Bundesliga (D)

Die Kühle eines Titelanwärters: Hradecky erklärt neues Selbstverständnis

Von wegen Bayer-Dusel: Leverkusen präsentiert sich in Augsburg Bayern-like

Die Kühle eines Titelanwärters: Hradecky erklärt neues Selbstverständnis

Lukas Hradecky jubelt mit seinen Leverkusener Kollegen über das späte 1:0 in Augsburg.

Lukas Hradecky jubelt mit seinen Leverkusener Kollegen über das späte 1:0 in Augsburg. IMAGO/MIS

Beim Jubel über den späten Siegtreffer von Exequiel Palacios in der 94. Minute explodierten die Emotionen der Bayer-Profis in Augsburg. Doch bis zu dem die Hinrunden-Meisterschaft sichernden Treffer agierten die Spieler von Xabi Alonso so, als ob ihnen Spielstand und die gnadenlos runtertickende Uhr gar nichts ausmachten. 0:0 in der Nachspielzeit - was soll's?!

Bundesliga, 17. Spieltag

Mit der Kühle eines Titelanwärters zog die Werkself in Augsburg ihr Ding durch. Keine Ungeduld. Keine Hektik. Keine langen Bälle in der Schlussphase. Einfach nur auf das eigene Ballbesitzspiel vertrauend, drückte Bayer den Gegner immer tiefer in dessen Strafraum, um dann doch noch zuzuschlagen.

"Sehr schön herausgespieltes Tor"

Von Bayer-Dusel war dieser Erfolg trotz des späten Treffers weit entfernt. "Ich glaube schon, dass wir drangeblieben sind, dass wir nicht aufgegeben haben, dass wir weiter drauf losgespielt haben", erklärte der als Innenverteidiger eingesetzte Sechser Robert Andrich das Leverkusener Erfolgsrezept, "wir haben aber auch nicht dumm und blind nach vorn gespielt. Wir wollten das Tor erspielen. Und am Ende wurden wir wieder belohnt auf einem nicht einfachen Platz: Es war ein sehr schön herausgespieltes Tor mit zwei, drei kurzen Pässen ins Zentrum rein."

Die Werkself tat damit das, was der Rekordmeister aus München seit Jahren fest in seinem Repertoire hat: Sie vertraute ihren spielerischen Qualitäten bis zum Schluss und wurde dafür belohnt - so wie es den Münchnern mit ihrem angeblichen Bayern-Dusel in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gelang.

Rolfes: "Das zeigt die Qualität"

Nicht nur für Simon Rolfes ein klares Zeichen von Klasse. "Der Glaube war die ganze Zeit da, weil wir viele Chancen hatten. Irgendwann läuft dir zwar die Zeit dann weg, aber wir haben ja bis zur letzten Sekunde Chancen kreiert", erklärte der Geschäftsführer. Dass es dann noch mit dem späten Siegtreffer klappte, "das zeigt die Qualität."

In Augsburg bewies Bayer nun die Fähigkeit, sich auch unter ungünstigen Rahmenbedingungen nicht vom eigenen Stil abbringen zu lassen. Den schlechten Platzverhältnissen und auch dem Fehlen von fünf Stammkräften in der Anfangsformation zum Trotz siegte Bayer ganz Bayern-like.

Ein Fakt, der nicht nur drei Punkte bescherte, sondern auch noch mehr mentale Stärke erzeugt. "Das schafft natürlich noch mehr Selbstbewusstsein, am Anfang des Jahres so einen Sieg zu holen", ordnete Kapitän Lukas Hradecky den Dreier zum Wiederauftakt ein, "hier muss man gewinnen, wenn man oben bleiben will."

Es ging nicht hin und her, sondern wir haben die Abläufe beibehalten, sind cool geblieben. Wir haben dieses gute Gefühl auf dem Platz.

Lukas Hradecky

Besonders die Art und Weise imponierte dem Torhüter. "Es ging nicht hin und her, sondern wir haben die Abläufe beibehalten, sind cool geblieben. Wir haben dieses gute Gefühl auf dem Platz, dass wir noch mehr an die Tür klopfen können und das Tor dann doch noch fällt", sagte Hradecky, "und das ist eine Qualität, die auch mal späte Siege bringt."

Diese sind am Ende entscheidend im Titelrennen. Bayer besitzt inzwischen die dafür notwendige geistige Verfassung. "Diese Mentalität können wir gerne beibehalten", sagt Hradecky mit einem Lächeln und erklärt das neue Selbstverständnis. "Irgendetwas ist durch die vielen Siege, durch den Erfolg entstanden in der Mannschaft", beschreibt er das Phänomen und fordert direkt: "Der gewisse Hunger auf mehr muss immer bleiben. Heute hat man es gespürt, dass wir gewinnen wollten. So muss es weitergehen."

Den Einzug von Selbstzufriedenheit und Nachlässigkeit aufgrund der starken Auftritte befürchtet der finnische Nationalspieler indes nicht. "Es gab schon ein paar Situationen, dass wir dadurch ein bisschen leichtsinnig geworden sind", analysiert er im Rückblick auf die Hinrunde, "heute war es nicht der Fall." Und dass diese Kombination aus fußballerischer und mentaler Stärke Bayer alle Möglichkeiten im Titelkampf eröffnet, ist ihm bewusst. Erklärt er doch: "Wenn wir es so seriös annehmen, dann weiß ich nicht…"

Stephan von Nocks

Bilder zur Partie FC Augsburg gegen Bayer 04 Leverkusen