Bundesliga (D)

Bernd Nickel 2019 im Interview: "Freistoß auf Halshöhe"

Bernd Nickel 2019 im kicker-Interview

"Da kam der erste Freistoß auch mal auf Halshöhe"

Typische Szene: Bernd Nickel zieht mit links ab.

Typische Szene: Bernd Nickel zieht mit links ab. imago sportfotodienst

Sie waren der Typ torgefährlicher Mittelfeldspieler mit Wumms. Sehen Sie einen würdigen Nachfolger oder gibt es diese Art Spieler nicht mehr?

Die klassischen Spielmacher gibt es kaum noch. James sehe ich gerne. Der spielt manchmal Pässe, bei denen ich denke: Den hätte ich früher auch probiert. Wenn er dann ankommt, freue ich mich. Max Kruse hat ein tolles Auge und verliert den Ball fast nie. Und Luca Waldschmidt mit seinem tollen linken Fuß und der hessischen Herkunft würde ich morgen aus Freiburg nach Frankfurt zurückholen, wenn ich könnte.

Sie sind immer volles Risiko gegangen. Doktor Hammer, wie Hans Tilkowski Sie getauft hat, hat aber auch mal neben den Nagel gehauen.

Was bringt es mir denn, wenn ich den Ball bei einem Freistoß über die Mauer hebe und der Torwart fängt ihn locker? Da kam der erste Schuss auch mal auf Halshöhe, damit der Kopf beim zweiten Freistoß weggezogen wird. Da musste man sich schon was einfallen lassen.

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Haben sich die Mitspieler wegen der Streuung auch mal beschwert?

Doch, das kam vor. Auf Schalke stand Branko Oblak am Strafraumrand, um meine Ecken zu blocken. Dreimal habe ich ihn am Oberschenkel oder an der Hüfte getroffen, da kam von Grabi (Jürgen Grabowski, Anm. d. Red.) schon "Der hat sie nicht mehr alle da draußen". Aber ich hab einem Fotografen im Innenraum gesagt: "Und wenn ich hier bis viertel nach fünf stehe: Ich schieße so lange, bis der Oblak rübergeht." Die vierte Ecke landete dann bei Holz (Bernd Hölzenbein, Anm. d. Red.), der traf zum 1:2 und wir gewannen am Ende noch.

Im Waldstadion gelang Ihnen das Kunststück, von jeder der vier Ecken direkt ins gegnerische Tor zu treffen. Was war das Geheimnis?

Ich habe immer geübt, die Bälle mit vollem Risiko reinzuhauen. Gegen Düsseldorf war auch etwas Glück dabei, gegen Kaiserslautern und Ronnie Hellström hat mir der Wind geholfen.

Manchmal war mir der Weg zu weit, was soll ich denn da das Spiel verzögern?

Bernd Nickel

Gab es damals keinen fähigen Rechtsfuß in der Mannschaft?

Das hat sich mit der Zeit so ergeben. Ich habe auch nicht alle geschossen. Manchmal war mir der Weg zu weit, was soll ich denn da das Spiel verzögern?

Eines der Eckentore gelang Ihnen gegen Sepp Maier und die Bayern, gegen die haben Sie immer gerne getroffen. Hing das damit zusammen, dass die Prämien zeitweise an die Zuschauerzahlen gebunden waren und das Stadion gegen München immer voll war?

(lacht) Nein. Die Bayern haben uns gelegen, weil sie Fußball spielen wollten. Wenn wir anschließend nach Oberhausen oder Duisburg gefahren sind, haben wir auch die andere Seite kennengelernt, da konnte man nicht glänzen.

War das wichtigste Tor trotzdem das im Mai 1971, der Fallrückzieher gegen Offenbach zum Klassenerhalt?

Ich hatte mit Robert Schwan und Udo Lattek schon alles abgesprochen und wäre bei einem Abstieg zu den Bayern gewechselt. Es war auf jeden Fall das wichtigste Tor für die Eintracht. Und sonst wäre der Bundesliga-Skandal wohl nicht aufgedeckt worden.

Offenbachs Präsident Horst-Gregorio Canellas präsentierte danach die Tonbandaufnahmen der Bestechungen.

Ich habe damals nichts davon mitbekommen, ich war ja ein junger Spieler.

In der Nationalmannschaft haben Sie nie eine echte Chance bekommen. Waren Sie dafür einfach zu ruhig?

Helmut Schön sagte, dass ich noch beständiger werden müsse, obwohl ich schon viele Tore gemacht habe. Und Günter Netzer und Wolfgang Overath waren immer gesetzt. Heute würde ich mich vielleicht ein bisschen mehr wehren. Da war ich zu leise, und es hat mir an Lobby gefehlt.

Dafür haben Sie lange in der Amateur-Nationalmannschaft gespielt, auch bei Olympia 1972.

Von den Leichtathleten wurden wir nicht für voll genommen, ganz wohlgefühlt haben wir uns im Olympischen Dorf nicht.

Das Attentat haben Sie aus nächster Nähe mitbekommen.

Uli Hoeneß und ich haben die Abfahrt des Busses mit den israelischen Geiseln aus 15 Metern Entfernung beobachtet. Das war total gefährlich, das würde ich nie mehr machen.

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