Bundesliga (D)

Die Zeit scheint stillzustehen: Makoto Hasebe wird 40

"Ist der nicht zu alt für uns?" fragte sich Bruchhagen schon 2014

Die Zeit scheint stillzustehen: Phänomen Hasebe wird 40

Trotzt dem Alter so gut es geht: Makoto Hasebe

Trotzt dem Alter so gut es geht: Makoto Hasebe IMAGO/ActionPictures

Es gibt Bilder im Fußball, die brennen sich unweigerlich ins Gedächtnis. Häufig sind es die Extreme. Ein Titelgewinn, ein berauschender Sieg, aber auch Abstiege oder dramatische Niederlagen. Von allem hat die Eintracht-Historie mehr als genug zu bieten. Im Oktober 2022 war es aber "nur" ein normales Vorrundenspiel in der Champions League, welches einen Frankfurter Moment für die Ewigkeit lieferte.

Makoto Hasebe beugte sich über den recht theatralisch am Boden liegenden Tottenham-Spieler Richarlison und sagte ihm sehr deutlich einige Takte. An diesem Tag beeindruckte der Japaner Fußballfans weit über die Grenzen des Waldstadions hinaus, in dem er als Abwehrchef Harry Kane die Grenzen aufzeigte. Das Spiel endete 0:0.

38 Jahre alt war er in diesem Herbst 2022. Trainer war Oliver Glasner. Der erlebte zu dieser Zeit das gleiche, was zuvor schon seinem Vorgänger Adi Hütter widerfahren war. Beide versuchten es, zwischenzeitlich ohne Hasebe auszukommen, beide mussten eingestehen, dass das keine gute Idee war. "Wir müssen es schaffen, dass wir mal ohne ihn weiterspielen können", forderte Hütter im Dezember 2020. Dieser Satz basierte auf einer Annahme, dass die Post-Hasebe-Ära bevorstehe. "Makoto wird 37, im Sommer wird die Fußballerkarriere ziemlich sicher zu Ende sein." Weit gefehlt!

Blanko-Vollmacht von Krösche

Auch mit jetzt 40 Jahren muss sich erstmal zeigen, ob die Fußballerkarriere im Sommer zu Ende gehen wird. "Makoto ist der einzige Profi, der selbst entscheiden kann, ob er seinen Vertrag verlängert", sagte Markus Krösche vor einem Jahr. Eine Blanko-Vollmacht als maximales Zeichen der Wertschätzung. Ein Anschlussvertrag als Botschafter des Klubs ist längst unterschrieben.

An seiner Qualität hatten wir keinen Zweifel. Die entscheidende Frage war: Ist der nicht schon zu alt für uns?

Heribert Bruchhagen im Jahr 2014

Um seinen allerersten Vertrag am Main musste er hingegen zittern. "Bruno Hübner und ich haben zusammengesessen. An seiner Qualität hatten wir keinen Zweifel", erzählt Heribert Bruchhagen im Gespräch mit dem kicker. Es ist das Jahr 2014, Bruchhagen Vorstandsvorsitzender, Bruno Hübner Sportdirektor und Hasebe, 30 Jahre alt, gerade mit dem 1. FC Nürnberg aus der Bundesliga abgestiegen. Wegen einer schweren Knieverletzung hatte er fast die komplette Rückrunde verpasst.

Dann klopfte die Eintracht an. Bruchhagen muss lachen, als er berichtet, woran der Transfer fast gescheitert wäre: "Wir haben länger darüber nachgedacht. Die entscheidende Frage war: Ist der nicht schon zu alt für uns? Wenn Wolfsburg ihn vor einem Jahr schon abgegeben hat, ist er in dem Alter noch der richtige für uns?" Und wie er das war!

Im Dreijahresrhythmus eine Position nach Hinten

Mitausschlaggebend für die Verpflichtung sei auch die Empfehlung von Felix Magath gewesen. "Mit Felix bin ich ja gut befreundet, er hat mir damals geschildert, wie wichtig Hasebe für den Teamgeist war. Er hat ein hohes Loblied auf ihn gesungen." Der gemeinsame Meistertitel 2009 in Wolfsburg macht Hasebe zu einer vom Aussterben bedrohten Spezies: Er ist der letzte verbliebene Bundesligaprofi, der Deutscher Meister wurde, aber nie für Bayern oder Dortmund spielte.

Magath und Hasebe

Einst erfolgreich in Wolfsburg: Felix Magath und Makoto Hasebe. imago sportfotodienst

Hasebe ist im Laufe seiner Karriere ein wahrer Anpassungskünstler geworden. "Im Dreijahresrhythmus ist er immer eine Position nach hinten gerückt. Er war eigentlich als zentraler Mittelfeldspieler eingeplant. Unter Armin Veh ist er dann ins defensive Mittelfeld gewandert", so Bruchhagen. Niko Kovac setzte das fort und fand für Hasebe einen Platz in der Abwehrreihe.

Diese Entscheidung war maßgeblich, um dessen Karriere auf höchstem Niveau bis heute zu verlängern. Dank seiner Spielintelligenz, seiner Antizipationsfähigkeit und erstklassiger Technik ist er der perfekte Mann für den Spielaufbau. Weil er im Kopf immer einen Schritt voraus ist, wiegt das schon seit längerem schwindende Tempo nicht so sehr. Und in Zweikämpfen kann er giftiger sein, als seine im Vergleich zu manchem Abwehrrecken recht zierliche Figur vermuten lässt. Harry Kane spürte das alles.

Hütters Forderung wird umgesetzt - drei Jahre später

In diesem Sommer ist dem Klub gelungen, was Hütter vor drei Jahren forderte: Die Eintracht kann es inzwischen auch ohne Hasebe. Die Verpflichtungen von Robin Koch und Willian Pacho haben den Klub aus der Abhängigkeit des Japaners befreit, sodass für den nur neun Pflichtspieleinsätze zu Buche stehen.

Und trotzdem steht Hasebe jeden Tag mit einer Arbeitseinstellung auf der Matte, als stünde seine ganze Karriere noch vor ihm. Ein Arbeitsethos, das seinesgleichen sucht. Die Elogen, die seine Trainer immer wieder auf den Musterprofi gehalten haben, könnten ganze Bücher füllen.

Orangensaft bei McDonald’s und Bücher im Bus

In Wolfsburg erzählen sie noch heute, wie Hasebe nach Auswärtsspielen auf der Heimfahrt bei gelegentlichen Abstechern zu McDonald’s Salat und Orangensaft bestellt hat, während sich seine Kollegen über Burger und Pommes hermachten. "Was auch bemerkenswert war", ergänzt Bruchhagen: "Bei langen Busreisen hat er immer intensiv gelesen. Andere hatten immer ihre Stöpsel im Ohr, Musik gehört oder auf dem iPad rumgedattelt. Makoto hat immer ein Buch gelesen, das kommt im Fußball nicht oft vor." Zwei kurze Anekdoten, die viel über den Menschen Hasebe aussagen.

Wohl oder übel neigt sich die Karriere des Ausnahmekickers ihrem Ende zu. Er ist schon jetzt der älteste Spieler, der je für die Eintracht spielte. Er stand in der Bundesliga mit 203 (!) Spielern auf dem Platz, dem absoluten Spitzenwert aller noch aktiven Profis. Er könnte nach Klaus Fichtel, Claudio Pizarro, Miroslav Votava und Manfred Burgsmüller der fünfte Feldspieler der Liga werden, der mit mindestens 40 Jahren noch auf dem Rasen steht.

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Es wartet Lieblingsgegner Darmstadt

Die Zahlen seiner Karriere sind eindrucksvoll: 379 Spiele in der Bundesliga, 114 für die japanische Nationalmannschaft inklusive drei WM-Teilnahmen, diverse Titel mit den Urawa Red Diamonds, für die er vor seiner Zeit in Deutschland von 2002 bis 2008 in schon beeindruckenden 215 Spielen auf dem Rasen stand. In Frankfurt krönte er sich zum 2018 Pokalsieger und stemmte 2022 den Pokal der Europa League in die Luft.

Ein besonderes Jubiläum steht noch bevor, sein nächster Einsatz wird sein 300. Pflichtspiel im Trikot von Eintracht Frankfurt. Am Samstag in Darmstadt wäre der passende Zeitpunkt dafür - wohlgemerkt nicht als Geburtstagsgeschenk, vielmehr als Garant für den Sieg. Hasebe hat nämlich erst zwei Tore für die Eintracht erzielt: Am 32. Spieltag 2015/16 beim 2:1 in Darmstadt und am 19. Spieltag 2016/17 beim 2:0 zu Hause gegen wen wohl? Genau, gegen Darmstadt.

Aber heute heißt es erstmal: Happy Birthday, "Hase"!

Moritz Kreilinger

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