Wenn die sprichwörtliche Reaktion auch noch mit vier Monaten Verspätung kommen kann, so zeigte sie das deutsche Team eindrucksvoll. Die ersten sieben Länderspielminuten nach dem 0:6-Debakel in Spanien, sie hätten besser kaum laufen können.
Zwei Angriffe aus dem Lehrbuch zog das DFB-Team auf, beide garniert mit dem Torerfolg - und beide wurden von Kimmich eingeleitet: Zunächst spielte der Mittelfeldmann einen gefühlvollen Chip-Pass auf Gnabry, dessen perfekte Volley-Ablage Goretzka humorlos zum 1:0 verwertete (3.). Dann setzte Kimmich mit einem Steilpass Sané in Szene, dessen Rückpass Havertz direkt abnahm und flach ins lange Eck setzte (7.).
Fast 90 Prozent Ballbesitz in der ersten halben Stunde
Kimmich, der sich auch in der Folge als Dreh- und Angelpunkt des deutschen Spiels hervortat, war neben Rüdiger, Klostermann, Havertz und dem etwas überraschend als Linksverteidiger aufgebotenen Can einer von fünf Spielern, die DFB-Coach Löw im ersten Spiel seiner Abschieds-Tournee neu in die Startelf beorderte. Bezeichnend: Alle fünf hatten bei der Klatsche in Spanien gar nicht im deutschen Aufgebot gestanden.
Entsprechend frei von Last trat die deutsche Elf anfangs auf. Dass Mittelfeldspieler Hofmann wenige Stunden zuvor positiv auf COVID-19 getestet worden war und das Spiel damit kurzzeitig auf der Kippe stand? Nicht zu sehen. Das deutsche Team versprühte viel Spielfreude und ließ den Gegner erst gar nicht an den Ball kommen. In der ersten halben Stunde hatte das deutsche Team zeitweise fast 90 Prozent Ballbesitz.
Island fehlt nicht viel zum Anschluss
Die Isländer, deren Coach Arnar Vidarsson sein Debüt als Nationaltrainer gab, hätten den mickrigen Rest aber beinahe zu einem Anschlusstor aus dem Nichts genutzt: Ein von Rüdiger entscheidend abgefälschter Sigurjonsson-Schuss drehte sich nur hauchdünn am DFB-Tor vorbei (27.). Abgesehen davon hatte Deutschland aber alles unter Kontrolle - auch wenn es gegen tiefstehende Gäste nur noch selten so zwingend wurde wie in der Anfangsphase. Aktivposten Kimmich zwang Islands Keeper Halldorsson aus der Distanz zu einer starken Parade, im Anschluss an die folgende Ecke köpfte Rüdiger knapp vorbei (42.).
Mitten in Islands beste Phase: Gündogan ganz präzise
Nach dem Seitenwechsel wurde Island - ohne die verletzten Sigurdsson (Everton) und Finnbogason (Augsburg) angetreten - allerdings deutlich mutiger, setzte Deutschland viel früher unter Druck und sorgte damit durchaus für Probleme beim DFB-Team: Kapitän Gunnarsson vergab eine gute Kopfballchance leichtfertig (51.). Mitten hinein in die beste Phase der Gäste schlug dann aber die deutsche Elf zu: Nach einem Doppelpass von Gnabry und Goretzka wackelte sich Gündogan in Position und stellte mit einem präzisen Flachschuss aus knapp 20 Metern auf 3:0 (56.).
Island blieb trotz des nun deutlichen Rückstands allerdings energisch. Die deutsche Elf verlor kurzzeitig ihre Sicherheit, blieb aber selbst in dieser Phase das gefährlichere Team: Dauer-Initiator Kimmich bediente Gnabry, der mit einem fulminanten Volley-Schuss nur den Pfosten traf (71.). In der Schlussphase beruhigte sich die Partie dann wieder deutlich, die Highlights spielten sich an der Seitenlinie ab: Löw wechselte Musiala ein und sorgte damit für das Länderspiel-Debüt des 18-Jährigen, auch Younes kam nach dreieinhalb Jahren Abstinenz zu seinem Comeback für Deutschland.
Wirtz hingegen blieb über 90 Minuten auf der Bank, der 17-Jährige muss auf seine Premiere noch warten. So weit sein könnte es am kommenden Sonntag (20.45 Uhr), wenn Deutschland in Rumänien das zweite Qualifikationsspiel absolviert. Die Isländer sind ebenfalls am Sonntag (18 Uhr) in Armenien zu Gast.