Bundesliga

Christian-Petru Ciochirca im Interview: "Irgendwann geht dir die Luft aus"

Der FIFA-Schiedsrichter im Gespräch

Ciochirca im Interview: "Irgendwann geht dir die Luft aus"

Christian-Petru Ciochirca ist seit 2020 auch FIFA-Schiedsrichter.

Christian-Petru Ciochirca ist seit 2020 auch FIFA-Schiedsrichter. GEPA Pictures

Winterpause in Österreich. RB Salzburg steuert dem neunten Meistertitel in Folge schier unaufhaltsam entgegen, die Mozartstädter haben bereits 14 Punkte Vorsprung auf den ersten Verfolger Sturm Graz. Alles beim Alten also in der österreichischen Bundesliga, könnte man meinen. Nicht ganz. Denn seit Saisonbeginn kommt in Österreich der Video Assistant Referee (VAR) zum Einsatz - und dieser sorgte an den ersten 18 Spieltagen für reichlich Gesprächsstoff.

Seinen ersten diskussionswürdigen Auftritt hatte der VAR im Auftaktspiel zwischen Sturm und Salzburg nach nur elf Minuten. 4 Minuten und 30 Sekunden dauerte der erste Check in der Geschichte des Bundesliga, ehe eine vermeintliche Abseitsposition von Stefan Hierländer korrigiert wurde. "Bei der ersten Entscheidung wurde besonders viel Wert auf ihre Richtigkeit gelegt. Daher war die Dauer des Checks nicht optimal", erklärt FIFA-Schiedsrichter Christian-Petru Ciochirca im exklusiven Gespräch mit dem kicker.

"Viel Potential für Verbesserung"

Grundsätzlich sei er mit dem nunmehrigen Einsatz des VAR aber zufrieden: "Im Großen und Ganzen haben wir es mittlerweile geschafft, eine Akzeptanz beim Fußballkonsumenten zu erlangen. Die Interventionslinie wurde präzisiert und wir wissen jetzt, wann wir eingreifen müssen und wann nicht. Klar ist aber auch, dass es für uns noch viel Potential zur Verbesserung gibt."

Schließlich gab es in der laufenden Saison bislang auch sieben fehlende bzw. unerwünschte VAR-Interventionen, teilte die Bundesliga unlängst mit. Ciochirca sieht darin nicht nur Schlechtes: "Grundsätzlich finde ich es schön, dass nach wie vor diskutiert wird. Das Argument, der VAR würde den Fußball umbringen, stimmt definitiv nicht. Vielmehr zeigt sich, dass er zu mehr Gerechtigkeit führt, aber weiterhin Spielraum für Diskussionen offenlässt."

Um für den Videoschiedsrichter noch mehr Zuspruch in der Bevölkerung zu generieren, hält Ciochirca zudem einen weiteren Aspekt für ganz entscheidend: eine proaktivere Handhabung des VAR. "Wir sollten nicht immer auf ein Signal von außen warten, sondern auch einmal selbst um Bilder anfragen", erklärt der Grazer.

Kampf um die Meistergruppe: Das Restprogramm aller Mannschaften

Denn auch Ciochirca weiß, dass der VAR unter Fußballfans nach wie vor ein großes Streitthema ist. Jahrelang hatte sich die FIFA an die Fahnen geheftet, im gesamten Fußballsport die gleichen Regeln zu haben. Seit der Einführung des Videoschiedsrichters herrscht nun aber eine Ungleichheit zwischen Profi- und Amateurfußball. "Es geht um so wichtige Entscheidungen, die über richtig viel Geld entscheiden. Im Endeffekt war dieser Schritt daher auch in Österreich unausweichlich. Wir würden ansonsten sowohl auf Vereins-als auch auf Schiedsrichter-Ebene ganz weit von der Spitze entfernt sein", so Ciochirca.

Der 32-Jährige betont jedoch auch, dass die Klubs im Vergleich zu den heimischen Unparteiischen auf einem höheren Niveau agieren. Als Grund dafür macht Ciochirca vor allem die fehlende Professionalität aus: "Man muss sich auf kurz oder lang überlegen, ob wir nicht professioneller werden wollen. Dafür braucht es natürlich auch eine finanzielle Absicherung. Es ist kaum möglich, am Wochenende eine Top-Leistung zu bringen, wenn man am Freitag noch an 17 Meetings denkt. Daher schwanken die Leistungen auch so stark."

Ciochirca selbst ist im Brotberuf als Dolmetscher tätig. Eine große Herausforderung, wie er betont: "In beiden Jobs tätig zu sein, raubt viel Energie. Irgendwann geht dir die Luft aus. Man hinterfragt das schon." Nachdenklich stimmt Ciochirca in erster Linie, dass das österreichische Schiedsrichterwesen auf Funktionärsebene und im regionalen Bereich auf ehrenamtlicher Arbeit aufbaut. "Man muss sich ernsthaft überlegen, ob das noch zeitgemäß ist."

Schweiz als Vorbild?

Ciochirca sieht jedoch auch im Profifußball noch viel Aufholbedarf - und blickt dabei auch über die Grenzen Österreichs hinaus: "Ich finde das Schweizer Modell gut. Da bekommst du ein Brutto-Fixum von 6.500 Franken für zwei Spiele im Monat. Solltest du dich verletzen, bleibt dir dieses Gehalt. Wenn du mehr Partien pfeifst oder VAR bist, bekommst du am Ende des Jahres eine Bonuszahlung. So hast du eine Planungssicherheit.“

In Österreich sei diese hingegen nicht gegeben, da Schiedsrichter pro Einsatz bezahlt werden und beispielsweise bei verletzungsbedingten Ausfällen kein Geld mehr bekommen. "In Österreich haben wir bereits sehr gute Spielgebühren. Wir müssen aber bei den Rahmenbedingungen und auch bei Absicherungen im Falle einer Verletzung noch nachholen.“ An ein Karriereende denkt Ciochirca deswegen aber noch nicht. Zumal er in den kommenden Jahren noch ein großes Ziel verfolgt und sich auch auf den internationalen Bühnen dieser Welt behaupten will. Dafür braucht es gemäß des FIFA-Referees vor allem eines: eine weitere Professionalisierung des österreichischen Schiedsrichterwesens. "Anders wird es nicht gehen."

Nikolaus Fink