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Blasse Altstars und 1:0-Flut: 7 Erkenntnisse der WM-Vorrunde

Wer auf Vergangenheit setzt, verliert

Blasse Altstars, Traumtore, 1:0-Schwemme: Sieben Erkenntnisse der WM-Vorrunde

Caroline Sinclair (li.) enttäuschte mit Kanada, Amanda Ilestedt (Mi.) und Lauren James (re.) trafen für Schweden beziehungsweise England je dreimal.

Caroline Sinclair (li.) enttäuschte mit Kanada, Amanda Ilestedt (Mi.) und Lauren James (re.) trafen für Schweden beziehungsweise England je dreimal. imago images

FIFA liegt mit 32er-Teilnehmerfeld richtig

Es gibt keine Kleinen mehr? Da sprechen die Ergebnisse des letzten Vorrunden-Spieltags eine andere Sprache: 0:7, 1:6, 6:0. Doch auch wenn diese Zahlen anders wirken, darf sich die FIFA in ihrer Einschätzung bestätigt fühlen. Der Frauenfußball kann eine WM mit 32 Teams schultern, das größere Teilnehmerfeld zahlt sich aus. Ob Haiti gegen England (0:1), Jamaika gegen Brasilien (0:0) oder eben Südkorea gegen Deutschland (1:1): Immer wieder machten die vermeintlich Kleinen es den Großen richtig schwer.

Stellvertretend der Blick auf Jamaika: Null Punkte und 1:12 Tore nach der Gruppenphase der WM 2019 - und nun 2023 der Achtelfinal-Einzug in einer Gruppe mit Frankreich und Brasilien.

Gruppe A liebt die Null

Das Lieblingsergebnis dieser WM bisher: 1:0. Insgesamt zwölf Partien endeten mit dem minimalistischen Resultat. Kompakt verschieben können eben inzwischen fast alle Teams.

Gruppe A trieb diesen Trend auf die Spitze: Neuseeland, Norwegen, die Philippinen und die Schweiz spielten dort zusammengerechnet acht Mal zu null - oder erzielten acht Mal keinen Treffer, wie man es eben dreht und wendet. Das ist neuer WM-Rekord: Der alte hatte bei sechs Zu-null-Ergebnissen innerhalb einer Gruppe gelegen.

Torhüterinnen überzeugen

Drei Nationen ließen in der Gruppenphase kein einziges Gegentor zu. Wer auf diese drei im Vorhinein getippt hätte, wäre ziemlich reich geworden: Weder Jamaika (1:0) noch Japan (11:0) oder die Schweiz (2:0) hatte da wohl jemand auf dem Zettel.

Wie schon bei der EM 2022 beweisen die Torhüterinnen sehr stabile Leistungen. Die Zeiten, in denen kuriose Patzer das öffentliche Bild vom Frauenfußball bestimmen, sind längst vorbei. Auch bei kleinen Nationen spielen sich Keeperinnen in den Vordergrund - wie die Jamaikanerin Becky Spencer von Tottenham Hotspur oder Catalina Perez aus Kolumbien, die nach der WM zu Werder Bremen in die Bundesliga wechselt.

Echte Traumtore

Eine direkt verwandelte Ecke der Irin Katie McCabe? Der herrliche Freistoß von Panamas Kapitänin Marta Cox genau in den Winkel? Oder der Schlenzer von Kolumbiens Top-Talent Linda Caicedo gegen Deutschland? Für das - bisher - schönste Tor der WM bewarben sich gleich mehrere Spielerinnen. Das wird dem Frauenfußball bei seiner Öffentlichkeitsarbeit helfen, hatten doch vergangene Turniere eher selten Treffer von diesem Format produziert.

Nicht nur Ilestedt kann es mit dem Kopf

Allen voran bleibt die schwedische Verteidigerin Amanda Ilestedt in Erinnerung, die ihre 1,78 Meter Körpergröße dreimal für Treffer nutzte. Alexandra Popp (1,74 Meter) tat es ihr gleich. Insgesamt 27 der 126 Tore in der Vorrunde fielen per Kopf - auch ein Trend dieses Turniers.

Faire Partien, seriös geleitet

Die Zahl der Gelben Karten fällt diesmal auffallend gering aus. 90 ihrer Art wurden in 48 Partien gezeigt, also 1,88 je Spiel. Im Vergleich dazu: 2,35 waren es bei der WM 2019, 2,16 bei der EM 2022. Und in der deutschen Frauen-Bundesliga werden sogar 2,63 Gelbe je Spiel verteilt. Generell machen die Schiedsrichterinnen - auch mit Unterstützung der VAR und mit Kommunikation via Lautsprecher - einen seriösen, im besten Sinne unauffälligen Job.

Die neue Generation hat die alte schon verdrängt

Wer auf Vergangenheit setzt, verliert: Das zeigt sich beim Abschneiden von Kanada und Brasilien. Dort sind die Volksheldinnen Christine Sinclair (40) und Marta (37) schon ausgeschieden. Auch in den USA schlüpfen die Alt-Stars Megan Rapinoe und Alex Morgan nur noch in Nebenrollen. Und auch Deutschland, das mit fast unverändertem EM-Kader und ohne frisches Blut nach Australien gereist ist, erlebte ein böses Erwachen.

Stattdessen scheinen bei dieser WM neue Lichter am Shootingstar-Himmel: Esmee Brugts schnürte für die Niederlande einen Doppelpack, Linda Caicedo traf nicht nur gegen Deutschland, auch Mary Fowler und Sophia Smith glänzten hier und da für Australien respektive die USA. Allen voran sammelte die Engländerin Lauren James sechs Scorerpunkte in gerade einmal 200 Minuten. Die neue Generation steht nicht nur vor der Tür, sie ist schon längst eingetreten.

Paul Bartmuß

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