shield", also die Auszeichnung für das beste Team der Regular Saison, gewonnen, für den Meistertitel hat es allerdings noch nicht gereicht. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Das Liga-System ist schon speziell. Der "Supporters Shield" ist mit einer Jahresmeisterschaft bei uns zu vergleichen. Aus meiner Sicht ist es schon etwas Besonderes, wenn man über eine ganze Saison zeigen kann, dass man die Nummer eins ist. Aber hier in Amerika folgt dann noch das Play-off-System, nicht nur im Fußball, sondern in allen Sportarten - und das lieben die Menschen hier. Die Knock-out-Games sind hochspannend - und eine große Show. Du gehst in diesen MLS-Cup, bei dem es um die Meisterschaft geht, und spürst in den Play-off-Spielen eine unglaubliche Begeisterung. Auch die Fernsehübertragen sind auf einem ganz hohen Niveau. Es ist schon spannend, weil 14 Teams die Chance bekommen, um diesen amerikanischen Titel zu kämpfen.

Das amerikanische Pendant zur UEFA Champions League ist die CONCACAF Champions League. Hat dieser Wettbewerb eine vergleichbare Bedeutung in Amerika?

Die Champions League steht da in Europa von der Aufmachung und der Präsenz her schon ganz klar darüber. Die CONCACAF Champions League ist aber für jeden Verein eine ziemlich interessante Sache, weil du dich mit Top-Teams aus anderen Ländern messen kannst. Das macht schon richtig Spaß und ist auch ein großes Ziel von uns. Sollten wir den Cup gewinnen, wären wir direkt qualifiziert.

Im nächsten Spiel wartet der direkte Tabellennachbar New York City FC. Gibt es diese klassische Derby-Rivalität auch in den USA?

Auf jeden Fall. Speziell mit New York City - weil es ein Verein ist, der über die letzten Jahre sehr erfolgreich war. Seit ich da bin, konnten wir uns jedoch richtig gut schlagen: Wir haben viermal gegen sie gespielt, dabei konnten wir dreimal gewinnen bei einem Unentschieden. Ich mag es richtig gern, gegen sie zu spielen. Es herrscht immer eine super Stimmung im Stadion. Es werden diesmal wohl wieder weit über 20.000 Zuschauer kommen. Da ist schon eine richtige Rivalität vorhanden und man spürt, dass bei uns jeder alles in die Waagschale wirft, um am Ende sagen zu können "New York is red".

Ich fühle mich bereit, den nächsten großen Schritt zu machen.

Struber über seine Zukunft

Wie sehen Ihre Karrierepläne aus? Soll es irgendwann in eine europäische Top-Liga gehen?

Ich war bis jetzt glücklicherweise immer in der Lage, selbst zu bestimmen, wo meine Reise hingeht. Ich wünsche mir, dass ich in meiner Zeit hier den Erfolg maximieren kann und dass wir die Ziele, die wir uns gesteckt haben, erreichen. Es gibt hier viele Dinge, an denen ich Spaß habe und an denen ich weiterarbeiten will. Es besteht aber auch die familiäre Situation, die schwierig ist und mich schon nachdenken lässt, dass es in nicht allzu langer Zeit wieder zurückgehen könnte. Eines meiner großen Ziele ist, in einer europäischen Top-Liga wie England oder Deutschland zu arbeiten. Ich habe die letzten Jahre viel gelernt und durfte viele wichtige Erfahrungen mitnehmen. Ich fühle mich bereit, den nächsten großen Schritt zu machen.

Die wichtigste Frage zum Schluss: Football oder Soccer?

(lacht) Für mich ganz klar Football. In den USA überwiegt zwar noch Soccer, aber es passiert ihnen immer häufiger, dass Football reinrutscht, weil es mittlerweile kaum noch aufzuhalten ist.

Interview: Raphael Greiml

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