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Burdenski und der Bundesliga-Skandal: "Bespuckt, beschimpft" - und fast ein Messer im Rücken

Der frühere Torwart erinnert sich an die Folgen seines Geständnisses

Burdenski und der Bundesliga-Skandal: "Bespuckt, beschimpft" - und fast ein Messer im Rücken

Dieter Burdenski erinnerte sich 2013 an die Folgen seines Geständnisses im Bundesliga-Skandal von 1971.

Dieter Burdenski erinnerte sich 2013 an die Folgen seines Geständnisses im Bundesliga-Skandal von 1971. imago images

Herr Burdenski, in der Saison 1971/72 erlebten Sie als Torhüter von Arminia Bielefeld Ihren Durchbruch in der Bundesliga. Gleichzeitig wurde die Spielzeit überschattet von der Untersuchung des Bundesligaskandals im Jahr zuvor. Im Mai 1972 waren Sie der erste Spieler, der vor Gericht die Annahme von 2400 Mark zugegeben hat.

"Ja, das war nun mal die Wahrheit. Der konnte und wollte ich mich nicht entziehen. Und ich hatte mir nach meinem damaligen Empfinden ja auch nichts zuschulden kommen lassen. In dem fraglichen Spiel stand ich noch bei Schalke im Tor, wir verloren gegen Bielefeld 0:1. Und ich hatte keine Ahnung, dass etwas nicht sauber ablief."

Warum haben Sie das Geld dann überhaupt genommen?

"Die Summe war einfach enorm hoch, auch gemessen an unserem damaligen Verdienst. Als junger Mensch habe ich da einfach nicht die Fragen gestellt, die ich mir heute sicherlich stellen würde."

Im kicker erhielten Sie für Ihre Leistung im damaligen Spiel die Note 1.

Schalkes Keeper Dieter Burdenski

Das eine Mal chancenlos: Schalkes Keeper Dieter Burdenski kassiert das spielentscheidende 0:1 gegen Bielefelds Gerd Roggensack. imago images

"Ich war überall in der 'Elf des Tages'. Ich sage ja: Ich habe keinen Fehler gemacht - außer das Geld genommen zu haben. Das Spiel war für mich als Torhüter perfekt, bei so vielen Gelegenheiten, mich gegen frei vor mir auftauchende Stürmer auszuzeichnen. Dabei hätte ich eigentlich gar nicht spielen sollen. Weil Norbert Nigbur Knieprobleme hatte, wurde ich anderthalb Stunden vor Anpfiff zum Platz bestellt. Vielleicht dachte man ja auch: Wir stellen den Jungen rein, der kann eh nicht so viel."

Folgen für die gesamte Familie Burdenski

Ihr Geständnis löste gewaltigen Wirbel aus - haben Sie Ihre Ehrlichkeit zwischendurch irgendwann mal bereut?

"Nein, das nicht. Ich für meinen Teil wollte bei der Wahrheit bleiben. Aber ich war unwahrscheinlich enttäuscht, wie das Schalker Umfeld damit umgegangen ist. Das ging bis hin zu Morddrohungen durch Fans, weil ich als derjenige gesehen wurde, der den Verein in den Schmutz gezogen hatte. Das war schlimm für mich als jungen Menschen, zumal Schalke ja meine Wiege war, meine Heimat. Und auch für meine Familie war es schlimm, für meine Eltern und meinen Bruder, die weiter in Gelsenkirchen wohnten. Mein Vater Herbert war Mitglied der legendären Elf um Szepan und Kuzorra, saß lange im Schalker Aufsichtsrat. Und mein Bruder hatte eine angesehene Stellung bei der Stadt. Auch sie mussten größte Anfeindungen ertragen. Es hat Jahre gedauert, bis sich die Sache wieder einigermaßen normalisiert hatte."

Zwei Tage nach Ihrem Geständnis, am 20. Mai 1972, kehrten Sie mit Arminia Bielefeld erstmals nach Schalke zurück. Wie wurden Sie da von Ihren ehemaligen Mitspielern empfangen?

"Nicht gerade mit offenen Armen. Aber viel schlimmer war, was vonseiten der Fans abging. Eigentlich hätte ich da unter Polizeischutz stehen müssen. Wir haben uns damals ja noch nicht im Stadion warmgemacht, sondern auf einem Nebenplatz. Die Zuschauer standen ganz dicht dran an der Bande, von der Kabine auf den Platz und wieder zurück sind wir mitten durch die Menge gegangen. Da sind Bierpullen geflogen, ich wurde bespuckt und beschimpft, mir wurden Beine gestellt. Und weit und breit kein Ordnungsdienst oder gar Polizei. Das wäre heute unvorstellbar. Was ich da erlebt habe, wünsche ich wirklich keinem. Im Nachhinein kann ich froh sein, kein Messer in den Rücken bekommen zu haben. Es war nicht weit davon entfernt."

Im Nachhinein kann ich froh sein, kein Messer in den Rücken bekommen zu haben. Es war nicht weit davon entfernt.

Dieter Burdenski

Das Spiel verloren Sie mit Arminia Bielefeld 2:6.

"Ja, ich war nervlich total am Ende nach den ganzen Anfeindungen. So habe ich dann auch gehalten. Eigentlich hätte mich da auch Bielefeld als Verein schützen müssen und gar nicht aufstellen dürfen. Das war an sich schon ein Unding."

Ehemalige Schalker Mitspieler, etwa Klaus Fischer, wollen über den Skandal heute gar nicht mehr sprechen. Wie ist Ihr Verhältnis zu den damaligen Kollegen?

"Die Sache ist verjährt und zu einem Gutteil auch vergessen. Das Verhältnis ist in Ordnung. Ich habe ja auch niemanden in etwas hineingeritten, darauf habe ich immer Wert gelegt. Ich habe ausgesagt, dass ich Geld angenommen hatte, nichts Anderes. Über den Anteil der anderen habe ich nichts gesagt, und ich wusste auch nichts Genaues."

Schwierige Rückkehr nach Schalke: Der nach Bielefeld gewechselte Dieter Burdenski. imago images

War denn vor dem verschobenen Spiel im Frühjahr 1971 schon klar, dass Sie ausgerechnet nach Bielefeld wechseln würden - oder haben Sie sich durch die Glanzleistung in besagter Partie erst so richtig bei der Arminia empfohlen?

"Weder noch. Ich hatte Angebote von überall her, von 1860, Köln, Hertha. In Wuppertal hatte ich sogar unterschrieben, hätte dort deutlich mehr verdienen können. Letztlich fiel meine Wahl auf Bielefeld, weil ich dort die beste Perspektive erkannte, mich in der Bundesliga zu entwickeln. In Gerd Siese hatte die Arminia damals einen älteren Torwart, da habe ich die Chance gesehen, schnell die Nummer 1 zu werden. So kam es dann ja auch."

Zwangsabstieg nach dem 13. Spieltag

Sie absolvierten 31 Spiele und kamen auf einen glänzenden kicker-Notenschnitt von 2,16. Doch am Ende stand Bielefelds Zwangsabstieg in die Regionalliga, als Strafe für die in der Saison zuvor erkauften Punkte.

"Ja, das war für alle Beteiligten sehr schwierig. Schließlich erging das Urteil über unseren Zwangsabstieg schon im Oktober, sodass wir vom 13. Spieltag an praktisch außer Konkurrenz spielten. Trotzdem kamen zu unseren Heimspielen in der Regel noch um die 20.000 Zuschauer. Das war auch etwas Besonderes. Wenn man die Zuschauer sah, war alles andere vergessen, da herrschte dann die pure Lust aufs Spielen und Gewinnen. Auch beim Training konnte man meistens gut abschalten. Aber in ruhigen Momenten, wenn Zeit zum Nachdenken war, hat einen die ganze Sache schon belastet. Man musste als Sportler lernen, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren."

Würden Sie also sagen, dass Sie von dieser Erfahrung, so bitter sie war, langfristig profitierten?

"Nein, das sicher nicht. Auf diese Erfahrung hätte ich sehr gut verzichten können. Es gibt negative Erfahrungen, die zu einer sportlichen Entwicklung dazugehören, aber diese war absolut überflüssig. Wenn ich könnte, würde ich sie streichen. Aber sie gehört nun mal zu meinem Leben, ob ich will oder nicht."

Interview: Thiemo Müller

Das Interview wurde 2013 geführt und erschien in der kicker-Sonderedition "50 Jahre Bundesliga".
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