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NFL-Kolumne von Adrian Franke: Darum brauchen die Patriots einen radikalen Neustart

Four Downs: Die NFL-Kolumne von Adrian Franke

Belichicks größte Fehler nach der Brady-Ära: Darum brauchen die Patriots einen radikalen Neustart

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FIRST DOWN: Darum brauchen die Patriots den Neustart

Rückblickend fühlt sich das Duell der Chiefs und der Patriots im Januar 2019 im AFC Championship Game wie der Anfang einer Staffelstabübergabe an. Es war ein echter Schwergewichtskampf, welchen New England für sich entschied - wer erinnert sich noch an die Dee-Ford-Offside-Strafe, welche eine späte, spielentscheidende Interception von Tom Brady vom Board nahm? - und anschließend den Super Bowl gegen die Rams gewann.

Drei der nächsten vier Super Bowls danach sollten mit Chiefs-Beteiligung stattfinden, inklusive zweier Chiefs-Titel - und Mahomes ist auf bestem Wege, als einer der größten Quarterbacks aller Zeiten in die Geschichtsbücher einzugehen.

Dieses AFC Championship Game hatte etwas von der alten Dynastie, die bald bereit ist, das Zepter an die neue zu überreichen. Der größte Quarterback aller Zeiten hat seinen legitimen Nachfolger gefunden, aber er geht nicht ohne ein letztes Feuerwerk, ein sehr rundes Bild, wenn man es im Rückblick betrachtet.

Tom Brady - Der mit sieben Ringen erfolgreichste Quarterback der NFL-Geschichte

Seitdem ging die Schere zwischen diesen beiden Teams immer weiter auseinander. Die Patriots haben seit jenen 2018/19er Play-offs kein Postseason-Spiel mehr gewonnen, während Kansas City jedes Jahr das Championship Game ausrichten und es drei Mal gewinnen konnte.

Das Duell zwischen den Chiefs und den Patriots am Sonntag unterstrich, wie weit diese beiden Teams sich mittlerweile voneinander entfernt haben. Wie unterschiedlich das Anspruchsdenken geworden ist und an was für unterschiedlichen Punkten die beiden Franchises knapp fünf Jahre nach dem Aufeinandertreffen im AFC Championship Game stehen.

Patriots: Steht Bill Belichick vor dem Aus?

Die Chiefs gewannen nach anfänglichen Startschwierigkeiten und abermals jeder Menge Sand im offensiven Getriebe letztlich souverän mit 27:17, aber fast noch eklatanter als das: Im Vorfeld der Partie hatte es aus New England Berichte gegeben, wonach die Entscheidung bei den Patriots gefallen sein soll - nach der Saison gehen die Patriots und Bill Belichick getrennte Wege.

Bill Belichick von den New England Patriots

Bill Belichick soll bei den Patriots vor dem Aus stehen. Getty Images

Noch ist das nicht bestätigt - einige Berichte dementierten am Sonntag, dass schon eine Entscheidung gefallen sei -, überraschen würde es aber wohl kaum noch jemanden, sollte es so kommen.

Die Patriots haben in den letzten beiden Jahren einen bemerkenswerten Absturz hingelegt, und wenn sich Teambesitzer Robert Kraft - der bei jeder Gelegenheit betont, dass er Spiele gewinnen will - sich umschaut, dann kann es nur einen Hauptverantwortlichen geben: Belichick.

Der Kontrast wurde dabei zusätzlich intensiviert, da Brady New England verließ und prompt mit den Buccaneers den Super Bowl gewann, während die Patriots seit dem Super-Bowl-Triumph über die Rams kein Play-off-Spiel mehr gewonnen haben. Das war vor fast fünf Jahren.

Das ist nicht der Anspruch, der sich bei den Patriots über die letzten 20 Jahre manifestiert hat. Doch haben die Patriots ihren Kurs verloren, und das wiederum hängt mindestens so sehr mit Belichick zusammen, wie es mit dem Abgang von Tom Brady zusammenhängt.

Roster Building wurde nicht weiterentwickelt

Denn um Belichick richtig zu bewerten, ist eine umfassende Analyse essenziell. Dass Belichick nach wie vor ein hervorragender Defense-Coach ist, das zeigt er dieses Jahr eindrucksvoll. Doch ist das nicht der Maßstab, an dem er zu messen ist. Denn zu seinem Aufgabenbereich zählen auch das Roster Building, das Einsetzen von Coaches, die Auswahl des Quarterbacks und dessen Entwicklung, und so weiter.

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Und wenn man die 2021er Offseason als Startpunkt nimmt - Brady hatte die Patriots 2020 verlassen, diese Saison ging New England aber wie ein klares Übergangsjahr an - dann fällt sehr schnell auf, wo die falschen Schlüsse gezogen und falsche Entscheidungen getroffen wurden. Für sehr viel Geld verpflichtete Belichick damals Jonnu Smith, Hunter Henry, Nelson Agholor und Kendrick Bourne. Auch Matt Judon kam in jener Free Agency nach New England, ein Volltreffer. Doch was die Patriots in jener Offseason machten, war, ein Team zusammenzubauen, das mit Brady funktioniert hätte - ohne ihn aber nicht.

Das ist die Problematik der Role Player in dieser Offense. Mit Brady funktionieren diese Spieler und die Offense ist - teilweise signifikant - mehr als die reine Summe der einzelnen Parts. Wenn aber ein durchschnittlicher Quarterback wie Mac Jones eher durch diese Spieler mit getragen werden muss, als dass das Gegenteil der Fall ist, dann stößt man sehr schnell an Grenzen. Einige der großen Roster-Building-Vorteile, die man mit Brady über die Jahre hatte, waren mit einem Schlag weg und bislang hat Belichick nicht gezeigt, dass er sich daran anpassen kann. Dass er eine Offense mit den gleichen Parametern wie der Rest der Liga aufbauen kann - inklusive dem Suchen, Finden und Entwickeln eines Quarterbacks.

Patriots haben die Mac-Jones-Situation vermasselt

Denn hier würde ich Belichick den gravierendsten Fehltritt der letzten drei Jahre attestieren. Nicht unbedingt in der Auswahl von Mac Jones, Jones war der fünfte Quarterback, der in seinem Draft gepickt wurde, die Patriots hatten nicht die freie Auswahl im 2021er Draft. Und im ersten Jahr sah die Offense sogar gut aus, das Attribut "kompetent" beschreibt diese Patriots-Offense gut.

Mac Jones von den New England Patriots

Mac Jones hatte über die letzten beiden Jahre in New England keinen leichten Stand. Getty Images

Diese Kompetenz haben die Patriots verloren, als Josh McDaniels ging. Als Belichick die Offense und seinen jungen Quarterback in die Hände von Matt Patricia und Joe Judge legte.

Das hat, da bin ich mir sicher, nachhaltig nicht nur das Selbstvertrauen von Mac Jones, sondern auch das interne Vertrauensverhältnis empfindlich beschädigt. Das, was in dieser Saison dann teilweise auf dem Platz zu sehen war, hängt in meinen Augen ohne Frage damit zusammen.

Das soll nicht heißen, dass Jones ansonsten eine steile NFL-Karriere hingelegt hätte. Aber in den Umständen, in denen er seit seiner zweiten Saison arbeiten musste, hatte er schlichtweg keine Chance. Und dann ist es nach einer positiven Rookie-Saison ins drastische Gegenteil umgeschlagen.

Diese Fehlbesetzungen fallen in ein anderes, großes Bild: Belichick schaut schon seit Jahren nicht mehr über den eigenen Tellerrand hinaus. Coaches und auch Personnel-Verantwortliche werden fast immer intern befördert, oder aber mit Stallgeruch zurückgeholt.

Das führt früher oder später auch zu einem Aderlass, der sich bemerkbar macht. Etwa im Front Office, wo die Patriots zwischen 2020 und 2022 Monti Ossenfort, Nick Caserio und Dave Zeigler an andere Teams verloren. Dadurch stieg Matt Groh sehr schnell intern auf und wurde de facto Belichicks rechte Hand als GM-Unterstützung - ein Posten, dem Groh, so einige Stimmen aus New England, vielleicht noch nicht gewachsen ist.

Belichick muss Macht abgeben - sonst muss er gehen

Und auch das ist Teil des Patriots-Absturzes der letzten Jahre: Die Drafts waren schlicht nicht gut, und während man auch solche Durststrecken mit Brady auffangen konnte, ist dieser Spielraum schlichtweg nicht mehr da. Den 2023er Draft angesichts der minimalen Sample Size dieser Spieler mal ausgeklammert, sind das die Top-100-Picks der Patriots in den letzten fünf Jahren davor:

Duke Dawson, Sony Michel, Isaiah Wynn, N’Keal Harry, Joejuan Williams, Chase Winovich, Damien Harris, Kyle Dugger, Josh Uche, Anfernee Jennings, Devin Asiasi, Mac Jones, Christian Barmore, Ronnie Perkins, Cole Strange, Tyquan Thornton und Marcus Jones.

17 Top-100-Picks in fünf Jahren. Ich würde den Patriots einen Volltreffer attestieren, in Person von Kyle Dugger. Cole Strange und Christian Barmore sind solide Starter, Uche und Marcus Jones gute Role Player. Doch hier ist kein einziger Topspieler auf einer Premium-Position dabei. Und das macht sich natürlich sehr gravierend bemerkbar. Den Patriots fehlen insbesondere offensiv die Spieler, die einen wirklichen Unterschied ausmachen können. Und sie haben nicht mehr den Quarterback, mit dem das funktioniert.

All das hat die Patriots in einen Abwärtsstrudel befördert, aus dem es nur zwei mögliche Auswege gibt: Den klaren Cut, also eine Trennung nicht nur von Belichick selbst, sondern von dem ganzen von ihm installierten Coaching- und Management-Apparat und ein kompletter Neustart. Oder aber eine ehrliche Selbstanalyse auch vonseiten Belichicks, an deren Ende man zu dem Schluss kommt, dass er wieder mehr Kompetenz für die Roster-Building- und Scouting-Seite braucht. Kompetenz, die dann dementsprechend von außen kommen müsste. Aber betrachtet Belichick die Situation mit so viel Pragmatismus, dass er dem zustimmen würde?

Meine Vermutung ist Nein, und dann geht die größte Ära seit der Jahrtausendwende in der NFL tatsächlich zu Ende. Und das nicht mit einer Entlassung - Belichick wird trotz allem, was in den letzten drei Jahren passiert ist, Trade-Value haben. Und es wird mehrere Teams geben, die ihm sehr gerne die Schlüssel zu ihrer Franchise in die Hand drücken würden.

SECOND DOWN: QB-Auftritt der Woche - Lamar Jackson gegen Jacksonville

In dieser festen Kategorie soll es um einen Quarterback gehen, der diese Woche eine Partie hatte, die gesondert betrachtet werden muss. Dabei geht es nicht zwangsläufig um den besten Quarterback der Woche - es kann auch mal der schlechteste der Woche hier behandelt werden -, sondern auch um übergreifende Punkte. Diesen Quarterback analysiere ich ausführlich und präsentiere ihn euch hier.

Jared Goff und die Lions-Offense hatten ein Get-Right-Game gegen die Broncos, deren Defense sich auf jeden Fall positiv entwickelt hat, die im Gesamtkonstrukt aber immer noch eine wacklige Angelegenheit sind. Die Lions werden noch mehr solcher Spiele von Goff und der Offense brauchen, um auch in den Play-offs Alarm zu machen, aber es war sehr positiv, zu sehen, dass Detroits Offense diese Art Spiel immer noch im Repertoire hat. Baker Mayfield hatte ein sehr gutes Spiel gegen eine Packers-Defense, die noch immer erstaunlich konstant darin ist, zu soft in ihren Coverages zu sein und Conversions in langen Down-and-Distance-Situationen zuzulassen.

Doch nicht zuletzt im Zuge der heiß diskutierten MVP-Debatte ist das Spiel von Lamar Jackson gegen die Jaguars ein gutes Beispiel dafür, wie der Impact eines Quarterbacks über den reinen Boxscore hinausgehen kann. Und selbst die reinen Stats könnten am Ende einen interessanten Case liefern: Jackson ist auf Kurs für über 3.700 Passing- und über 900 Rushing-Yards in dieser Saison, diese Marken hat noch nie ein Quarterback in einer Saison beide übertroffen.

Ob MVP oder nicht: Jackson trägt die Ravens-Offense

Das hier soll allerdings nicht in erster Linie ein MVP-Case werden, sondern vielmehr die außergewöhnliche Bedeutung von Jackson für diese Offense unterstreichen. Denn die war am Sonntagabend gegen Jacksonville auf eindrucksvolle Art und Weise sichtbar.

Etwa ganz früh beim Pass zu Isaiah Likely (11:26/erstes Viertel). Die Jaguars blitzten bei Second Down, Jackson entkam aus der Pocket und legte den Ball wunderbar über zwei Verteidiger in den Lauf von Likely für ein neues First Down. Der Pass direkt danach zu Bateman war ein weiteres Beispiel dafür, was Jackson als Playmaker innerhalb der Pocket das ganze Jahr über schon macht.

Oder der Pass spät im zweiten Viertel (4:57/zweites Viertel) bei Dritter-und-Zehn, als Jackson aus der Pocket raus musste und den Ball mit Pass-Rushern direkt vor seiner Nase noch über die Mitte in die Hände von Bateman warf, der sich von ihm weg bewegte. Der Wurf bei Dritter-und-Sechs beim gleichen Drive, wieder gegen den Blitz, wieder mit einem Rusher kurz vor dem Einschlag, den Jackson im Moment des Hits noch knapp 25 Yards über die Mitte warf und Beckham zum First Down traf.

Oder der Pass beim ersten Drive nach der Halbzeit. Play Action, Jackson musste die Interior Pocket verlassen und wieder mit dem Pass-Rusher schon an ihm dran warf er einen sensationellen Ball auf Beckham, den OBJ zwar nicht kontrollieren konnte, aber vom Wurf soll das natürlich nichts wegnehmen.

Und natürlich das Big Play zum Ende des dritten Viertels. Der Wurf war dabei einigermaßen riskant und abhängig davon, dass Likely seinerseits ein tolles Play am Catch Point machte. Aber wie Jackson sich aus dem vermeintlichen Sack raus drehte und dann den Ball noch so weg bekam - absolut spektakulär.

Jackson als Runner noch immer brandgefährlich

Es sind aber auch die subtilen Plays, beziehungsweise der subtile Impact. Wie etwa, dass die Running Backs häufig einen Vorteil haben, weil die Gefahr, dass Jackson den Ball behält und nach außen sprintet, selbst gegen eine Stacked Box einen Verteidiger aus dem Play rausziehen kann. Dafür gab es auch gegen Jacksonville einige Beispiele, unter anderem den 20-Yard-Run von Gus Edwards auf dem Weg zum 20:7.

Der schnelle Release aus der Pocket, der Wille, Plays innerhalb der Struktur am Leben zu erhalten, all das zeichnet Jacksons Spiel aus und gibt der Offense jede Woche mal offensichtliche, mal subtile Vorteile. Und dann eben die eigenen Runs als noch immer eine der gefährlichsten Quarterback-Waffen ligaweit.

Lamar Jackson von den Baltimore Ravens

Lamar Jackson und die Ravens sind auf bestem Weg, sich den Top-Seed in der AFC zu sichern. Getty Images

Der Scramble fürs First Down (7:50/erstes Viertel), als nichts offen war, Jackson in die Pocket trat und dann in den Raum kam und einem Linebacker davonlaufen konnte.

Der Scramble fürs First Down Mitte des dritten Viertels (6:34/drittes Viertel), bei dem er zuerst das Play verlängerte und verlängerte und eine Pass-Option suchte, und als nichts offen war eben das First Down selbst am Boden kreieren konnte. Oder der 21-Yard-Run, um den Deckel auf diese Partie zu machen (3:00/viertes Viertel).

Die Interception war genauso bitter wie unnötig. Bei Second Down mit genug Raum, um entweder selbst fürs First Down zu laufen, oder den Ball zu Likely zu pitchen, versuchte Jackson, einen Pass über die Mitte zu erzwingen und Jenkins antizipierte das perfekt.

Diesen Ball darf Jackson niemals so werfen. Gut möglich, dass er am Ende nicht die Total Stats haben wird, um genug MVP-Stimmen zu bekommen und ein gewisses Maß an Inkonstanz muss man auch Jackson hin und wieder ankreiden. 

Wenn man sich die Ravens-Offense Woche für Woche anschaut, sollte es aber zwei zentrale Takeaways geben: Zum einen, dass die Diskussionen um Jackson als Passer dieses Jahr umso mehr entkräftet wurden, nicht zuletzt, weil es Spiele gab, in denen der Game Plan um ein effizientes Quick Game herum aufgebaut war. Und zum anderen, dass kaum eine Offense in der NFL so durch ihren Quarterback geprägt und von ihrem Quarterback getragen wird. Das Jaguars-Spiel war eine treffende Zusammenfassung davon.

THIRD DOWN: Play der Woche - James Cooks Touchdown-Catch gegen Dallas

49-mal liefen die Bills am Sonntag gegen Dallas den Ball, Josh Allen warf überhaupt nur 15 Pässe. Mehr brauchte es nicht, denn die 266 Rushing-Yards, die Buffalo am Sonntag im Regen auflegte, waren mehr, als die Passing-Yards beider Teams zusammengenommen.

Die Bills waren spektakulär am Boden, dazu gleich noch ein paar Gedanken. Herausgesucht habe ich mir für diese Kategorie aber den einzigen Touchdown-Pass der Partie, weil er ergänzend zum in Buffalo neu entdeckten Run Game einige der Dinge unterstrich, die diese Bills-Offense so viel gefährlicher und auch konstanter machen, als das vor fünf, sechs Wochen noch der Fall war.

Denn es war keineswegs so, dass James Cook in den ersten Wochen der Saison im Passspiel keine Rolle gespielt hätte. Er hatte regelmäßig zwei, drei, vier Targets und auch einige Spiele mit solidem Receiving-Output. Doch das Spiel gegen Kansas City in der Vorwoche war anders: Es war Cooks erstes Spiel in dieser Saison, in dem er mehr als drei Targets erhalten hat und dabei eine durchschnittliche Target-Tiefe jenseits der 5-Yard-Marke verzeichnen konnte; für Running Backs ein hoher Wert.

Gegen die Cowboys hatte er - in einem Spiel, in dem Josh Allen insgesamt nur 15 Pässe warf - nur drei Targets. Damit war er immer noch auf dem zweiten Platz hinter Stefon Diggs, vor allem aber hatte er den zweiten Touchdown des Spiels, um auf 14:0 zu stellen, welcher seine expandierte Rolle innerhalb der Offense unterstreicht.

Wir wussten vor dem Spiel, dass Dallas viel in Man Coverage sein würde und eine der zentralen Fragen für mich war, inwieweit Buffalo das insbesondere mit Cook gegen die Linebacker ausnutzen würde. Hier gelang es ideal.

Bei First Down hatten die Bills zwei Receiver auf der rechten Seite, die mit In-Breaking-Routes den Slot-Corner und den Outside Corner mit zogen. Der einzige tiefe Safety wurde so ebenfalls lange genug in der Mitte gehalten. Das öffnete den Raum für Cook, der Eins-gegen-Eins gegen Linebacker Damone Clark stand. Cook zündete den Turbo, während Clark extrem viel Raum verteidigen musste, und auch eine In- oder Out-Breaking-Route Underneath hier als Möglichkeit antizipieren musste.

Cook sprintete an ihm vorbei, Allen legte den Ball weg vom Linebacker und Cook fing den Pass dann noch rein mit den Händen weg vom Körper. Ein sehr gutes Design, welches Cooks neue Rolle in dieser Offense versinnbildlicht.

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Cooks 221 Scrimmage-Yards waren die meisten für einen Bills-Spieler seit Fred Jackson 2009. Cooks 25 Carries waren ein persönlicher Karriere-Höchstwert für ein Spiel, genau wie seine Rushing Success Rate (64 Prozent). 100 Rushing-Yards in der ersten Halbzeit für die Bills hatte bis zum Sonntag zuletzt LeSean McCoy geschafft. Die 266 Rushing-Yards sind ein neuer Höchstwert in der Sean-McDermott-Ära.

Diese Zahlen sind bemerkenswert für ein Team wie Buffalo, das sich über die letzten Jahre so klar über das Passspiel definiert hat. Was mit Sicherheit auch zu der offensiven Inkonstanz und zu den Aussetzern von Josh Allen beigetragen hat.

Gleichzeitig aber war das die Art Spiel, wie ich sie von den Bills in der Offeseason noch mehr erwartet hatte. Denn Buffalo hatte im Frühjahr relevante Ressourcen in diese Art Offense investiert: Guard Connor McGovern war der dickste Free-Agency-Fisch, den die Bills dieses Jahr an Land zogen, in der zweiten Runde des Drafts legte man mit Guard O’Cyrus Torrence nochmal prominent in der Interior Offensive Line nach.

Dazu die Verpflichtung von Damien Harris als physischem Runner, der Fullback noch im Kader - die Idee, die eigene Elite-Passing-Offense um ein physisches Run Game zu ergänzen, lässt sich schon im Grundgerüst dieser Version der Bills-Offense erkennen. Es hat nur eine Weile gedauert, um das so mal komplett zu entfesseln; natürlich half es dabei, dass es im Laufe der Partie ohnehin heftig regnete, und dass die Cowboys den Run überhaupt nicht in den Griff bekamen.

Aber die Bills mit diesen neuen Offense-Dimensionen zu sehen, unterstreicht, wie gefährlich Buffalo sein kann, sollte es jetzt doch noch für die Play-offs reichen. Mit den Chargers und den Patriots warten jetzt zwei machbare Aufgaben, ehe es in Woche 18 nach Miami zu den Dolphins geht. Und sollten die Dolphins bis dahin noch ein Mal stolpern - Miami muss gegen die Cowboys und die Lions ran - geht es in Woche 18 im direkten Duell sogar um den Division-Titel.

FOURTH DOWN: Was nicht unerwähnt bleiben sollte

Bei der Eagles-Offense schrillen endgültig die Alarmglocken. Ein paar der Dinge, die mir zuletzt in der Offense gefehlt haben, und die ihr auch eine Basis geben können, waren am Montagabend gegen Seattle sogar da. Philadelphia nutzte die schwache Run-Defense der Seahawks, um sowohl mit seinem Base Run Game, als auch mit dem designten Quarterback Run Game früh in der Partie den Rhythmus am Boden zu diktieren.

Jalen Hurts von den Philadelphia Eagles

Jalen Hurts und die Eagles kassierten am Montagabend in Seattle die nächste Niederlage. Getty Images

Und in einer idealen Eagles-Welt ist Philly nicht nur konstant, sondern auch explosiv am Boden, aber Ersteres wieder zu schaffen, wäre schon immens wichtig für diese Offense.

Wie bei den ersten beiden Scoring-Drives am Montagabend: Philly lief beim ersten Touchdown-Drive zehn Mal für 36 Yards, drei First Downs und den Touchdown und beim Field-Goal-Drive elf Mal für 43 Yards und drei First Downs. Keine herausragenden Zahlen, aber konstante Production und das alleine hilft dieser Offense schon enorm.

Denn, und diese Erkenntnis lässt sich zumindest für den Moment nicht weg diskutieren: Jalen Hurts müsste dieses Jahr mehr im Passsspiel selbst übernehmen, und Stand jetzt kann er das nicht. Trotz einer Elite-Line und einem Top-3-Receiver-Duo.

Und wir können hier über das Scheme und all die Probleme damit sprechen, und das ist fair. Der Abgang von Offensive Coordinator Shane Steichen macht sich extrem bemerkbar, und auf mich wirkt es zunehmend so, als wolle Brian Johnson Steichens Offense nachahmen, ohne aber alle Details korrekt umsetzen zu können.

Ein Beispiel: Die Eagles hatten in dieser Saison bislang gerade einmal 18 Dropbacks Under Center. 93 Prozent der Offense finden insgesamt in der Shotgun statt. Und das wäre zu rechtfertigen, wenn das Quarterback-Run-Game eine tragende Säule wäre - das ist es aber nicht, Hurts ist längst nicht so dynamisch wie letztes Jahr. Das führt zu einer Offense, die strukturell um das Quarterback-Run-Game herum aufgebaut ist, das aber nicht wie gewohnt funktioniert. Und darauf fehlen die Anpassungen.

Im regulären Dropback Passing Game schießt sich Hurts gelegentlich zu sehr auf A.J. Brown ein und lässt so offene (Checkdown-)Optionen ungenutzt, er scheint im Moment das Feld nicht gut zu sehen. Ich habe ernsthafte Zweifel daran, dass mit Hurts und Johnson das Passing Game für einen konstanten Rhythmus sorgen wird. All diese Punkte kombiniert führen zu einer individuell hochtalentierten Offense, die ihre PS aber nicht auf die Straße bekommt. Und dafür ist die Defense nicht gut genug.

Die Offseason wirft ihre Schatten voraus. Die weiteren Schicksale der angehenden Play-off-Teams mal ausgeklammert, ist für mich dieser Tage kein Team faszinierender, als die Chicago Bears. Spätestens seit sich die Carolina Panthers an der Spitze des Drafts abgesetzt haben mit dem Pick, den die Panthers nach Chicago schicken werden - und Carolina sieht nicht so aus, als wäre ein Sieg noch drin - war Chicago fest auf dem Radar als eines der interessantesten Offseason-Teams.

Doch dann passierte noch etwas: Die Bears fingen an, besser zu spielen. Matt Eberflus’ Defense hat sich seit dem Trade für Montez Sweat in der Front merklich stabilisiert, doch auch gerade die junge Secondary wächst mehr und mehr zusammen. Eberflus könnte, wenn das so weitergeht, bis Saisonende einen Case haben, um seinen Job zu behalten.

Das ist die eine Seite der Gleichung, die andere, und die noch interessantere, ist Justin Fields. Fields steht ein wenig stellvertretend für schon seit Jahren geführte Quarterback-Debatten: Wie viel Zeit sollte man einem Quarterback geben? Inwieweit muss man ein Auge zudrücken, wenn seine Karriere in schlechten Umständen begonnen hat? Wie realistisch ist ein Breakout im vierten NFL-Jahr?

Die Bears werden sich all diese Fragen bald stellen müssen. Denn Chicago wird aller Voraussicht nach den Nummer-1-Pick im kommenden Draft haben - und gleichzeitig sind bei Fields über die vergangenen Wochen merkliche Verbesserungen festzustellen. Gerade auch als Passer, denn was er athletisch als Runner kann, steht ohnehin außer Frage. Am Sonntag wurde ihm ein riesiges Saison-Highlight geklaut, als Darnell Mooney Fields' Hail Mary Touchdown in den Schlusssekunden im Spiel gegen die Browns nicht festhalten konnte.

Justin Fields von den Chicago Bears

Justin Fields kämpft bei den Bears um seine sportliche Zukunft in Chicago. Getty Images

Die Diskussion darüber, wie die Bears die kommende Offseason angehen sollten, wird uns noch lange genug begleiten und muss hier auch noch nicht in allen Details aufgemacht werden.

Ich finde zu diesem Zeitpunkt deshalb auch die übergreifenden Herangehensweisen viel spannender, unter anderem eben anhand der oben genannten Fragen.

Dass Fields früh in seiner Karriere keine guten Umstände hatte, steht außer Frage. Die sind inzwischen besser - das gilt für Fields, aber auch für einen potenziellen Rookie-Quarterback. Und auch in besseren Umständen sehen wir bei Fields bislang mehr einzelne Flashes, einzelne Highlights, als das Maß an Konstanz als Passer, das man sich von einem Quarterback wünschen würde, um die Gelegenheit mit dem Nummer-1-Pick verstreichen zu lassen.

Ein Rookie-Quarterback würde dann in deutlich besseren Umständen starten, als Fields sie einst in Chicago hatte - was für sich eine hochspannende Diskussion eröffnet. Ist es für Teams ratsam, erst ein gutes Supportsystem aufzubauen, bevor man sich insbesondere hoch im Draft einen Quarterback holt?

Wie so oft gibt es hier keine strikte schwarz-weiß Antwort. Und ich denke, dass wenn sich die Gelegenheit bietet - wie mit einem sehr hohen Pick, oder wenn ein Quarterback überraschend im Draft abrutscht - es nie die falsche Herangehensweise ist, einen Quarterback zu picken, von dem man überzeugt ist.

Mahomes, Young, Rodgers & Co.: Die NFL-Quarterbacks 2023

Was in jedem Fall außer Frage steht, sind zwei Dinge: Erstens, dass es wesentlich leichter ist, einen Quarterback zu evaluieren, wenn ein gewisses Gerüst bereits vorhanden ist und man den Rookie-Quarterback nicht mit einem der schlechtesten Kader der Liga begrüßt. Und zweitens, dass eine bereits vorhandene funktionierende Infrastruktur es dem Team umso mehr erlaubt, das Fenster des Quarterback-Rookie-Vertrags - der für sich betrachtet größte Roster-Building-Vorteil in der NFL - bestmöglich auszunutzen. Weil eben nicht erst eine Vielzahl an Löchern gestopft werden müssen. Warnende Beispiele wären hier die Chargers und die Cardinals, die die Rookie-Verträge von Justin Herbert und Kyler Murray damit verbrachten, krampfhaft einen Möchtegern-Contender-Kader zusammenzubasteln.

Um das auf den eigentlichen Punkt zurück zu bringen: Egal, wie sich die Bears entscheiden, die Arbeit für den Quarterback 2024 wird leichter sein, als sie es für Fields in den ersten beiden Jahren war. Umso mehr ergibt es Sinn, die Rookie-Vertrags-Uhr wieder auf Null zu stellen, insbesondere weil Fields bisher noch nicht gezeigt hat, dass er als Passer die Konstanz für eine Top-8-NFL-Offense mitbringt.

Das Ende der Brandon-Staley-Ära war spektakulärer als seine Amtszeit. Dass für Staley bei den Chargers die Zeit abläuft, das war absehbar. Die blamable 21:63-Niederlage gegen die Raiders zur Primetime war nur der Katalysator, um eine Entscheidung vorzuziehen, die sich seit Wochen unausweichlich angefühlt hat.

Staleys Amtszeit in L.A. war häufig ein Thema kontroverser Diskussionen. Seine Fourth-Down-Entscheidungen, die hohen Erwartungen, hinter welchen man regelmäßig zurück blieb, das Play-off-Debakel gegen Jacksonville. Von dem Coach, der als gefeierter, innovativer Defensive Coordinator von den Rams kam, um gemeinsam mit Justin Herbert eine neue Chargers-Ära zu prägen, wurde am Ende ein Coach, der sich sehr abnutzte - auch intern, wenn man den Berichten glaubt - und der trotz all der Debatten aus den gleichen Gründen entlassen wurde, wie schon so viele Coaches bei so vielen Teams vor ihm.

Das falsche Händchen bei der Auswahl seines (Offensive) Coordinators, die fast durch die Bank weg fehlende Entwicklung von jungen Spielern. Auch hatte man eigentlich während seiner gesamten Amtszeit den Eindruck, dass Staley viel zwischen den Stühlen saß und so weder der CEO-Head-Coach-Rolle, noch der Rolle des Defense-Coaches, der ein Woche für Woche funktionierendes Gerüst entwirft und seine Defense ideal auf Gegner einstellt, gerecht wurde. Und da reden wir noch gar nicht darüber, dass Basics wie Tackling häufig nicht gut waren, oder defensive Abstimmungsfehler auch im dritten Jahr in seinem Scheme auftraten.

Ich bin sehr gespannt, in welche Richtung die Chargers jetzt gehen. Wir reden hier immerhin über eine Franchise, die bereits die Philip-Rivers-Ära ohne auch nur einen Trip zum Super Bowl beendet haben. Welche Schlüsse zieht man in Los Angeles daraus, um zu verhindern, dass sich das Spiel mit Justin Herbert wiederholt? Die nächsten Wochen werden uns hier sehr vieles über den Owner und über diese Franchise verraten.

Adrian Franke

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