Bundesliga (D)

David Abraham im Interview zum Karriereende und Abschied aus Frankfurt

Argentinier blickt vor dem Karriereende zurück

David Abraham im Interview: "Das Allerbeste war dieser Lauf 2018"

Verabschiedet sich nach Argentinien: David Abraham.

Verabschiedet sich nach Argentinien: David Abraham. imago images

Dieses Interview erschien erstmals in der Montagausgabe des kicker am 16. November 2020.

Das Heimspiel gegen Schalke am Sonntag (18 Uhr, LIVE! bei kicker) wird David Abrahams letztes für die Eintracht sein. Anschließend kehrt der Argentinier in seine Heimat zurück.

Wie wird Ihr Leben in Argentinien aussehen, Herr Abraham?

Das weiß ich nicht, das wird auch für mich neu sein. Ich kehre nach fast 15 Jahren in Europa zurück und werde mich neu an Argentinien gewöhnen müssen. In Deutschland ist alles organisiert und durchgeplant, jetzt geht es zurück ins Chaos. (lacht)

Wie ist aktuell Lage im Land?

In Argentinien ist es immer kompliziert, wir sind das gewohnt und leben damit. Die Leute kennen sich mit Krisen aus. Im Vergleich zu Europa mag das Land chaotisch erscheinen, aber der Argentinier ist daran gewöhnt, dass es Höhen und Tiefen gibt, und auf ein Tief immer ein Hoch folgt. Das genießt man dann - in dem Wissen, dass das nächste Tief nicht weit weg ist. So ist es immer schon gewesen. Meine Eltern beispielsweise machten vier, fünf oder sogar noch mehr Krisen durch. Es gibt im Grunde alle zehn Jahre eine. Trotzdem ist der Argentinier ein rundum glücklicher Mensch.

In welche Stadt werden Sie ziehen?

Ich werde in Rosario leben und versuchen, meinen Sohn und natürlich auch meine Eltern sehr häufig zu sehen. Es ist fast 20 Jahre her, dass ich mein Elternhaus verließ und zu Independiente nach Buenos Aires wechselte. Deswegen wollen wir die Zeit jetzt noch intensiver gemeinsam nutzen.

Welche Pläne verfolgen Sie?

Ich habe keinen besonderen Wunsch. Aber ich würde gerne bei meinem Heimatverein Huracan Chabas noch ein bisschen kicken. Das ist ein kleiner Verein in einer Amateurliga mit vielen leidenschaftlichen Fans und Ultras. Außerdem werde ich meine alten Kontakte zu meinen Freunden von früher auffrischen. Und ich möchte die Zeit mit meinem Sohn Alfonso in vollen Zügen genießen. Im Mai wird er fünf Jahre alt, und sobald die Schule beginnt, wird es zeitlich ja auch enger.

Nirgendwo blieben Sie länger als in Frankfurt, fünfeinhalb Jahre. Woran liegt das?

Ich hätte 2015 von Hoffenheim nach Österreich oder England wechseln können, Frankfurt war wirtschaftlich betrachtet gar nicht die beste Option. Aber ich entschied mich für die Eintracht. Die Atmosphäre im Stadion, die Leidenschaft der Fans, das hat etwas von argentinischen Verhältnissen. Im Januar 2013 war mein erstes Spiel in Deutschland mit Hoffenheim in Frankfurt. Ich schaute mir von der Ersatzbank aus die Fans und die Kulisse an - das war unglaublich, unfassbar. Das ganze Spiel lang machten sie Stimmung und pushten ihre Mannschaft nach vorne. Da dachte ich: "Mensch, es wäre eine tolle Sache, eines Tages bei der Eintracht zu spielen." Zweieinhalb Jahre später kam das Angebot.

Wie oft hatten Sie Heimweh?

Das größte Problem war COVID-19, weil keiner aus Argentinien kommen konnte. Bis zum heutigen Tag konnten meine Eltern, mein Bruder und meine Freunde mich nicht besuchen. Es ist schon sehr hart, so lange allein zu sein. Aber jetzt weiß ich, dass ich ab Januar immer an der Seite meines Sohnes sein werde. Diese konkrete Perspektive ist eine extra Motivation.

Werden wir Sie in Deutschland wiedersehen?

Ich sage nicht auf Nimmerwiedersehen, es ist vielmehr ein Tschüss, ein Bis bald! Ich möchte natürlich zum Saisonende wiederkommen und auch nächste Saison immer mal wieder zu Besuch sein. Ich werde des Öfteren den Weg nach Frankfurt finden.

Was waren die drei schönsten Augenblicke Ihrer Karriere?

David Abraham

David Abraham mit dem DFB-Pokal nach dem Finalsieg gegen die Bayern. imago images

Das erste Highlight war in Argentinien die Nominierung für die U-20-Weltmeisterschaft 2005 inklusive des anschließenden Titelgewinns. Besonders war auch meine erste Meisterschaft mit dem FC Basel 2010, als wir eine riesige Aufholjagd gegenüber Young Boys Bern hinlegten und am letzten Spieltag in Bern gewannen. Das Allerbeste aber war Mijat Gacinovics Lauf zum 3:1 im DFB-Pokal-Finale gegen die Bayern 2018. Er läuft, er läuft, er läuft, er läuft - und schiebt den Ball ins Tor. Dieser Moment schwirrt immer noch in meinem Kopf herum und war das Allergrößte.

Es ist ein Jahr her, dass Sie Freiburgs Trainer Christian Streich zu Boden checkten und bis Jahresende gesperrt wurden. Wie denken Sie heute darüber?

Direkt nach dem Spiel war das vergangen und abgeschlossen. Das war eine schlechte Aktion, die aber ohne Absicht geschah. Nach den Gesprächen im Kabinengang mit Christian Streich und Vincenzo Grifo war das erledigt. Ich hatte anschließend das Gefühl, dass das in den Medien künstlich aufgebauscht wurde.

Durch die Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht lag es allerdings in der Natur der Sache, dass das Thema in der Öffentlichkeit blieb. Wie erlebten Sie diese Zeit?

Zum Glück verstehen meine Eltern kein Deutsch. Ich bin doch kein böser Mensch! Die Leute, die mich kennen, wissen, wie ich bin und wie ich ticke. In einem Spiel geht es um alles, und ich bin ein temperamentvoller, emotionaler Spieler. Da ist mir der Gegner egal. Ob ich gegen meinen Bruder spiele oder gegen meine Mama: Um zu gewinnen, werde ich alles tun. Selbst meinen Sohn lasse ich beim Kartenspielen nicht einfach so gewinnen. So bin ich. Aber über die sozialen Netzwerke bekam ich selbst von Kindern böse Nachrichten und Kommentare. Zwölf-, Dreizehnjährige schrieben mir: "Ich bringe dich um!" Da sehe ich auch die Eltern in der Pflicht, ein Auge auf ihre Kinder zu haben. So etwas darf nicht passieren.

Wie gingen Sie damit um?

Ich weiß um mein Fehlverhalten und bin der Erste, der das eingesteht. Was ich aber gelernt habe, ist, dass ich als Vater meinem Sohn genau über die Schulter schauen werde, damit er später nicht mal solche Dinge in sozialen Netzwerken schreibt.

Zurück zum Sportlichen: Hat der 21-jährige Brasilianer Tuta das Zeug, Ihr Nachfolger zu werden?

Ein argentinisches Sprichwort lautet: Er musste mit der hässlichsten Braut tanzen... Das war direkt in München, als Tuta bei seinem Startelfdebüt gegen die beste Mannschaft der Welt spielen musste. Das war natürlich nicht einfach. Tuta muss in jeder Trainingseinheit dazulernen. Er wird Fehler machen, aber daraus lernen. Er ist ein junger Kerl, der gut mit Kritik umzugehen weiß und auf jeden Fall die Qualität besitzt, um eine gute Karriere zu absolvieren. Dazu braucht er Disziplin und einen ruhigen, klaren Kopf. Nicht nur in einem Spiel, sondern dauerhaft.

Sie hinterlassen allerdings schon sehr große Fußstapfen.

Wir haben genügend gute Spieler, um dieses Loch zu füllen. Als ich verletzt war oder gesperrt fehlte, haben Makoto Hasebe, Martin Hinteregger, Almamy Toure oder Evan Ndicka ihre Sache sehr gut gemacht. Alle sind noch an Bord, und mit Tuta kam noch jemand dazu. Es ist also genügend Qualität vorhanden.

Lesen Sie dazu:
Hütter über Abraham-Erbe Tuta: "Er wird besser und besser"

Interview: Julian Franzke